Trauer um einen Verleger

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Frankreichs Verleger trauern. Einer der großen, der Chef des Hauses Ouest France, ist nicht mehr. Francois Régis Hutin, Verleger der größten Zeitung Frankreichs , Ouest France, hat sie verlassen. Seine Ehefrau, Jeanne-Francoise Hutin, hat den Tod ihres Mannes am Montag bekannt gegeben: „Er ist in die Ewigkeit eingegangen. Nach einem der Welt zugewandten Leben, in der er die Schönheit der Kreation und die Würde entdeckt hat, die in jedem Menschen steckt“.

Es ist kein guter Herbst in Frankreich. Das Land verliert innerhalb weniger Wochen eine ganze Generation von Menschen, die es geprägt haben, die es nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut haben.  Frankreich verliert große und großartige Menschen aus der Literatur, dem Film, der Musik und nun aus dem besonderen Unternehmertum, den Verleger mit ihrer Informationsaufgabe immer dargestellt haben.

Ausbau der Gruppe

Ouest France, die führende Regionalzeitung Frankreichs, entsteht 1944 auf den Ruinen der bretonischen Zeitung Ouest Eclair. Weil die ihr Erscheinen unter der deutschen Besetzung nicht eingestellt hatte, wird sie verboten. Paul Hutin –Desgrée gründet darauf hin den Ouest France. Ouest France wird 1961 zu einer Familien Angelegenheit: Francois Régis tritt in die Redaktion ein. Er durchläuft als Redakteur alle Redaktionsarbeiten, bevor er sechs Jahre später stellvertretender Generaldirektor und später Président Directeur Général (PDG) der Gruppe wird.

Francois Régis erweist sich nicht nur als Redakteur, sondern auch als unternehmerischer Verleger richtungsweisend für seine Zeitung. Er baut Ouest France durch Zukäufe von Lokalzeitungen zu einem Imperium aus. Ouest France weitet sich in die Vendée aus und in die Normandie, wird in beiden Regionen neben der Bretagne zur führenden Zeitung und kommt auf eine Auflage von zeitweilig über eine Million.  Als Nachricht zählt vor allem in den ländlichen Gegenden nur, was der Ouest France berichtet. Neben der Zeitung baut Régis Francois Hutin den Verlag aus – Ouest France verfügt über eine Gratiszeitung. Eine eigene Kommunikationsgruppe verteilt in ganz Frankreich Anzeigenblätter und Prospekte.

Schlechte Zeiten

Hutin kennt nicht nur gute Zeiten. Der Auflagenschwund der Presse, die an Ouest France nicht vorbei geht,  lässt die Gruppe in die roten Zahlen abstürzen. Von 2009 bis 2013 gibt es Sozialpläne. Gut 100 Journalisten verlassen die Zeitung. Hutin unterzieht die Gruppe einer Rosskur. Mit Erfolg: 2015 macht sie wieder Gewinn, weist zwölf Prozent Rendite bei einem Umsatz von 305 Millionen Euro auf. Nicht gestoppt ist allerdings der Niedergang der Auflage. Von 750.000 im Jahre 2012 sinkt sie auf 690.000 im Jahre 2016.

Hutin, da schon 86 Jahre alt, passt seinen Verlag noch einmal an die neuen Zeiten an. Er investiert in das Internet, lockt Leser auf Smartphones und Tablets und macht ihnen die 50 Ausgaben der Zeitung auf den kleinen Bildschirmen überall zugänglich.  Beim Werben von Abonnenten greift er auf ein altes Mittel zurück. Vertreter schellen wieder an Haus- und Wohnungstüren und bieten Abonnements an.

Ein letzter Leitartikel

Vor zwei Jahren zieht er sich zurück. Sein Werk ist getan. Er hat den Verlag aufgebaut, ihn durch eine Krise gesteuert und zu neuen Ufern geführt. Leiter der Kommentatorengruppe aber bleibt er. Er ist Garant dafür, dass seine Zeitung europäischen Geist ausstrahlt. Autoren des Ouest France sind Preisträger des deutsch-französischen Journalistenpreises. Die Leitartikel der Zeitung sind differenziert, strahlen hohes Niveau aus. Seinen letzten Leitartikel veröffentlicht der 88-Jährige am vergangenen Samstag unter dem Titel „Friede für Jerusalem“ .

Francois Régis Hutin muss sich um die Weltoffenheit und das Werben für Europa in seiner Zeitung nicht sorgen. Er hat sie ihr eingeimpft. Sie gehören heute zu den Genen des Ouest France und machen in der französischen Presselandschaft die Besonderheit der Zeitung aus.  Auch um die Zukunft der Gruppe musste er sich nicht sorgen. Zum einen bereitet sich die nächste Generation auf die Übernahme vor, zum anderen hat er sie frühzeitig in eine Stiftung eingebracht.  Frankreich hat mit Francois Régis Hutin einen Mann verloren, wie man ihn in dieser Art nur in der Provinz findet, jemanden, der aufbaut, der bewahren kann und für die Zukunft vorsorgen kann. Francois Régis Hutin wird der Bretagne fehlen.