„Familie und Verwandte spielen eine wichtige Rolle“

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Am Donnerstag findet die zweite Auflage des Parkinson-Tags im CHEM statt. Bei dieser Gelegenheit können sich die Besucher über die Krankheit, die Behandlung und die Fortschritte in der Forschung informieren. Wir unterhielten uns mit Dr. Alexandre Bisdorff, Neurologe im CHEM und Spezialist auf diesem Gebiet.

Tageblatt: Was ist Parkinson genau?
Dr. Alexandre Bisdorff: Hierbei handelt es sich um eine neurodegenerative Erkrankung, bei der eine Gruppe von Nervenzellen im Gehirn abstirbt. Das führt zu Problemen bei der Motorik, zur Verlangsamung des Bewegungsablaufs und zur Versteifung der Muskeln. Eines der Symptome ist auch das Zittern.

Ist Letzteres eines der typischen Symptome?
Ja, ist es – wenn dieses Symptom besteht, dann kann man recht schnell eine Diagnose stellen. Bei Betroffenen, die nicht zittern – das sind rund zehn Prozent –, folgt die Diagnose oft erst später. Die Steifigkeit kann auch zu Schmerzen führen. Häufig erfolgt daraufhin sogar eine Erstbehandlung auf beispielsweise Rheuma – bis die richtige Ursache festgestellt ist.

Was sind die Ursachen für diese Krankheit?
Die Ursachen sind nicht bzw. nicht weitreichend bekannt; man weiß lediglich, dass eine Gruppe von Nervenzellen der schwarzen Substanz im Gehirn langsam abstirbt, deren Produktion an Dopamin abnimmt und dieser Mangel zu den Symptomen führt. Warum diese Zellen aber absterben, ist jedoch nach wie vor eine offene Frage.

Die Krankheit ist unheilbar?
Parkinson ist nicht heilbar, aber behandelbar.

Wie sieht das Krankheitsbild aus?
Es gibt keine Prävention. Auch die Früherkennung ist schwierig. Es fängt mit dem Bewegungsablauf an: Das Gehen wird langsamer, man braucht länger, um sich an- und auszuziehen – und auch, um zu essen. Dann folgen die bereits erwähnte Steifigkeit und das Zittern. Die spontanen Bewegungen, die Gesichtszüge und die Mimik verändern sich. Das Antlitz der Patienten zeigt keine Regungen mehr. Die Emotionen sind da, aber sie kommen nicht mehr zum Ausdruck. Die Krankheit kann sich auch auf die Sprache auswirken: Der Redefluss wird monotoner. In dem Zusammenhang kommt der Familie und den Verwandten eine wichtige Rolle zu.

Sie sprechen von der Früherkennung?
Absolut, weil das Umfeld merkt, dass etwas schiefläuft. Es gibt Menschen, die zu uns kommen, weil sie feststellen, dass etwas nicht mehr klappt. Sie meinen oft, es sei bloß das Altern. Häufig ist es aber auch so, dass die Angehörigen auf Veränderungen hinweisen.

Apropos Alter: Ist Parkinson eine Krankheit, die eher ältere Menschen betrifft?
Ja, in erster Linie. Es gibt aber auch vermehrt Fälle von so genanntem „juvenilen Parkinson“: Hiervon spricht man, wenn bei Menschen, die noch mitten im Leben stehen, Parkinson diagnostiziert wird – mit Mitte 30 oder sogar noch früher. Das kommt allerdings wesentlich seltener vor. Der Hauptrisikofaktor ist das Altwerden. Bei einem kleinen Teil der Fälle spielt der Kontakt mit Pestiziden eine Rolle. Es ist bereits länger bekannt, dass in ländlichen Gegenden Parkinson-Erkrankungen häufiger auftreten. Genetische Veränderungen spielen vor allem beim juvenilen Parkinson eine Rolle, in den meisten Fällen gibt es bislang keine wissenschaftliche Erkenntnis und keine Erklärung für Parkinson.

