Die treibende Kraft

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Der Blick wach, neugierig, höchst aufmerksam und fokussiert auf den Gesprächsverlauf, wohlüberlegte Antworten: Guido Berghmans, Generaldirektor des Casino 2000 in Mondorf, tritt in die Fußstapfen des Visionärs des Hauses, Werner J. Wilhelm Wicker. Anders als der Vorstandsvorsitzende kümmert sich Berghmans mit seinem Team ums Tagesgeschäft.

Tageblatt: Herr Berghmans, gerade hat Ihr Haus 35. Jubiläum gefeiert. Seit wann gehören Sie zum Team?

Guido Berghmans: Ich arbeite seit 34 Jahren im Casino 2000. Ein Jahr nach der Eröffnung kam ich nach Luxemburg. Damals war ich ein junger Croupier und hatte bereits fünf Jahre im Casino in Aachen gearbeitet. Ich hatte Urlaub und bin eher zufällig ins Casino in Mondorf gegangen, um mir das anzusehen.

Plötzlich kam mir ein ehemaliger Kollege aus Aachen entgegen und erklärte mir, dass er mich seit zwei Wochen vergeblich zu erreichen versucht habe. Als damaliger Betriebsratsvorsitzender hatte er nur bis zum nächsten Tag Zeit, eine Person seiner Wahl – in diesem Fall mich – als neuen Mitarbeiter vorzuschlagen.

Es war also das Schicksal, das damals gespielt hatte und mich von einem sehr schönen, großen Casino in Aachen hierher nach Mondorf führte, von einem Palast in ein eher kleines Haus, bei dem es nicht sicher war, wie es sich entwickeln würde. Glücklicherweise hat sich das Casino seitdem sukzessive positiv weiterentwickelt und ich konnte meinen Teil dazu beigetragen.

Ich war kurz als Croupier und später als Tischchef, Saalchef und Casino-Direktor tätig. Darüber hinaus war ich an vielen Projekten beteiligt, u.a. an den künftig vorgesehenen Spielautomaten.

Schon damals interessierte ich mich für Computer und hatte für die Verwaltung viele Statistiken ausgearbeitet und neue Programme eingeführt. Mir war es wichtig, dass die Gäste an den Spielautomaten genauso gut behandelt werden wie die Gäste an den Spieltischen. Dieser Bereich hat sich im Laufe der Jahre finanziell sehr stark erweitert.

Sie hatten sich vom Croupier hochgearbeitet. Die eine Seite der Medaille ist Fachkenntnis, die andere Visionen zu haben, am Puls der Zeit zu sein.

Meine Aufgabe im Haus ist es, die Geschwindigkeit vorzugeben und zu sagen: „Wir halten jetzt nicht an, da wir den nächsten Schritt erreicht haben; wir machen weiter.“ Die Infrastruktur ist sehr stark gewachsen. Viele Kollegen aus anderen Casinos beneiden mich um die unglaublichen Möglichkeiten, die unser Haus bietet. Als Vizepräsident der „European Casino Association“, deren Vice Chairman ich von Juni 2006 bis Februar 2015 war, habe ich ziemlich viele Kontakte zu Casinos in ganz Europa.

Wie schätzen Sie die Konkurrenz ein? Im Umkreis von wenigen Kilometern gibt es zwei Spielbanken.

Gerade hatte ich die Infrastruktur angesprochen, der andere große wichtige Vorteil bezieht sich auf meine Mitarbeiter. Es ist spektakulär, zu sehen, wie sie sich ständig weiterentwickeln. Als Direktor profitiere ich von dieser tollen, jungen, dynamischen Mannschaft. Natürlich ist die Konkurrenz ein Ansporn, aber die Häuser vor Ort sind nicht unsere Hauptkonkurrenten.

Wer ist ihr größter „Widersacher“? Und wo ist er beheimatet?

Die größte Konkurrenz für uns befindet heute sich im Internet. Dort ist ein Markt entstanden, der doppelt so groß ist wie der Casino-Markt in Europa. Über Internetspiele oder -wetten werden mittlerweile 20 Milliarden Euro jährlich umgesetzt. Weltweit sind es sogar bis zu 45 Milliarden Euro, die bei Onlinespielen verloren werden.

