Schwere Vorwürfe gegen den Piloten

Schwere Vorwürfe gegen den Piloten

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Die achte Woche im Luxair-Prozess begann am Montag mit dem Strafantrag des Staatsanwalts. Er belastet den Unglückspiloten schwer.

Eigentlich sollte Me Pol Urbany als Anwalt der Nebenkläger am Montagnachmittag das Wort ergreifen. Doch statt seiner ergriff Staatsanwalt Serge Wagner das Wort im Luxair-Prozess. Me Urbany musste dem Gericht krankheitshalber fernbleiben.

Sieben Angeklagte der Luxair, darunter drei Ex-Generaldirektoren, ein technischer Direktor, zwei Techniker und der Pilot der am 6. November 2002 abgestürzten Fokker 50 werden der fahrlässigen Tötung und Verletzung der Sorgfaltspflicht angeklagt. Beim Crash starben 20 Menschen.

Schlechte Organisation?

Der Staatsanwalt eröffnete seine Rede, indem er betonte, die Staatsanwaltschaft habe alles Notwendige zur psychologischen Betreuung der Angehörigen der Opfer während des Prozesses getan. Einer der Anwälte der Nebenklage hatte der Staatsanwaltschaft mangelndes Engagement und eine schlechte Organisation des Prozesses vorgeworfen. Auch widersprach Serge Wagner einem anderen Anwalt, der behauptet hatte der für die Zivilklage verantwortliche Anwalt der Luxair- Angeklagten (mit Ausnahme des Piloten) sei ein Gauner, weil er versuche, den Familien der Opfer ihre Entschädigung vorzuenthalten.

Anschliessend erklärte Wagner, die zentrale Frage in diesem Prozess sei heraus zu finden, wer welche Schuld durch sein falsches Handeln oder sein Nichthandeln auf sich geladen hat. Es gehe in dieser Verhandlung nicht um die Flugtauglichkeit des Fliegers.
Was die Verjährung der Straftat anbelangt, sagte der Staatsanwalt, dass die Untersuchung während all den neun Jahren weiter geführt wurde, ohne größere Pausen. Die Ermittlungen seien nicht ohne Probleme verlaufen. Es sei der erste Fall dieser Größenordnung in Luxemburg. Man verlor vier Monate, weil ein anderer Untersuchungsrichter das Dossier übernahm. Verschiedene Oppositionen und juristische Einwände mussten aus der Welt geschafft werden. Die eigentliche Untersuchungszeit hätte sich auf nur fast vier Jahre belaufen, so Wagner. Der europäische Menschenrechts- Gerichtshof habe seine Verurteilung wegen einer zu langen Untersuchung ausgesprochen, ohne im Besitz des ganzen Dossiers gewesen zu sein.

Pilot und Ex-Generaldirektor seit 2003 angeklagt

Nur zwei Angeklagte könnten eine zu lange Untersuchungsfrist ins Feld führen könnten: Claude Poeckes und Christian Heinzmann, sagte der Staatsanwalt. Sie seien schon 2003 angeklagt wurden. Die übrigen Anklageschriften seien den anderen betroffenen Personen viel später zugestellt worden, zwischen 2006 und 2008. Die Untersuchung sei gemäß der kontradiktorischen Prozeduren vorgenommen worden. Diese schreiben vor, dass die Anwälte jederzeit während der Untersuchung Einsicht in das Dossier haben müssen und Fragen stellen können.

Fragen stellt sich der Staatsanwalt über die Aussage des Zeugen Guibert. Er bezweifelt die Objektivität seiner Ausführungen. Die Expertise der Gutachter Favé und Tavernier seien ausschlaggebend, betonte Wagner, der während gut 15 Minuten den sogenannten Experten-Zeugen zerriss. Sich auf Hypothesen zu stützen, sei inakzeptabel, so Wagner. Guibert war auf Anfrage der Verteidigung des Piloten der Fokker 50 in den Zeugenstand gerufen worden, um die These einer Panne als eigentliche Unfallursache zu stützen und die Aussagen der offiziellen Gutachter zu widerlegen.

Poeckes zu jung für kommerziellen Pilotenschein?

Erstaunlich ist in den Augen des Staatsanwalt auch das junge Alter, indem Claude Poeckes seinen kommerziellen Pilotenschein erhielt. Wäre Poeckes ohne die Hilfe seines Vaters, einem der Chefs bei der Luxair, angesichts seiner schlechten psychologischen Tests überhaupt eingestellt worden?

Dann beschäftigte sich Wagner mit dem Vorwurf der Fehlerserie im Cockpit. Poeckes durfte nicht fliegen, tat es aber. Die Schuld auf den verstorbenen Kopiloten zu schieben sei billig. Die „Get home-itis“ des Piloten sei offensichtlich gewesen. Der Wille unbedingt landen zu wollen, soll einer der Hauptgründe für das Fehlverhalten der Crew gewesen sein, die zum Crash führte. Die Piloten sollen mehrere Prozeduren nicht eingehalten haben und unter anderem trotz der Ankündigung eine Warteschleife zu fliegen mit dem Landeanflug weiter gemacht haben.

Eine Reihe von Fehlern im Cockpit

Der Staatsanwalt gab viele Beispiele für das Fehlverhalten des Bordkommandanten. Er zitierte unter anderem aus der Tonbandaufnahme des Cockpits und den Gutachten. „Man könne die Schuld nicht auf den Tower schieben. Sie würden lediglich Informationen weiterleiten und Ratschläge erteilen und hätten keinen Fehler gemacht,“ sagt Serge Wagner. Es sei am Piloten gewesen, den Tower zu informieren, dass man wegen der schlechten Sicht nicht landen werde. Die Entscheidung liege immer beim Flugzeug-Kommandanten.

Seinen Fehler versuchen wieder gut zu machen, indem man einen unerlaubten Sturzflug macht, sei unverantwortlich und gefährlich gewesen. Zumal weder das Bordpersonal noch die Passagiere über die Pläne des Piloten informiert wurden. Ein technischer Ausfall sei ausgeschlossen, betonte Wagner weiter.
Ausgiebig beschäftigte sich Serge Wagner auch mit dem Plädoyer von Me Pierret, dem Verteidiger von Claude Poeckes. Man könne nicht während der Verhandlung Sachen behaupten, die im krassen Gegensatz zu den Beweisen und Aufzeichnungen stehen. Dieser versuchte, seinen Mandanten aus der Schusslinie zu ziehen, indem er einen technischen Defekt, unklare Ansagen des Kontrollturms und den Gedächtnisschwund des Piloten hervorbrachte. All dies sei absolut nicht glaubwürdig, so die Schlussfolgerung des Staatsanwalts.

Die Staatsanwaltschaft forderte, alle Anklagepunkte für den Piloten der verunglückten Fokker 50 zurückzubehalten. Am Dienstag wird der Staatsanwalt mit seinen Ausführungen weitermachen.