Sollen Busse und Bahnen nichts mehr kosten?

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Luxemburgs Fahrkartenpreise gehören mit zu den niedrigsten in Europa. Dennoch wird in regelmäßigen Abständen die Forderung nach kostenlosen Bus- und Zugfahrten laut. Über die Vor- und Nachteile einer unentgeltlichen Nutzung von Bus, Zug und Tram geht es in unserem Pro und Kontra heute.

 

Pro: Gratis-Fahrt für alle Bürger

Christian Muller, Wirtschaftsredaktion – cmuller@tageblatt.lu

Eines der gewichtigsten Probleme für viele Menschen, die in Luxemburg arbeiten, ist die Mobilität. Mit der stetig zunehmenden Zahl von Arbeitnehmern verstopfen die Straßen immer mehr. Die Anzahl der im Stau vergeudeten Stunden nimmt beständig zu. Als Lösung fördert die Regierung den öffentlichen Transport. Milliarden werden in die Infrastruktur investiert. Und das ist auch gut so. Der entscheidende Schritt jedoch, ein kostenloser öffentlicher Transport, lässt auf sich warten. Und das obwohl mehrere politische Parteien die Idee bereits vorgeschlagen hatten.

Dabei ist klar, dass der öffentliche Transport in der Theorie zwar praktisch ist – in Wahrheit für die meisten Menschen aber eher unbequem ist. Manchen passen die Uhrzeiten nicht – anderen die festgelegten Strecken –, noch andere mögen das Umsteigen nicht. Wer das nicht glaubt, der kann versuchen, mit dem Bus von Echternach nach Esch zu fahren. Mit dem Auto geht es einfach deutlich schneller. In diesem Sinne sollte ein Staat, der den öffentlichen Transport fördern will, die Menschen nicht zwingen, dafür zu bezahlen.

Hinzu kommt, dass bereits heute große Teile der Bevölkerung gratis fahren dürfen, und dass die doch sehr geringen Einnahmen durch Ticketverkäufe nicht einmal einen kleinen Teil der Kosten des Netzwerks decken. Den Löwenanteil der Kosten deckt der Staat eh durch Steuereinnahmen.

In manchen Jahren (etwa im Rahmen der Einführung der neuen digitalen Fahrkarten) soll das Einsammeln der Gelder sogar mehr gekostet haben als die Summe der gesamten Jahreseinnahmen. Es wäre also kein finanzieller Verlust, wenn alle Bürger gratis fahren dürften.

Es könnte jedoch helfen, Menschen zum Umsteigen zu motivieren. Immerhin stellt der Kauf von Tickets (selbst wenn sie günstig sind) für viele Menschen eine Hürde dar – sei es die Wartezeit beim Ticketkauf oder die Angst: „Ich weiß nicht, wie der Automat funktioniert.“
Sobald dann wirklich mehr Menschen den öffentlichen Transport nutzen, könnte auch das Streckennetz mit gutem Gewissen ausgebaut werden. Profitieren könnte, neben der Umwelt, zudem auch die Attraktivität der Geschäfte in Stadtzentren – deren Wettbewerber in den Industriezonen gratis Parkplätze anbieten haben.

Das oft zitierte Argument „Was nichts kostet, ist nichts“ zieht nicht. Öffentlicher Transport ist, wie der Name es beinhaltet, eine öffentliche Dienstleistung. Dann müssten auch Schulen kostenpflichtig sein.

In der Welt hat sich die Idee eines kostenlosen öffentlichen Transports noch nicht durchgesetzt. Es gibt aber einige wenige Beispiele, wie etwa Tallinn (die Hauptstadt Estlands), deren Einwohner seit 2013 gratis in ihrer Stadt fahren dürfen. Das kam nach einer Volksabstimmung zustande, wo sich 75 Prozent dafür entschieden hatten. Und das Resultat kann sich sehen lassen: Die Auslastung der Busse und Straßenbahnen ist um rund zehn Prozent gestiegen und Umfragen zufolge stehen heute über 90 Prozent der Bevölkerung hinter der Idee. Die Regierung ist am Überlegen, auch nationale Busse gratis zu machen.

Aber Estland ist als fortschrittliches Land bekannt, das in vielen Bereichen Vorreiter ist …

Kontra: „Wat näischt kascht …!

