„Nicht der Vorhof zum Weltuntergang“

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In den vergangenen Wochen kam es in Luxemburg, wie auch in den Nachbarregionen, vermehrt zu Gewittern, manche davon mit Unwettercharakter. Wir sprachen mit dem bekannten Schweizer Meteorologen Jörg Kachelmann über die aktuelle Wettersituation.

Tageblatt: Man hat derzeit das Gefühl, als wollten die Gewittertiefs nicht abziehen. Wie normal bzw. ungewöhnlich ist die derzeitige Wetterlage?
Jörg Kachelmann: Es ist zwar so, dass sich im Durchschnitt die Großwetterlage etwa alle sechs Tage ändert, aber es kommt auch immer wieder vor, dass es über längere Zeit gleich bleibt. Derzeit ist es so, dass wir im Grenzgebiet zwischen einem Hoch im Norden und einem Tief im Süden liegen. Da kommt halt diese feuchte Luft aus Südosten und diese bringt dann – einen Tag mehr, einen Tag weniger – diese örtlichen Unwetter. Also es ist sicher außergewöhnlich, es passiert nicht in jedem Mai. Aber es ist auch nicht der erste Mai, in dem so was geschieht. Es ist nicht der Vorhof zum Weltuntergang, was derzeit passiert.

Viele haben aber den Eindruck, dass die Unwetter immer heftiger werden. So etwa, was Menge und Größe der Hagelkörner angeht.
Das ist eine selektive Wahrnehmung. Wenn Sie etwa an der Mosel mit alten Winzern sprechen, können diese Ihnen auch viel über Schäden durch Hagel in dem vergangenen Jahrzehnten erzählen. Was wir jedoch wissen, ist, dass es im Durchschnitt wärmer und auch feuchter geworden ist. Wir registrieren derzeit vermehrt Taupunkte von 20 Grad. Das hat es zwar früher im Mai auch schon gegeben, aber nicht sehr häufig. Durch diese hohe Feuchtigkeit ist natürlich auch mehr Wasser in der Atmosphäre. Wenn wir jetzt Juli wären, dann wäre die derzeitige Witterung wohl weniger interessant für Sie. Doch die Luft, die aus dem östlichen Mittelmeer kommt, weiß nicht, welcher Monat gerade ist.

Wenn Sie sagen, dass es feuchter und wärmer geworden ist, hat das dann etwas mit dem Klimawandel zu tun?
Na ja, das ist der Klimawandel. Dass es feuchter und wärmer geworden ist, das sieht man in den Statistiken. Doch auch früher gab es bereits starke Unwetter. Tornados übrigens auch. Die Leute haben das Gefühl, das hätte es früher nie gegeben. Aber das ist völliger Blödsinn. Das hat es schon immer gegeben, nur hat früher nicht jeder ein Smartphone gehabt, mit dem man Bilder oder Filme davon ins Internet stellen konnte.

Ist es denn nicht doch so, dass infolge des Klimawandels in Zukunft mit noch stärkeren Unwettern gerechnet werden muss?
Das ist eine Frage für einen Klimaforscher. Ich bin nur ein einfacher Meteorologe. Das kommt darauf an, wie es sich weiterentwickelt. Wenn jedoch der Trend einer höheren Temperatur und einer höheren Luftfeuchtigkeit weitergehen würde – was ich nicht weiß – dann ist davon auszugehen, dass die Unwetter noch intensiver ausfallen können. Allerdings hängt dies natürlich immer von der Wetterlage ab. Es bedeutet nicht, dass es in Zukunft quasi jeden Tag Unwetter geben wird, wovor viele Menschen Angst haben.

Wie lange ist denn für Luxemburg noch mit der aktuellen (Un-)Wetterlage zu rechnen?
Es sieht zurzeit so aus, als ob es nach dem Wochenende langsam trockener wird. Die hohen Temperaturen bleiben wohl erhalten, aber das Gewitterrisiko nimmt dann ab.


Der April war ein Rekordmonat

Mit den Unwettern ist das so eine Sache. Während es an einem Ort wie aus Kübeln schüttet, kann es schon mehrere hundert Meter weiter staubtrocken bleiben.
Beim nationalen Wetterdienst am Flughafen Findel wurden so bislang, was den Mai angeht, trotz der zahlreichen Gewitter, die in den vergangenen Wochen übers Land zogen, keine außerordentlichen Werte gemessen. Jacques Zimmer, stellvertretender Chef bei Meteolux, erklärte uns gestern auf Nachfrage, dass im Mai bislang lediglich 53 Liter Regen gemessen wurden, was recht deutlich unter dem 30-Jahres-Durchschnitt von 76,5 Litern für den sogenannten Wonnemonat liegt. „Unsere Station registrierte auch lediglich ein Gewitter und es wurden keine extremen Windgeschwindigkeiten gemessen.“

Anders war das im April. Hier wurden gleich mehrere Rekorde eingestellt, sowohl was die Temperatur als auch was den Niederschlag angeht. Am 20. April wurde mit 27,9 Grad Celsius die höchste April-Temperatur seit 1947 gemessen. Der bisherige Rekord lag bei 27 Grad, dies am 17. und 18. April 1949. Die Sommerhitze im April entlud sich denn auch in recht heftigen Gewittern, dies am 29. des Monats. Hier wurden am Abend, was die Niederschlagsmenge angeht, gleich drei Rekorde gebrochen. Innerhalb von 30 Minuten fielen auf Findel 12,9 Liter Regen. Der bisherige Rekord aus dem April 1989 lag bei zehn Litern. Innerhalb einer Stunde wurden 16,6 Liter gemessen (2015 waren es mal 11,9) und innerhalb von drei Stunden 20,8 Liter (1983 waren es 20,2).