Die „grouss Botz“ musste am Montag noch warten

Die „grouss Botz“ musste am Montag noch warten

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Ein Hochwasser an der Mosel ist immer so etwas wie ein Jahrhundertereignis. Das gilt umso mehr für die, die nicht im Tal leben. Die „Miseler“ gehen eher locker damit um. Sie kennen ihren Fluss, die Mosel, sie wissen, dass er unberechenbar ist und leben damit. Jeder auf seine Weise. Von Putzen konnte am Montagmorgen noch keine Rede sein. Zwar fiel der Pegel, aber eben nur langsam. Da müssen zuerst die Keller ausgepumpt werden, bevor die Straßen und Plätze gereinigt werden können. Remichs Bürgermeister Jacques Sitz (DP) geht davon aus, dass am Dienstag mit der großen Putzaktion begonnen werden kann. „Wir haben dann alle Kräfte, die verfügbar sind, im Einsatz“, sagt er. Das werden zusammen mit Feuerwehr und „Protection civile“ ungefähr 30 Leute sein.

9.30 Uhr, Schengen: Nelly und Nils

Sandra Kuhlmann geht zielstrebig unter der Absperrung Richtung Europamuseum durch. Die Straße steht komplett unter Wasser, die Verbindung in die andere Richtung nach Remerschen ist lahmgelegt. Psssst, sie legt den Finger an die Lippen. Nur wenn Ruhe herrscht und keine Gefahr droht, kommen ihre Schützlinge aus dem Wasser und laufen hinter ihrer Mutter den Weg hoch. Sie wissen, es gibt was zu futtern. Die acht kleinen und erst zwei Wochen alten Nilgänse, die mit ihren Eltern Nelly und Nils an der Mosel leben, haben harte Tage hinter sich. „Sie müssen jetzt dringend aus dem Wasser und fressen“, sagt Kuhlmann. Die Gründerin von „Perros Andalucia“, einer Tierschutzorganisation in Schengen, ist jeden Hochwassertag im Einsatz. Hinter den Tieren hat sich die Mosel in einen reißenden Strom verwandelt. Sie zählt die Kleinen. „Acht, das ist gut“, sagt sie, „alle noch beieinander.“ Das neunte „Baby“ ist in der Tierauffangstation in Düdelingen. Es hatte sich verletzt und hätte das Hochwasser sicher nicht überlebt. Das gilt wahrscheinlich auch für den Rest der Familie, gäbe es da nicht die Tierschützer.

10.00 Uhr, Bech-Kleinmacher: Antonio Barbosa Gomez

Vor zehn Jahren hat er das Haus in der rue St-Willibrord gekauft. Der Portugiese stammt aus Vale de Cambra, südlich von Porto, im Landesinneren gelegen. Da ist das Moseltal schon etwas anderes. Zum zweiten Mal macht er mittlerweile ein Hochwasser mit. Sein Keller steht voller Wasser. „Un peu partout“, sagt er zur Wasserlage. Er ist am pumpen. Am Sonntagabend gegen 22.00 Uhr hat er begonnen, eine Stunde ging das. „Seit sechs Uhr heute Morgen fällt der Pegel“, sagt er. Jetzt gilt es.

Ein paar Meter weiter sind die Mitarbeiter der „Beschäftegungsinitiativ Réimecher Kanton“ (BIRK) dabei, ein paar Äste an den trockneren Stellen der rue St-Willibrord zusammenzuschaufeln. Die Ausbeute ist spärlich. „Viel Sinn macht es noch nicht“, sagt einer, „irgendwie fällt der Pegel nicht so schnell, wie alle sagen.“

10.30 Uhr, Remich: Carlo Morettoni

Gemeindearbeiter Carlo Morettoni ist die Ruhe selbst. Er ist den ersten Tag aus dem Jahresendurlaub zurück und pflückt den Dreck auf der rue Enz auf. Das Hochwasser hat ihn kalt erwischt – zumal er in Clerf lebt. „Ich habe noch nicht so viel davon gesehen“, sagt er, „ich war auch noch nicht bis ganz unten.“ Ändern tut sich sowieso nicht so viel für ihn. Müll gibt es immer und jetzt putzt er eben an den höher gelegenen Orten und Straßen der Moselstadt. „Normalerweise gehört die Esplanade zu meinem Gebiet“, sagt er, „jetzt arbeite ich eben am ‚Bierg‘, wie ich das nenne.“ Am Ufer käme er zu der Zeit nicht weit.

 

11.00 Uhr, Remich: die drei vom „Asatzzenter“

Die Straße place du Marché ist komplett unter Wasser – genauso wie die Esplanade, auf der sich im Sommer das Leben abspielt. Neben der Boulangerie-Pâtisserie steht das Wasser, fahren kann man hier nicht. Gehen geht nur mit knielangen Gummistiefeln. Damit sind offensichtlich nur wenige Remicher trotz Hochwasser und Leben am Fluss ausgestattet. Das zumindest stellt Guy Stephany, „chef d’équipe“ des „Asatzzenter“ Bous-Remich-Stadtbredimus, das am Montag Dienst tat. Der Gemeindemitarbeiter ist auch der „Capitaine“ des Bootes. Von seinem Vater hat er gelernt, wie man den Nachen steuert, der die vom Hochwasser eingeschlossenen Remicher Richtung trockenere Plätze fährt, damit sie ihren Weg Richtung Arbeit fortsetzen können. Er war es auch, der irgendwann einen kleinen Motor am „Wassertaxi“ angebracht hat. Jetzt ist er beim 112 auf „Stand-by“ geschaltet. Von dort kommen die Infos, wer, wann, von wo abgeholt werden muss. „Arzttermine, Einkäufe, Kinder, die in die Schule müssen …“, kommentiert er die Palette der Dienstleistungen. Der Gemeindemitarbeiter ist seit Sonntag 8.00 Uhr im Einsatz. Dazwischen liegt eine Mütze voll Schlaf, am Montagmorgen ging es gleich um 5.45 Uhr weiter. Das Team ist seit 27 Stunden das gleiche. „Wir sind die einzigen, die mit dem Boot umgehen können“, sagt er. Stephany hat das noch von seinem Vater gelernt, der das Boot über 40 Jahre lang bedient hat – viele Jahre davon noch mit dem Ruder. „Es gibt niemanden mehr, der das kann“, sagt er in seiner Eigenschaft als Chef vom Boot, „das ist gar nicht so einfach.“ Viele meinten, das sei ein Spiel. „Ist es aber nicht“, sagt Stephany. Ob der Fluss steigt oder fällt, er hat immer andere Strömungen. Die muss man kennen.

17.00 Uhr, Remich

Guy Stephany vom „Asatzzenter“ gibt Entwarnung. Die Mosel fällt Zentimeter für Zentimeter. „Morgen kann mit dem Putzen angefangen werden“, sagt er.