Komplizierte politische Farbenlehre

Komplizierte politische Farbenlehre
(Tageblatt-Archiv/François Aussems)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Luxemburgs politische Farbenlehre ist eigentlich ganz einfach. Durch unterschiedlichste Interpretationen – oder sollte man sagen Interpretationsdivergenzen? – kommt sie manchmal aber doch ziemlich kompliziert daher.

Jüngstes Beispiel: CSV-Spitzenkandidat Claude Wiseler schließt bei RTL eine Koalition mit der „ADR von heute“ aus (lesen Sie unseren Kommentar dazu). Das kann die „Alternativ Demokratesch Reformpartei“ natürlich so nicht stehen lassen und reagiert mit einer Pressemitteilung.

Deren Titel lautet: „Lénkslasteg CSV schléisst Koalitioun mat der ADR ‚haut‘ aus.“ Linkslastige CSV? Da fühlt man sich doch glatt an „früher“ erinnert, als CSV-Übervater Jean-Claude Juncker – der, wenn es sein musste, die LSAP in Luxemburg auch schon mal links überholte – die ADR am liebsten vom politischen Parkett verdrängen wollte.

„Linkslastige CSV“

Dabei ist der Kontext heute ein anderer. Bringt sich die ADR selbst für eine mögliche Regierungskoalition ins Spiel, Beispiel „30-Jahr-Feier“ (Link), könnte das angesichts eher konservativer Ausrichtungen wohl nur an der Seite der CSV sein. Das macht die Partei auch manchmal recht offensiv. So zum Beispiel Gast Gibéryen beim ADR-Kongress im März: „Wenn man wirklich eine Änderung will, muss man die ADR wählen. Denn die Frage wird nicht die sein, mit wem die CSV eine Koalition eingehen will, sondern mit wem sie eine Koalition eingehen muss.“

Bringt sich die ADR dagegen gerade nicht selbst für eine mögliche Regierungskoalition ins Spiel, und auch das kommt mehr oder weniger regelmäßig vor, läuft der kritische Tenor stets auf den sog. „politischen Einheitsbrei“ hinaus. Will heißen alle Farben seien bunt gemischt, es sei doch eh alles gleich, gewürzt mit der abwertenden „Gambia“-Bezeichnung für die regierende Koalition. In der aktuellen Mitteilung liest sich das wie folgt: „D’CSV mécht alternativlos Gambia-Politik (…) Déi meeschte Projete vun der Gambia-Koalitioun stëmmt si an der Chamber mat oder si beschränkt sech op e puer Minimalkritiken. (…) Liicht iwwerspëtzt gesot: Et mécht keen Ënnerscheed, ob d’CSV mat enger vun de Gambia-Parteien an der Regierung ass oder net – et wäre just aner Gesiichter fir déi selwecht Politik.“

„Brautschau“ mit vielen Möglichkeiten

Es folgt in der Mitteilung die Erklärung für die Bezeichnung „linkslastige CSV“. Dass Claude Wiseler in besagtem RTL-Interview kein Rechts-links-Schema in Luxemburg sehen wolle, hätte eine einfache Ursache: Die CSV sei eine Partei der „linken Mitte“ und wolle das nicht zugeben, um nicht einen großen Teil ihrer Wähler zu verlieren oder zu verunsichern. Sie stehe „mit ein paar Nuancen“ da, wo auch „Gambia“ stehe. Dass sich im folgenden Satz die ADR selbst lobt und gleichzeitig „déi Lénk“, dürfte auch ein Novum sein: „Just ‚déi Lénk‘ an eben d’ADR hunn aner politesch Optiounen an de Courage fir Verännerungen.“

Abschließend hält die ADR fest, dass es nach den kommenden Wahlen sicher andere Koalitionsmöglichkeiten gebe als nur CSV-ADR oder „Gambia“, und sie nicht dafür da sei, der CSV eine „Mehrheit zu schenken“. Auch andere Optionen wären denkbar: „Wann de Wieler d’ADR stäerkt an d’CSV keng absolut Majoritéit huet an d’ADR awer weider wëll ignoréieren, kann een sech och aner Optioune virstellen … fir d’CSV esou wuel wéi fir d’ADR.“ D.h. die ADR sieht auf ihrer „Brautschau“, um beim selbst gewählten rhetorischen Beispiel der 30-Jahr-Feier zu bleiben, für sich selbst auch andere potenzielle Koalitionsmöglichkeiten.