Das Online Gaming wächst weiterhin sehr stark, mit jährlichen Raten von bis zu 15 Prozent. Der größte Sektor darin sind Sportwetten. Schätzungen zufolge soll sich der Online-Glücksspiel-Markt in Europa bis 2025 verdoppeln.

Das ist eine starke Konkurrenz für uns. Die heutigen jungen Leute – beispielsweise Studenten, die gern Poker spielen – wollen beim Spielen auch nachdenken, herausgefordert werden. Sie gewinnen dadurch zwar nicht mehr, verlieren aber weniger. Das Gleiche gilt auch für die Sportwetten. Beim Thema Sport will jeder mitreden und wettet. Um zu wetten, muss man sich aber mit den Teams und Trainern auseinandersetzen. Diesen Überlegungsmoment gibt es bei vielen von unseren Glückspielen, die reine Glücksspiele sind, eben nicht.

Es wird also mehr virtuell gespielt. Diese Entwicklung sehen Sie als Casino-Direktor auch aus einem anderen Grund mit Sorge, oder?

Die Politik und die Bevölkerung haben diese Verlagerung von Poker, Wetten und Co. ins Internet anfangs gar nicht mitbekommen. Es fehlt deshalb heute an der nötigen Regulierung. Dadurch, dass alles im Internet sozusagen unsichtbar ist, sind sogar noch heute viele Politiker erstaunt, wenn sie hören, welche Summen da eingesetzt und verloren werden. Langsam entwickeln sich die Dinge in die richtige Richtung. Ich setze mich für eine strenge Regulierung aller Glücksspiel-Angebote ein.

Stichwort Eventmanagement: Mittlerweile findet fast täglich im Casino 2000 eine Veranstaltung statt.

In der Tat prägten schon sehr früh große Konzerte im Park, mit teilweise bis zu 7.000 Besuchern, unseren Eventkalender. Der Auftritt von dem damals berühmt gewordenen Andrea Bocelli an einem warmen Sommerabend war einer der schönsten.

Den Eventbereich hatte Herr Wicker tatsächlich seit Beginn im Konzept des Casinos verankert. Anfangs konnten wir in unserem großen Saal 350 und später 600 Gäste empfangen sowie bewirten. Unser ursprüngliches Projekt für einen moderneren Veranstaltungssaal für 600 Menschen hatte Herr Wicker stark vergrößert. Er ist ein echter Visionär, der ein gutes Gespür für neue Entwicklungen hat.

Wir haben ein paar Jahre sorgfältig geplant. Heute zahlt sich diese Planung aus. Die Gruppen nehmen die Infrastruktur dankend an. Nach einem Konzert kann bei uns das Material in einer Stunde abgebaut, aufgeladen und auf die Reise zum nächsten Austragungsort geschickt werden. Hinter der Bühne hat der Star eine kleine Wohnung für sich, unsere Mitarbeiter umsorgen alle Interpreten sehr professionell.

Wie wählen Sie die Künstler aus, die im Casino auftreten? Wie stellen Sie die Verbindung zu ihnen her?

In den letzten sechs Monaten haben wir viel dazugelernt. Alle Künstlerbuchungen fürs nächste Halbjahr kamen noch ohne diese Erfahrung zustande. Glücklicherweise sind uns dabei nur wenige Fehler unterlaufen. Heute wissen wir, wie wir die Popularität der Künstler zuverlässig ermitteln. Wir beobachten das Angebot der großen Konzertsäle in der Region sowie die Konkurrenz und interessieren uns für die Lieblingsinterpreten unserer 25- bis 75-jährigen Gäste.

Die Auswahl der Künstler ist eine Art neuer Beruf, auch für mich. Wir haben viele Arbeitsgruppen, eine davon ist die für diesen Bereich zuständige Gruppe „Events“. Das sind junge Menschen, auch aus dem Bereich Marketing, die den richtigen Riecher dafür haben, wer gerade hoch in der Gunst des Publikums steht. Jüngstes Beispiel: Tagbo. Diese französische Humoristin war ein Riesenerfolg für uns. Oder die belgische Komödiantin Laura Laune. Sie ist gerade ganz in. Für ihren Auftritt im November werden uns die Tickets aus den Händen gerissen.

