Junger Ratzinger stellte Zölibat in Frage

Junger Ratzinger stellte Zölibat in Frage
(dpa-Archiv)

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Die Debatte über den Zwangszölibat ist jetzt wieder aufgeflammt. Für Aufsehen sorgt ein veröffentlichter Brief des jungen Joseph Ratzinger, in dem er die Abschaffung des Zöllibats fordert.

Der kirchenkritische Aktionskreis Regensburg (AKR)veröffentlichte ein vier Jahrzehnte altes Plädoyer für eine Überprüfung des Zölibats – unterzeichnet von neun Theologen, darunter auch Joseph Ratzinger, dem heutigen Papst Benedikt XVI. Darin werden die deutschen Bischöfe eindringlich aufgefordert, sich in Rom für eine offene Auseinandersetzung mit der Problematik einzusetzen.

Der AKR veröffentlichte im neuen Heft seines Mitteilungsblatt „Pipeline“ das „Memorandum zur Zölibatsdiskussion“ unter der Überschrift: „Den Unterfertigten zu Erinnerung“. Unter dem zwölfseitigen Dokument findet sich das Datum 9. Februar 1970 und neun Namen – von damals renommierten Theologen wie Karl Rahner und Rudolf Schnackenburg, aber auch von jüngeren wie Walter Kasper, Karl Lehmann und Joseph Ratzinger. Die drei Letzteren sollten Jahre später Bischöfe und Kardinäle werden – Lehmann wurde Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, Kasper Ökumene-Beauftragter des Vatikans und Ratzinger Papst.

Sorge um Priesternachwuchs

„Unsere Überlegungen betreffen die Notwendigkeit einer eindringlichen Überprüfung und differenzierten Betrachtung des Zölibatsgesetzes der lateinischen Kirche für Deutschland und die Weltkirche im Ganzen“, heißt es in dem Appell. Die Petition sei „in keiner Weise als eine Bekämpfung des Zölibats selber misszuverstehen“, versichern die Theologen. Es gebe „gute theologische Gründe“ für die Ehelosigkeit. Sie seien aber „alle davon überzeugt“, dass eine Überprüfung des verpflichtenden Zölibats „auf hoher und höchster kirchlicher Ebene angebracht, ja notwendig ist“.

Das ehelose Priestertum werde unbeschadet der Diskussion eine wesentliche Form der Kirche bleiben, heißt es weiter. Wer aber von vornherein eine Klärung für überflüssig halte, „scheint uns wenig Glauben an die Kraft dieser Empfehlung des Evangeliums und an die Gnade Gottes zu haben“. Es sei theologisch „nicht richtig“, dass man „in neuen geschichtlichen und gesellschaftlichen Situationen etwas nicht überprüfen“ könne.

Zölibat als Abschreckung

Die Unterzeichner verweisen auf das Problem des Priestermangels: Natürlich sei dieser nicht allein durch die Zölibatsverpflichtung bedingt, sondern durch viele Gründe. „Es wäre aber dennoch falsch, daraus zu schließen, dass die beiden Dinge gar nichts miteinander zu tun hätten“. Die Theologen verweisen auf ihren Eindruck, „dass die jetzige Regelung bei uns in einem nicht unerheblichen Ausmaß nicht nur bloß zu einer Schrumpfung der Zahl der Priesteramtskandidaten, sondern auch zu einer Senkung der Begabung, damit faktisch der Anforderungen und auch der Einsatzfähigkeit der künftig noch zur Verfügung stehenden Priester führt“.

„Die Neuüberprüfung der Zölibatsfrage müsste von den deutschen Bischöfen zunächst unter sich geschehen“, verlangen die Theologen. Darüber hinaus müsse das deutsche Episkopat möglichst bald bei Papst Paul VI. für eine Klärung eintreten.

Kardinal beklagt Kampagne

Erst vor wenigen Tagen hatte sich der in Rom lebende bayerische Kardinal Walter Brandmüller mit scharfen Worten gegen den neuen Zölibatsvorstoß mehrerer CDU-Politiker gewandt. Er rief dazu auf, „diese Diskussion, die uns schon zum Überdruss belästigt und beleidigt und darüber hinaus die Verwirrung unter den Gläubigen vermehrt, zu beenden“. Brandmüller beklagte eine „Kampagne“, die im Zölibat lebende Priester persönlich beleidige.

Die Deutsche Bischofskonferenz hatte bereits am vergangenen Wochenende klar gemacht, dass sie in puncto Zölibat in den nächsten Monaten nichts unternehmen will. Die Debatte über die Ehelosigkeit sei von „weltkirchlicher Tragweite“ und müsse daher auf gesamtkirchlicher Ebene behandelt werden.

In diesem Kontext stieß ein Redakteur der „Süddeutschen Zeitung“ auf das Memorandum in der neuen „Pipeline“-Ausgabe und berichtete am Freitag ausführlich darüber. Das Schreiben sei bislang „öffentlich nicht zugänglich“ gewesen, heißt es darin. Ganz so unbekannt und brisant ist der Text freilich nicht: Im Regensburger Institut Papst Benedikt XVI., das die Herausgabe der Gesammelten theologischen Schriften betreut, zeigte man sich am Freitag verwundert über die Aufregung. Das Memorandum sei bereits 1970 in der Zeitschrift „Orientierung“ veröffentlicht und damals auch diskutiert worden.

Experten betonen jedoch, dass man den Brief in seinem Kontext betrachten muss: In diesem Dokument sprächen Theologen, in seiner Verantwortung als Bischof habe sich Ratzinger in einer „ganz positiven und begründeten Weise“ für den Zölibat ausgesprochen.