Lucien Montebrusco, Redakteur – lmontebrusco@tageblatt.lu

Die Idee klingt verlockend: Warum die kostenlose Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs nicht flächendeckend einführen? Schließlich soll die Nutzung von Zug, Bus und Tram gefördert, das Straßennetz entlastet, Umwelt und Gesundheit geschützt werden.
Die Idee ist nicht neu. Die LSAP hatte sie bereits 2004 in ihr Wahlprogramm aufgenommen. Sie geriet jedoch schnell in Vergessenheit. Nicht wegen Schwierigkeiten bei einer möglichen Umsetzung.

isenbahnergesellschaft und Gewerkschaften zeigten ihr die kalte Schulter. Bezweifelt wurde, ob die Unentgeltlichkeit tatsächlich das Interesse für den ÖPNV erhöhen würde. Auch hätte die Neuerung wohl Personal freigesetzt. Stattdessen beschloss die damalige Koalition niedrige Fahrkartenpreise.

Ein zweites Mal wurde die Idee während der Tripartite-Verhandlungen 2010 aufgewärmt. Damals stand die Änderung des Warenkorbs, der Grundlage zur Berechnung der Preisentwicklung und der anschließenden Anpassung der Gehälter und Renten an die Inflation (Indextranche), zur Debatte. Als Gegenleistung zur Entfernung von Treibstoff aus dem Warenkorb sollten Zug und Bus gratis werden. Konkrete Folgen bewirkte der Verhandlungsvorschlag des damaligen Premierministers Jean-Claude Juncker jedoch nicht.
Ob unentgeltliche Fahrten heute zu einer stärkeren Nutzung des öffentlichen Angebots beitragen würden? Tatsache ist, dass die öffentlichen Verkehrsmittel, insbesondere die Züge, bereits jetzt schon gut ausgelastet sind.

Die Forderung des „alles umsonst“ ist eine populistische. Luxemburg zählt zu den Ländern mit den billigsten Fahrkarten. Für vier Euro kann man den ganzen Tag nach Herzenslust durchs Land fahren. Personen ab 60 können für 100 Euro pro Jahr sämtliche öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Schüler verfügen seit Jahren über Gratiskarten. Seit August 2017 können Studenten ihr Gratisticket beantragen. Tausende behinderte Mitbürger nutzen das Angebot unentgeltlich. Bei speziellen Anlässen oder an bestimmten Wochentagen öffnen sich die öffentlichen Verkehrsbetriebe allen Benutzern ohne Fahrkarte.

Auch ausbleibende Einnahmen wegen des lieben Geldes würden kein Hindernis darstellen. Allein bei der CFL beliefen sich laut Jahresbericht 2015 die Einnahmen aus dem Kartenverkauf für nationale Fahrten auf knapp 15 Millionen Euro. Den Löwenanteil der Kosten für den nationalen, internationalen und regionalen Bahnverkehr übernahm der Staat mit 186 Millionen Euro.

Würde Luxemburg eine landesweite kostenlose Benutzung des ÖPNV einführen, wäre es EU-weit einsamer Vorreiter. Sogar in der verblichenen sozialistischen Sowjetunion mussten die Towarischtschi für Bus, Tram, Trolleybus, Metro und Zug zahlen. Auch wenn es nur drei bis fünf Kopeken (Cents) waren. Zahlen mussten die Passagiere, weil sie eine Dienstleistung in Anspruch nahmen. Nichts anderes tut der- oder diejenige, der oder die in Luxemburg in den Bus oder den Zug steigt. Übrigens: Eine im Juli 2017 eingereichte Petition über kostenlosen Transport für Langzeitarbeitslose unterzeichneten lediglich 38 Personen.

Außerdem gilt noch immer: „Wat näischt kascht, ass och näischt.“

Claude Oswald
7. Januar 2018 - 22.02

Dat do ass liicht iwwerdriwwen.

Claude Oswald
7. Januar 2018 - 14.19

Es muss doch aber erlaubt sein über den Tellerrand zu blicken. Die Welt hört nicht in Wasserbillig auf.

Scholnier
7. Januar 2018 - 13.17

Gudden Houseker, Hühnerdiebe machen Politik oder "den Kleeschen ass komplett op d'Nues gefall. "Man nehme den Senioren den Gratistransport weg und verschenke den dann als "Niklosgeschenk un d'Studenten". Es interssiert keinen ob die Eltern zu den Großverdienern im Land zählen, der Rentner steht vor der Todeswelt , wo er bekanntlich sein Geld nicht mitnehmen kann, " an iwwerhaapt den Aalen kann blechen." Nun " gudden Houseker" ist das nun Gerechtigkeit, falls Sie dies als gerecht finden, verstehe ich Ihre Aufregung nicht ,wenn Hühnerdiebe die Betriebe verstaatlichen wollen.