Was kann man denn dagegen unternehmen?
Es gibt keine Vermeidung in dem Sinne, dass man, wenn man dies und das tut oder unterlässt, nicht an Parkinson erkrankt. Für die Betroffenen gibt es indes eine Reihe von Dingen, die den Krankheitsverlauf verlangsamen. Es ist nicht bekannt, dass ein gesunder Lebenswandel Parkinson vorbeugt.

Was ändert sich mit der Diagnose Parkinson?
Vieles. Es ist so, dass zu Beginn der ersten Symptome noch die Hälfte oder mindestens 40 Prozent der Nervenzellen, die das Dopamin produzieren, aktiv sind. Es gibt also eine gewisse Reserve oder „Kompensation“. Man geht allerdings davon aus, dass sich die Krankheit bereits Jahre, bevor die ersten Symptome sichtbar werden, im Gehirn ausbreitet. Aber irgendwann kann diese „Kompensation“ nicht mehr aufrechterhalten werden und die ersten Symptome erscheinen. Der Mangel an Dopamin kann in einem bestimmten Maße durch Medikamentengabe ausgeglichen werden. Arzneimittel wirken am Anfang der Krankheit sehr gut. Je weniger die Zellen aber werden, desto weniger effizient wird das Medikament.

Sind Medikamente die einzige Behandlungsmethode?
Nein, es gibt eine Reihe von Dingen, die man machen kann, um besser in Form zu bleiben. Eigens dafür geschultes Fachpersonal hilft dabei, dass die Sprache und der Bewegungsablauf erhalten bleiben. Sprach- und Physiotherapeuten stehen den Patienten mit Rat und Tat zur Seite. Es gibt tatsächlich eine Reihe von Tricks und Ratschlägen, die man lernen kann, um mit dieser Krankheit besser umzugehen. Mittlerweile ist dies ein wichtiger Bestandteil der Behandlung geworden.

Warum?
Erstens, weil nicht alle Symptome von Parkinson gut auf die Medikamente anschlagen. Zum Beispiel Gleichgewichts- und Sprachstörungen, die nicht so gut wie das Zittern und die Steifigkeit auf die Arzneimittel reagieren. Und dann gibt es leider auch Formen der Krankheit, bei denen Medikamente global nicht so gut wirken. Es ist nämlich nicht so, dass es nur eine einzige Art von Parkinson gibt. Bei verschiedenen Varianten sprechen die Arzneimittel schlecht oder gar nicht an.

Wie viele Menschen leiden hierzulande unter Parkinson?
Es gibt hierzulande schätzungsweise 1.000 Fälle. Das sind die, die unter der typischen Form leiden. Zählt man die untypischen Fälle dazu, dann ist die Zahl natürlich höher, hier sind die Schätzungen aber sehr ungenau.

Ist das eine normale Anzahl?
Es gibt keinen Hinweis darauf, dass wir außergewöhnlich viele Fälle hätten. Es ist ein normaler Wert – wie sonst in Westeuropa auch.

Und Männer sind häufiger betroffen als Frauen?
Der Gender-Unterschied ist gering.


Zur Person

Dr. Alexandre Bisdorff ist gebürtig aus Esch und Neurologe im CHEM. Seine Studien absolvierte der 58-Jährige in Berlin, Trier und London. Er ist derzeit auch Präsident der „Société luxembourgoise de neurologie“.


Das NCER-PD

NCER-PD bedeutet „Nationales Zentrum für Exzellenz in der Erforschung der Parkinson-Krankheit“. Das Zentrum besteht aus vier Partnern, die ihr Fachwissen zu Parkinson miteinander teilen. Bei diesem gemeinsamen Forschungsprogramm arbeiten alle Parkinson-Forschungseinrichtungen zusammen. Diese vier sind das Luxembourg Centre for Systems Biomedicine (LCSB), Centre hospitalier de Luxembourg (CHL), Integrated Biobank of Luxembourg (IBBL), Luxembourg Institute of Health (LIH, ehemals CRP-Santé). Seit Frühjahr 2015 wird das Programm vom „Fonds national de la recherche“ (FNR) finanziert. Weitere Informationen zur Forschung auf www.parkinson.lu.