Im Herzen von Cattenom

Im Herzen von Cattenom
(Tageblatt/Akim Schmit)

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Eindrucksvoll und furchterregend von außen, bedrückend von innen: Das AKW Cattenom. Für 1500 Menschen gehört dies zum Arbeitsalltag. Für Luxemburger Journalisten ein einmaliges Erlebnis.

Zugegeben, das Gefühl im Bauch ist schon etwas mulmig, bevor es ins Herz der Atomzentrale von Cattenom hineingeht. Kaum ist der eindrucksvolle Anblick der Kühltürme verdaut, geht es nach einer kurzen Einführung und einigen Begrüßungsworten von Direktor Stéphane Dupré schon zur ersten Sicherheitskontrolle. Noch schnell ein Foto von den Luxemburger Journalisten im blauen EDF-Schutzhelm, und schon sind wir drinnen. Rückzieher, Fehlanzeige.

Per Bus müssen die Journalisten zum Reaktor Nummer eins gebracht werden. Denn die Fläche der ganzen Atomanlage misst 420 Hektar und ist damit die größte Frankreichs. Insgesamt 1500 Mitarbeiter sind dort beschäftigt. Damit ist das AKW Cattenom einer der größten Arbeitgeber der Region. Die Beschäftigten leisten, Tag ein Tag aus, einen schwierigen Job mit sehr viel Verantwortung, sagt Direktor Dupré. Der Sicherheit zuliebe.

Der Reaktor

Angekommen in Reaktor eins erwartet die Journalisten bereits die nächste Sicherheitskontrolle. Reaktor eins befindet sich derzeit in einem 10-Jahres-Check. Er bleibt bis Mai abgeschaltet. Von der Betonhülle des Reaktorgebäudes bis hin zum Reaktorkern wird der gesamte Reaktor untersucht. Das Ergebnis wird danach der Sicherheitsbehörde ASN vorgelegt, die entscheidet, ob der Reaktor wieder ans Netz gehen darf. Der Reaktor wird noch drei dieser Checks erleben, bevor 2047 abgeschaltet wird.

Jeder Besucher bekommt nun ein Strahlenmessgerät, das die Belastung in Mikrosiveret anzeigt, in die Hand gedrückt. Nun werden Männer und Frauen getrennt. Es geht in die Umkleidekabine. Bis auf die Unterhose ausgezogen, bekommt jeder Besucher ein Unterhemd, einen Ganzkörperanzug, Strümpfe, Schuhe, Handschuhe, Mütze und Helm mit integrierter Brille zugeordnet.

Im Inneren

Neu eingekleidet, geht es durch lange Flure, ohne Fenster. Die beige-graue Farbe wirkt sehr kalt. Das mulmige Gefühl ist wieder da. Es riecht eigenartig. Steril und gleichzeitig muffig. Sonderbar. Dann Treppen. Ein Aufzug. Oben angekommen, geht es durch mehrere Feuerschutztüren. Nun sind wir im Inneren des Reaktors. Um uns herum zwei Betonmauern. Keine Fenster. Der künstliche Unterdruck im Reaktor erzeugt eine Art Durchzug. Als ob der Wind durchbläst. Man erklärt uns, dies sei notwendig, damit in keinem Fall Luft von Innen nach Außen strömt.

Wir blicken etwa hundert Meter hinunter. Nichts für Menschen mit Höhenangst. Die Arbeiter um uns herum übertönen die Erklärungen der Begleiter, die uns durch die Anlage führen und mit technischen Details berieseln. Viele Kräne mit verschiedenen Funktionen, Gerüste und Wasserbecken, soweit das Auge reicht. Genug gesehen. Doch bevor wir den Reaktor verlassen können, müssen wir mehrere Strahlentests bestehen. Die Handschuhe werden abgestreift und die Hände mehrmals in verschiedenen Positionen mit Scanner auf Strahlung geprüft. Der Computer zeigt irgendwelche Zahlen an, doch es ertönt kein Alarm. Alles im grünen Bereich.

Brennstoff

Weiter geht es in das Brennstoffgebäude. Schon wieder Feuerschutztüren. In der Halle angekommen, liegt uns ein großes dunkelblaues Wasserbecken zu Füßen. Die sonderbare Farbe erklärt sich durch die Radioaktivität, erklärt man uns. Am Grund des etwa 15 Meter tiefen Beckens lagern die Brennstäbe, vollgestopft mit Uran. „Was würde passieren, wenn ich dort hineinspringe“, fragte ich die Begleiterin. „Wenn sie schwimmen können, nichts“, so die Antwort. Durch das entmineralisierte Wasser, sei es dennoch schwierig, sich über Wasser zu halten. Auch sei es nicht anzuraten, länger als einige Stunden in dem Becken zu verbringen, wegen der Säure. Nach einem Rundgang um das Becken, ist die Tour im Hochsicherheitstrakt beendet.

Doch bevor es wieder in die Umkleide geht, muss sich jeder einem Strahlenbelastungstest unterziehen. Leuchtet das Lämpchen grün auf, ist alles in Ordnung. In der Reihenfolge Schuhe, Anzug, Unterhemd, Strümpfe und Handschuhe legt man die Kleider wieder ab. Danach folgen noch zwei weiter Strahlentests, jeweils in der Unterhose. Erst jetzt können wir uns wieder anziehen.

Bevor der Rundgang durch das AKW Cattenom zu Ende geht, werfen wir noch einen Blick in den Kontrollraum und besichtigen den Maschinenraum. Man erklärt uns, dass die vier Reaktoren zusammen zweimal ganze Lothringen ein Jahr lang versorgen könnten. Dies entspricht etwa 8 Prozent des französischen Stromverbrauchs. Dabei wird der produzierte Strom auf direktem Wege nach Metz geliefert. Dort wird er in erster Linie für den industriellen Bedarf und die Zuglinien freigegeben. Luxemburg erhält auf direktem Wege keinen Strom aus Cattenom. Indirekt aber über den Strom, den Deutschland aus Cattenom importiert. Luxemburg kauft einen Teil seiner Elektrizität in Deutschland.