Kino oder Video?

Kino oder Video?
(Alastair Grant/dpa)

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Die Pessimisten sind unerbittlich: Der klassische Kinosaal sei am Aussterben, das moderne Publikum schaue sich Videos an, behaupten sie. Unterstützt werden sie dabei von den Fernsehplattformen. Eine Diskussionsrunde der „Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle“ in Cannes hat die Fronten abgesteckt.

Der moderne Verbraucher will Kino konsumieren wann und wo er will. Das hat er beim „Pirating“ auf den kostenlosen Plattformen gelernt und das wünscht er sich umso mehr, wenn er bereit ist, für einen Film zu bezahlen. So gesehen ist er auf ein immer breiter gefächertes „video on demand“-Angebot bereits eingestimmt.

Damit waren die Voraussetzungen für die Arbeiten der „Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle“ klar. Genau so deutlich war aber auch die Antwort der Professionellen: Es gibt Platz für alle. Es fragt sich nur, in welchem Verhältnis die einzelnen Anbieter zueinander stehen.

Unterschieden wird zwischen der klassischen Filmindustrie, der Verteilung der Kinofilme in den Kinos, DVD und zwei Arten der „Video on demand“. Das sind die klassischen Anbieter, wie bei uns die Post oder Tango und die Fernsehplattformen wie Netflix oder Amazon. Noch ist ihr Marktanteil mit knapp 3 Prozent bescheiden, er wächst jedoch ständig.

Mehr als die Hälfte für freie Sender

Vorläufig wird der europäische Markt weiterhin von den frei verfügbaren Fernsehsendern beherrscht, die 55 Prozent der Marktanteile halten, gegen 31 Prozent für das Bezahlfernsehen. Das Kino hat 6 Prozent dieser Marktanteile, das „on demand“ Angebot liegt bei einem und die Plattformen bei 2 Prozent.
Für die stark auf dem Filmmarkt in Cannes vertretene Filmwelt gibt es nur einen, klassischen Weg: Der beginnt beim Produzenten, der den Film dreht, dem Verteiler der ihn verkauft und dem Kino, das ihn zeigt. Erst danach sollte das Werk in das Video-Angebot kommen.

Dieser Weg jedoch wird immer häufiger abgekürzt, indem die Filme gleich ins Video-Angebot gehen. Die Plattformen, die in Cannes mit „Okja“ und „The Meyerowitz Stories“ gleich zwei Filme in den Hauptwettbewerb geschickt haben, tun natürlich alles, um diesen Werdegang zu unterstützen. Schon am 28. Juni soll der Wettbewerb-Teilnehmer Orkja auf Netflix zu sehen sein.

Nicht alle Länder können diesem Schwanengesang widerstehen. Besonders wenn die Verteilung durch sprachliche Barrieren eingeschränkt wird, erscheint die Perspektive einer großflächigen Verbreiterung verlockend.

Harte Konkurrenz

Neben der parallelen Verteilung kämpft Europas Filmindustrie gegen einen weiteren Feind, und das ist der amerikanische Film. Von den zehn besten Kinoerfolgen des Jahres 2016 kommen sieben aus den USA, bei den drei restlichen sind die Amerikaner Koproduzenten.

An der Spitze der Hitparade liegt „The secret Life of Pets“ mit 26 Millionen verkauften Kinokarten, dann kommt „Finding Dory“ mit 24 Millionen.

Der dritte Film „Fantastic Beast and Where to Find Them“ ist eine britisch-amerikanische Produktion und steht für ein weiteres Phänomen: den riesigen Erfolg der Zeichentrickfilme und der Serien oder Neuverfilmungen alter Themen.
„Fantastic Beast and Where to Find Them“ führt auch die Top-Ten der europäischen Filme an, gefolgt von „Bridget Jones’s Baby“, wiederum eine britsch-amerikanisch-französische Produktion, mit 16 Millionen verkauften Kinoplätzen und dem italienischen „Quo vado?“, das 9 Millionen Zuschauer in die Kinos lockte.

Die Zahlen sind genauso klar. Von den 991 Millionen Kinoplätzen, die 2016 in der Europäischen Union verkauft wurden, waren 67 Prozent für amerikanische Filme bestimmt.