Luc
7. Januar 2018 - 12.35

Genee. Also musse mer eng Tax ophiewe fir all km mam Auto ze fueren an 20€ fir eng Kéier an d'Stad ze fueren mat der Sténkkëscht plus 5 Euro Parking d'hallef Stonn.

Luc
7. Januar 2018 - 12.33

"Es bleibt dann allerdings immer noch das Problem, dass die Benutzer zahlen müssen, sobald sie über die Grenze fahren. Wer nach Trier, nach Arlon oder nach Metz fahren würde, würde also gewissermaßen bestraft werden." Bestrooft? Eis Regierung ass net zoustänneg fir d'Ausland, och net 'gewissermassen'.

Claude Oswald
7. Januar 2018 - 11.12

Die Großen haben sich längst den Kuchen geteilt. Da bleibt für Neueinsteiger nichts mehr übrig. Ich bleibe aber bei meiner Idee, auch wenn sie Ihnen nicht gefällt. Es mag zwar "modern" und "schick" sein auf der Welle des Neoliberalismus mitzuschwimmen, aber es ist nicht der Weisheit letzter Schluss, und es ist nicht das Ende der Geschichte.

robin
7. Januar 2018 - 6.57

Dat wat CFL déi lescht Wochen opféiert ass och näischt méi waert. Duerfir kann et och gratis ginn.. nom Motto "Wat naischt kascht, ass näischt Wert'

Erich Houséker
6. Januar 2018 - 22.07

@Claude Oswald. Wo ist das Problem ? Private Unternehmen sind der größte Arbeitgeber des Landes ! SIE können ja auch ein Unternehmen gründen und zahlen Ihrem Personale dann die höchstmöglichen Löhne. Mal sehen, wie weit SIE kommen. Aber bestehende Betriebe "verstaatlichen" (also stehlen) war vorgestern. Wie weit die Hühnerdiebe in der Geschichte gekommen sind , ist ja inzwischen bekannt. Erich Houséker.

Claude Oswald
6. Januar 2018 - 13.01

Wenn Christian Müller sich konsequent wäre, müsste er den öffentlichen Transport nicht nur gratis für die Benutzer machen, sondern er müsste ihn verstaatlichen. Zurzeit machen nämlich private Busfirmen den großen Reibach. Es bleibt dann allerdings immer noch das Problem, dass die Benutzer zahlen müssen, sobald sie über die Grenze fahren. Wer nach Trier, nach Arlon oder nach Metz fahren würde, würde also gewissermaßen bestraft werden.

Jang
6. Januar 2018 - 12.51

Ech denken, wann een op der Steiererklärung Kilometerpauschal ofschafen, an duerch eng personifizéiert Transportkaart fir sämtlech Léit déi hei am Land wunnen respektiv schaffen aféieren géing, hätt een Béides erreegt. Mam Gratistransport duerch Ofschafen vun der Kilometerpauschal, hätt een eppes fir déi sozial Schwaach gemaach an fir en Deel och méi Steiergerechtegkeet erreegt.

Nomi
6. Januar 2018 - 12.08

Waat naischt kascht get och net respektei'ert !!!!! Dann fuhren mer geschwennt wei' an engem Drecksauto !!!!

Rosch
6. Januar 2018 - 12.00

Ich will auch, dass das Bier in der Kneipe nichts mehr kostet.

Scholnier
6. Januar 2018 - 8.33

In Zeiten wo unsere Nachbarländer den Wegezoll sprich Maut einführen ,sollte dem hiesigen Einwohner der Gratis Öffentliche Transport hierzulande zur Verfügung stehen.Einerseits wird unser Straßennetz entlastet, andereseits aus ökonomischer Sicht bleiben uns unsere ausländischen Tankkunden erhalten, ins Auge könnte man fassen, die Parkgebühren erheblich für Langzeitparker zu erhöhen oder eine Automobil Taxe gleich dem Londoner System für Städte ,deren Umfeld einzuführen.( Bsp.Luxemburg Stadt von Kirchberg bis Bartringen einbegriffen. )

Luc
5. Januar 2018 - 23.19

"Ticketverkäufe nicht einmal einen kleinen Teil der Kosten des Netzwerks decken." Die Erlöse reichen nicht mal um die Ticketverkäufer und die Kontrolleure sowie die Automaten zu bezahlen, vom Fahrbetrieb mal gar nicht zu reden.