Superlativen

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„Good Morning Mobilitéit“: Unter diesem griffigen Slogan (der an einen Film mit Robin Williams, an das Musical „Hair“ oder manche noch an ein Lied von Judy Garland erinnern mag) wurde am Sonntag mit der offiziellen Einweihung der ersten Teilstrecke der Tram, der Bahnhaltestelle Pfaffenthal-Kirchberg mit der dazugehörigen Seilbahn und des Bahnhofs Howald (der genau genommen bislang auch nur eine Haltestelle ist) ein neues Kapitel des öffentlichen Transports in Luxemburg aufgeschlagen.

Ein guter Morgen sieht eigentlich anders aus. Erstens war es Sonntag, zweitens war es kalt und drittens setzte kurz nach 9.00 Uhr ein Schneesturm ein, der sich nur noch verschlimmerte.

Der Einweihungsmarathon begann gegen 10.00 Uhr auf Howald. Gleich hinter dem Cactus-Supermarkt befindet sich der neue Bahnhof, der sich zurzeit noch auf einen 43 Meter langen Bahnsteig und eine 60 Tonnen schwere Passerelle beschränkt. Ein großer Pfeiler lässt aber schon erahnen, dass bis 2024 hier einer von insgesamt neun „Pôles d’échange multimodal“ entstehen wird. Das klingt kompliziert, heißt aber lediglich, dass sich an diesen Orten verschiedene Formen des öffentlichen Transports und des Individualverkehrs kreuzen. Konkret können die Verkehrsteilnehmer vom Zug in den Bus oder in die Tram umsteigen. An manchen „Pôles d’échange multimodal“ werden auch viele Stellplätze für Autos zur Verfügung stehen.

Zur ersten Einweihung kamen Großherzog Henri und Großherzogin Maria Teresa, Premierminister Xavier Bettel, Wirtschaftsminister Etienne Schneider, Infrastrukturminister François Bausch, Landwirtschaftsminister Fernand Etgen, Finanzminister Pierre Gramegna, Parlamentspräsident Mars di Bartolomeo und andere ranghohe Politiker am Sonntag jedenfalls in der Limousine. Und dies obwohl der neue Fahrplan der CFL seit Sonntag in Kraft ist und der neue Bahnhof Howald nun auch angefahren wird. Sonntagmorgens allerdings nur im Ein-Stunden-Takt.

Fast wie im Skiurlaub

Schon die erste Einweihung hätte fast in einer Katastrophe geendet. Mitarbeiter des Ministeriums hatten an einer Strebe am unteren Ende der Treppe zum Bahnsteig ein aufgerolltes Transparent aufgehängt. Als Großherzog Henri die Schnallen öffnete, um es auszurollen, knallte das Plakat der Großherzogin auf den Kopf. Ein Video der Szene wurde am Sonntagnachmittag in den sozialen Netzwerken verbreitet. Die Großherzogin nahm es mit Fassung. Sie blieb unverletzt und ließ sich im weiteren Verlauf der Zeremonie nichts anmerken.

Gegen 10.20 Uhr verließ der Zug mit den Ehrengästen den Bahnhof Howald in Richtung Norden. Nächster Halt: Pfaffenthal-Kirchberg. Mit der Rolltreppe ging es von den Bahngleisen auf die Zwischenplattform hoch. Dort fand dann die erste Jungfernfahrt des Tages statt.

In der Seilbahn fühlte es sich nicht nur wegen des Schneesturms fast wie im Skiurlaub an. Die kurze Fahrt zur „Bergstation Plateau de Kirchberg“ war schnell zu Ende. Oben empfing der Männerchor „Chorale d’hommes réunis“ die Ehrengäste mit einer umgetexteten luxemburgischen Version des Lieds „Funiculi, funiculà“, das ursprünglich zur Eröffnung der Standseilbahn auf den Vesuv im Jahr 1880 komponiert wurde.

Die zwölf Fahrer des luxemburgischen „Funiculaire“ seien in Österreich und der Schweiz ausgebildet worden, erzählte CFL-Generaldirektor Marc Wengler in seiner Ansprache. Rund 96 Millionen Euro habe die CFL in den zweiten multimodalen Pol des Tages investiert.

Es stürmte und schneite. Das große Überdach konnte den Schnee nicht abhalten. Das weihnachtliche „Winter Wonderland“, das extra zur Einweihung aufgebaut worden war, brachte nur wenig Erheiterung.

