„Liste der Schande“

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Libyen, Syrien - alles kein Thema in der ersten Sitzung des UN-Sicherheitsrats unter deutscher Leitung. Es ging um eine Angelegenheit, in der sich fast alle einig sind: Kindersoldaten.

Im dritten Stock der UN-Zentrale hängt seit Dienstag ein Bild von Aung Zan aus Burma. Kein Bild, wie es ein Mädchen von zwölf Jahren normalerweise zu Papier bringt. Sondern eine Orgie der Gewalt mit einer Schule in Flammen, Blutlachen auf dem Boden und Männern in Uniform, die ihre Waffen auf Kinder richten.

Die Zeichnung gehört zu einer Ausstellung, die Außenminister Guido Westerwelle eröffnete, bevor er zum ersten Mal eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats leiten durfte: Deutschland führt in diesem Monat den Vorsitz im wichtigsten UN-Gremium und kann damit auch die Tagesordnung mitbestimmen.

Thema provoziert Einigkeit

Westerwelle – selbst kinderlos, aber mehrfacher Patenonkel – entschied sich dafür, bei seiner Premiere das Schicksal von Kindern in Kriegen und Kindersoldaten zum Thema zu machen. Das ist auch ein Thema, bei dem sich die Vereinten Nationen – bis auf wenige Ausnahmen – einig sind. Anders als etwa bei der UN-Resolution 1973 zu Libyen, wo oder bei der geplanten Resolution zum gewaltsamen Vorgehen von Syriens Machthaber Baschar al-Assad, die seit Wochen vor sich hinschmort.

Völkerrechtlich ist es schon seit 1977 offiziell verboten, Kinder unter 15 Jahren in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen einzugliedern. Trotzdem wird geschätzt, dass weltweit immer noch etwa 250.000 Minderjährige als Soldaten missbraucht werden. Etwa jeder dritte kleine Soldat ist ein Mädchen.

27 Länder

Auf einer „Liste der Schande“, die jedes Jahr von den UN veröffentlicht wird, stehen aktuell 22 Länder, in denen Minderjährige rekrutiert werden. Auch Konfliktgebiete, in denen Kinder verstümmelt oder sexuell missbraucht werden, werden erfasst. Die meisten „Schandstaaten“ liegen in Afrika – etwa Somalia, Uganda oder Sudan.

Aber auch aus Afghanistan sind sieben Gruppierungen aufgeführt, die Kinder benutzen – von den radikal-islamischen Taliban bis hin zur Polizei. Sogar zwei gegenwärtige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats werden genannt: Indien und Kolumbien.

Entführt, zwangsrekrutiert …

Der Weg zur Waffe kann nach einem Bericht von Amnesty International unterschiedlich sein: Mancherorts werden Kinder aus ihrer Familie entführt. Anderswo wird vor allem in Flüchtlingslagern Nachwuchs zwangsrekrutiert. Es gibt aber auch Gegenden, wo sich Kinder freiwillig melden, um der Armut zu entkommen. Oder es sind die Eltern, die ihren Nachwuchs zum Geldverdienen zu bewaffneten Gruppen schicken.

Zunehmend Sorge bereitet, dass immer mehr Schulen zum Angriffsziel werden. Das hat seinen Grund auch darin, dass Kriegsparteien Schulen als Stützpunkte nutzen – wissend, dass sie dort normalerweise besser geschützt sind. Deshalb verabschiedete der Sicherheitsrat einstimmig eine neue Resolution 1998, womit jetzt auch Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser geächtet sind.

Sanktionen gefordert

Experten erwarten, dass die „Liste der Schande“ nun noch länger wird. Darüber hinaus können vom Sicherheitsrat künftig aber auch Konten von Kriegsherren gesperrt oder Reiseverbote verhängt werden.

Darauf hofft auch die UN-Sonderbeauftragte für Kindersoldaten, Radhika Coomaraswamy: „Ich würde mir wünschen, dass der Sicherheitsrat mehr Sanktionen ausspricht. Aber die Bestrafung lässt leider noch immer lange auf sich warten.“