Das Casino mausert sich also immer mehr zu einer Eventlocation?

In der Tat. Das Glücksspielgeschäft gerät etwas in den Hintergrund. Nicht zuletzt dank unserer Mannschaften, die immer professioneller werden und wissen, wie man Dinge organisiert. Das Team wird verjüngert, das Unternehmen dynamisiert.

Das Mehr an Aktivitäten im Unterhaltungsbereich gab es früher auch, aber noch nie war diese Entwicklung so intensiv wie heute. Das Schwierigste für uns ist jedoch, unser Angebot insbesondere beim Luxemburger Publikum bekannt zu machen. Viele Menschen, die hier aufgewachsen sind, sind überrascht, dass wir weitaus mehr als „nur“ ein Casino sind. In diesem Zusammenhang ändern wir gerade unsere Strategie.

Inwiefern?

Bisher waren wir verstärkt auf Frankreich und dessen Künstler fokussiert. Seit Kurzem arbeiten wir mit einer Agentur in London zusammen, wo wir vermehrt Ausschau nach internationalen Interpreten halten. Die Höhe der Gage spielt für die Buchung eine gewichtige Rolle. Die bekanntesten Hundert kann man nicht bezahlen. Ausschlaggebend für uns ist der Geschmack unserer Gäste. Wir überlegen, wie wir die Konzerte mit dem Angebot unserer drei Restaurants und dem Hotelbetrieb vereinbaren können.

Wäre eine Öffnung in Richtung Deutschland nicht eine Überlegung wert?

Ich höre von vielen deutschen Kollegen, dass wir dort wenig bekannt sind. Wir haben mithilfe von Marketingexperten mehrmals überprüft, wie teuer es wäre, um in Deutschland bekannter zu werden. Und immer wird uns davon abgeraten, da in Deutschland der Casino-Markt abgedeckt ist. Es gibt zu viel Konkurrenz für die gleichen Produkte, außerdem sind die Werbekosten zu hoch. Mehr als die Hälfte der Gäste kam schon immer aus Frankreich zu uns. Sie geben zwar weniger als die Luxemburger aus, sind aber zahlenmäßig stärker vertreten.

Die andere Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist die nach der Kommunikation. In welcher Sprache sprechen Sie die Menschen an?

Das Casino 2000 hat sich für die dreisprachige Variante seiner neuen Webseite entschieden, wo neben Deutsch und Französisch auch Englisch vertreten ist. In der Tat ist die englischsprachige Version die derzeit am häufigsten aufgerufene Version. Wir wollten zunächst nur auf Französisch setzen. In Luxemburg leben inzwischen viele Expats, was uns in diesem Zusammenhang zugutekommt.

Mit den gerade stattgefundenen Yolo Days haben wir versucht, uns bei den Menschen vorzustellen, sie zu einem Tag der offenen Tür eingeladen. In unserem Veranstaltungskalender ist ständig Bewegung, teilweise gibt es auch kleine Events.

Jedenfalls soll an allen Wochenenden etwas für unsere Gäste angeboten werden. Wenn der Kunde nach drei Tagen wiederkommt, darf er kein eingeschlafenes Unternehmen vorfinden (lacht). Der Bereich der Spieltische wird demnächst neu gestaltet.

Wagen Sie einen Ausblick zum Ende unseres Gesprächs. Wohin geht die Reise?

Die besten Experten der Branche sind sich einig: „Wir wissen es nicht.“ Alles entwickelt sich sehr schnell. Keiner kann die Zukunft voraussagen. Bei uns arbeiten junge und intelligente Mitarbeiter mit den besten Experten zusammen und lernen, wie sich die Trends entwickeln.

Wir wiederum erfahren von ihnen, wie junge Menschen auf diese Entwicklungen reagieren könnten. Die Millennials lehren uns, unsere Produkte in vielen Teilschritten anzupassen. Wir sind etwas zu alt, um das Trendgespür der jungen Leute zu haben. Wir müssen die Jugend einbinden, um die Zukunft des Casinos zu sichern. Wir dürfen weder einen Trend verpassen noch uns auf alten Erfolgen ausruhen.