Danach stand der eigentliche Höhepunkt des Tages an: die Jungfernfahrt mit der lang ersehnten Tram. 30 Jahre lang wurde sie kontrovers diskutiert. Ein „historischer Moment“, ein „Quantensprung“, ein „Meilenstein in der Mobilitätsproblematik“. Die Superlativen überschlugen sich. Seit 1964 hat die Hauptstadt endlich wieder eine Tram – nachdem sie damals abgeschafft worden war, um durch die flexibleren Busse ersetzt zu werden, wie die „Stater“ Bürgermeisterin Lydie Polfer in der anschließenden akademischen Sitzung berichtete. Lange Zeit habe die Hauptstadt keine Tram gewollt, meinte Polfer. In der Hauptsache sei es um die unästhetischen Oberleitungen gegangen, die das Stadtbild verschandelt hätten. Mit Oberleitung fährt die elektrisch betriebene Tram heute nur noch auf Kirchberg und später auf der Cloche d‘or. Wenn sie in den kommenden Jahren die Stadt durchqueren wird, werden Batterien sie antreiben.

„Mister Tram“

Ästhetisch ist die neue Tram durchaus. Und schön bunt. Im Innern dominieren die Farben Hellblau und Cremeweiß. Manche Türen sind mit lila-, grün- und orangefarbenen Folien beklebt. Die Sitze sind etwas hart, aber nicht unbequem. Doch lange kann man in der Tram eh noch nicht sitzen bleiben. Die Fahrt von der Haltestelle „Rout Bréck-Pafendall“ bis zur Luxexpo The Box dauert 13 Minuten. Wenn sich der Schnee auf die großen Fenster legt, ist die Aussicht nicht besonders gut. Trotzdem war die kurze, exklusive Jungfernfahrt am Sonntag sehr angenehm. Ob die Tram den Alltagstest besteht, wird sich in den nächsten Wochen zeigen.

Den Abschluss der Einweihungsfeier bildete eine akademische Sitzung im „Tramsschapp“, die mit den Rednern Polfer, Bausch und Bettel schnell zur blau-grünen Vorwahlkampfveranstaltung ausartete. Nachhaltigkeits- und Infrastrukturminister François Bausch hatte sich seinen großen Auftritt für den Schluss aufgespart. „Mister Tram“ erinnerte daran, wie er sich schon seit den 1990er-Jahren, damals noch mit Schnurrbart und ein paar Pfund mehr auf den Rippen, unermüdlich mit seiner Partei für eine Straßenbahn auf dem Kirchberg eingesetzt hatte. Auch blickte Bausch auf die unzähligen BTB-Studien zurück, die seit 1994 von Robert Goebbels und seinen Nachfolgern im Transportministeramt durchgeführt worden war. In der kommenden Woche werde in der Abgeordnetenkammer das Gesetz zum Ausbau der Tram gestimmt und er hoffe, dass alle Fraktionen dafür seien, erzählte Bausch.

Luxtram-Generaldirektor André von der Marck hatte zuvor bereits darauf hingewiesen, dass die Tram im Frühjahr 2018 schon bis zur place de l’Etoile fahren werde und die Strecke bis zum Jahr 2021 von heute 4,6 auf dann insgesamt 16 Kilometer ausgebaut sein soll.

Nachdem das großherzogliche Paar von der Tramsmusek der Stadt Luxemburg, die trotz des einstweiligen Verschwindens der Tram im Jahr 1964 noch immer existiert, verabschiedet wurde, ging die Einweihungsfeier ihrem Ende zu. Es hatte aufgehört zu schneien und die Temperaturen waren gestiegen. Der Schnee verwandelte sich langsam zu Wasser und die Tram nahm ihre ersten „normalen“ Gäste auf.

L.Marx
11. Dezember 2017 - 10.51

"Und dies obwohl der neue Fahrplan der CFL seit Sonntag in Kraft ist und der neue Bahnhof Howald nun auch angefahren wird. Sonntagmorgens allerdings nur im Ein-Stunden-Takt." Leider wird über die LInie 60 auch die zweitgrößte Stadt des Landes am Sonntagmorgen nur im Stundentakt von der Bahn direkt ab Luxemburg bedient, Dazwischen gibts allerdings noch einige Umsteigeverbindungen mit einer Reisezeit von bis zu 55 Minuten ...