Ist Täter geisteskrank?

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(dpa)

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Zeugenanghörung am Donnerstag im Prozess um einen jungen Mann, welcher im März 2011 sein Opfer mit einem Messer und einem Molotow-Cocktail verletzte.

Erster Zeuge war der Rugby-Trainer des Beschuldigten, der ihm für die Zeit der Pubertät ein gutes Zeugnis ausstellte, ihn aber vor zwei Jahre wiedergesehen und feststellen musste, dass er ziemlich unzusammenhängend redete. So behauptete der Beschuldigte in höchst aufgeregtem Zustand zum Beispiel, sein Vater sei für die Attentate des 11. September 2001 auf die Twin Towers in Manhatten verantwortlich. Der Stiefvater des Beschuldigten, der ihn zur Jahrtausendwende kennenlernte, sprach von einem jungen Mann, der sein Abitur schaffte und auch sonst normale Beziehungen mit seinem Umfeld unterhielt. Erst als er zum Studium nach Brüssel wechselte, habe er sich total verändert, so dass man Angst vor ihm haben konnte. Der Junge brauche neben Vater und Mutter eine dritte Autorität.

Diese Fakten bestätigte auch der Vater, der hinzufügte, dass sein Sohn in den drei Monaten nach seinen Studien in Brüssel bei ihm und seiner zweiten Ehefrau wohnte und ziemlich aufgewühlt war. Der besorgte Vater wollte ihn mehrere Male in einem spezialisierten Krankenhaus unterbringen, was ihm aber immer wieder mit dem Argument verwehrt wurde, sein Sohn sei volljährig.
Der sichtlich bewegte Vater entschuldigte sich dann beim anwesenden Opfer für die Tat seines Sohnes, dem er, wie übrigens alle, die ihn lieben, eine adäquate Behandlung wünschte.

Täter braucht Hilfe

Vor dem Plädoyer seines Verteidigers hörten die Richter noch kurz den Beschuldigten, der sich bei seinem Opfer entschuldigte und seinen Willen aussprach, medizinisch behandelt zu werden. Anwalt Philippe Penning, der Verteidiger des Beschuldigten, erwähnte eingangs seines Plädoyers den nicht immer einfachen Umgang mit seinem Mandanten. Kontrollierte Therapie Angesichts der beiden Gutachten und der Zeugenaussagen könnte er seine Forderungen in einem Satz zusammenfassen: „Erlauben Sie meinem Klienten eine professionelle Behandlung!“

Er wies das Richtergremium darauf hin, dass der suizidgefährdete Beschuldigte in mehreren Briefen an seine Mutter um Hilfe bat, weil er mit seinem Zustand allein nicht zu Rande kam. Der Verteidiger machte dann einen kurzen aber präzisen Exkurs durch die vielen Facetten der pathologischen Schizophrenie, der ohne medizinisch begleitete Medikamentabgabe nicht beizukommen ist.

Keine Rede von Schizophrenie

Anwalt Penning bat denn auch die Richter, den Artikel 71 zurückzubehalten, seinen Mandanten für unzurechnungsfähig zu erklären und in eine kontrollierte Therapie einzuweisen. Der Strafantrag des öffentlichen Anklägers Frank Neu war geprägt vom Umstand, dass er selbst am Tag vor der Tat mit dem Beschuldigten befasst war, weil dieser eine geringe Quantität von Benzin gestohlen hatte, um seinen Molotow-Cocktail zu mixen.
Damals war keine Rede von Schizophrenie, ansonsten man den Beschuldigten sicher von der Straftat hätte abhalten können. Dies ändere jedoch nichts an den vom Gericht zu beurteilenden Fakten.

Doch da damals kein Motiv für die irrationellen Tätigkeiten des Beschuldigten vor der Tat ausgemacht werden konnte, klinge im Nachhinein eine psychiatrische Krankheit als plausibel. Der Staatsanwalt ging dann auch auf den Weg der Gutachter sowie der Verteidigung und plädierte die Unzurechnungsfähigkeit des Beschuldigten, der freigesprochen und dem spezialisierte Hilfe angeboten werden soll. Das Urteil wird am 9. Oktober gesprochen.