Eine junge, integrationswillige Gemeinschaft

Eine junge, integrationswillige Gemeinschaft
Bewohner(innen) der Kap Verden fühlen sich meist auch in Luxemburg schnell heimisch. Foto: Pixabay

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Eine jüngst vom „Centre d’étude et de formation interculturelles et sociales“ (Cefis) veröffentlichte Studie gibt Aufschluss über die Kapverdier in Luxemburg. Sie zeichnet das Bild einer jungen, bescheidenen, integrationswilligen, aber dennoch ihren Wurzeln treuen Gemeinschaft.

Von Guy Kemp

Die Beziehungen Luxemburgs zu Kap Verde gelten als privilegiert. Der Insel-Staat im Atlantik auf Höhe des Senegals ist ein bevorzugter Partner der luxemburgischen Kooperationspolitik. Dies dürfte neben dem Umstand, dass Kap Verde einst eine portugiesische Kolonie war, mit dazu beitragen, dass es seit Jahren einen regen Zuzug von Kapverdiern nach Luxemburg gibt. Wie viele sich im Land niedergelassen haben, wie sie sich integrieren und mit welchen Problemen sie dabei konfrontiert werden, wollte unter anderem die luxemburgische Immigrationsbehörde wissen, die die Studie mitfinanziert hat.

Frédéric Mertz machte bei der Präsentation der Studie gleich zu Beginn darauf aufmerksam, dass zum 1. Januar 2017 zwar 2.855 Kapverdier in Luxemburg registriert waren, ihre eigentliche Zahl jedoch zwischen 8.000 und 9.000 liegen dürfte, wenn man außer der Nationalität auch die Herkunft berücksichtigt. Denn, so einer der Verfasser der Studie weiter, nicht wenige der Kapverdier haben die portugiesische Staatsbürgerschaft. Die Kapverdier stellten übrigens zum genannten Stichtag die drittstärkste Bevölkerungsgruppe in Luxemburg, die aus einem Drittstaat (also keinem EU-Staat) kommt: Nur die Montenegriner (4.410) sowie die Chinesen (3.222) waren laut Angaben vom Statec zahlreicher vertreten.

Arbeitslosigkeit und Armut entfliehen

Der Grund, warum die Kapverdier ihre Insel verlassen und nach Luxemburg ziehen, ist eindeutig: 61,4 Prozent von ihnen gaben an, der Armut und Arbeitslosigkeit in ihrem Land entkommen zu wollen. Nur 4,7 Prozent der Befragten teilten mit, bereits einen Arbeitsplatz in Luxemburg zu haben.

Die Gemeinschaft der Kapverdier ist im Durchschnitt relativ jung, unterstreicht Mertz. Ihr Durchschnittsalter liegt bei 31,3 Jahren, jenes der Luxemburger bei 41,3 Jahren und jenes der Ausländer im Allgemeinen bei 35,3 Jahren. Und sie reisen im Vergleich etwa zu Franzosen oder Italienern jüngeren Alters in Luxemburg ein. 23,6 Jahre beträgt das Durchschnittsalter der kapverdischen Immigranten, von denen 150 bis 200 jährlich ins Großherzogtum kommen. Hier wohnen sie vor allem in der südlichen Region um Differdingen, Esch/Alzette und Düdelingen, in Luxemburg-Stadt sowie im Großraum Ettelbrück und Diekirch.

Prekäre finanzielle Situation

Das Leben, das ein Großteil der Kapverdier in Luxemburg führt, ist allerdings ziemlich bescheiden, im Vergleich zu den landesüblichen Lebensbedingungen. So wohnen Kapverdier häufiger als alle anderen in Mietwohnungen, in denen ihnen im Durchschnitt pro Person 32 m2 Wohnfläche zur Verfügung stehen. Luxemburger verfügen im Durchschnitt über 73 m2 Wohnfläche pro Person. Im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen verfügen im Umkehrschluss weniger Kapverdier über eine eigene Immobilie.

Auch in Sachen Einkommen liegen Kapverdier weit unter dem Landesdurchschnitt, was darauf zurückzuführen ist, dass ein Großteil von ihnen minderqualifizierte Arbeitnehmer sind oder solchen Tätigkeiten nachgehen. Laut Zahlen der „Inspection générale de la sécurité sociale“ (IGSS), die von den Studienverfassern zusammengetragen wurden, verdienten im Jahr 2012 kapverdische Arbeitnehmer im Durchschnitt gerade einmal 12 Euro die Stunde, während für portugiesische Beschäftigte der Durchschnittsstundenlohn bei 15 Euro und für Luxemburger gar bei 24 Euro lag.

Trotz ihrer eher prekären finanziellen Situation in Luxemburg zeigen sich die Kapverdier dennoch solidarisch mit ihren Familien in der Heimat. 70 Prozent von ihnen unterstützen ihre Angehörigen auf den Kapverden monatlich mit Geld- und Materialzuwendungen in Höhe von mindestens 100 Euro. Damit werden zu 73 Prozent Ausgaben für Lebensmittel, zu 45 Prozent für Gesundheit und zu 19 Prozent für Wohnen finanziert. Etwas weniger als die Hälfte der Kapverdier (45 Prozent) überweisen dazu monatlich 250 Euro auf die Kapverdischen Inseln. Ein Vergleich mit Zuwanderern aus Ex-Jugoslawien habe ergeben, dass Kapverdier sieben Mal solidarischer mit ihren Angehörigen in der Heimat sind als die Erstgenannten, erklärte Mertz. Allerdings relativierte er diesen Vergleich, indem er darauf hinwies, dass es doch auch einen wesentlichen Unterschied im Entwicklungsgrad zwischen diesen Ländern gebe.

Dass die Kapverdier gewillt sind, sich in Luxemburg zu integrieren, weist vor allem ihre Bereitschaft aus, sich am politischen Leben zu beteiligen. Hatten sich bei den Gemeindewahlen 2011 nur 13 Prozent von ihnen eingeschrieben (insgesamt hatten sich 17 Prozent der in Luxemburg lebenden Ausländer in die Wahllisten eingetragen), um an den Wahlen teilzunehmen, hatte sich diese Zahl im vergangenen Jahr fast verdoppelt. 22,1 Prozent der Kapverdier (bei 22,8 Prozent der Ausländer insgesamt) wollten 2017 an den Gemeindewahlen teilnehmen. Altay Manço, Mitverfasser der Studie, führt das vor allem auf die „große Mobilisation“ der kapverdischen Vereine in Luxemburg zurück. Immerhin wurde dabei in Fels mit Natalie Silva erstmals eine Kapverdierin Bürgermeisterin.

Die Macher der Studie haben als Schlussfolgerung aus ihrer Studie ebenfalls einige Empfehlungen an die Politik gerichtet. So sollten für die kapverdischen Kinder und Jugendlichen, die ins Land kommen, Hürden bei der Einschulung abgebaut und mehr Unterstützung sowie Orientierung angeboten werden. Um ihre Beschäftigungschancen positiv zu beeinflussen, sollte die Berufsausbildung verbessert werden. Unterstützung sollten sie ebenfalls bei ihren Wohnungsbedingungen erhalten. Zudem müsste den Kapverdiern die Geldüberweisung an Angehörige in der Heimat erleichtert werden, fordern die Verfasser der Studie weiter.