Weg von Moskau – Die ukrainische Kirche wird nun doch unabhängig

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Am vergangenen Samstag hat in der Kiewer Sophienkathedrale das Einigungskonzil der Orthodoxen ukrainischen Landeskirche deren Oberhaupt, den Metropoliten Epiphanius von Kiew und ganz Ukraine, gewählt.

Von unserem Korrespondenten Axel Eichholz, Moskau

Am 6. Januar 2019 reist er zusammen mit Präsident Poroschenko nach Istanbul, um den Erlass des über die Autokephalie (Unabhängigkeit) vom Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus von Konstantinopel entgegenzunehmen. Gemeint ist die Unabhängigkeit vom Moskauer Patriarchat, und damit hat sich Kiew in dem lange währenden Kirchenstreit durchgesetzt.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko, der den neuen Metropoliten Epiphanius vorstellte, sagte, er betrachte den Kampf um die Autokephalie nicht als rein kirchliche Angelegenheit, sondern als Kampf für die nationale Sicherheit. Dieser politische Kampf ging wie ursprünglich geplant aus. Epiphanius gehört dem Kiewer Patriarchat an, das jenen Kampf gegen Moskau anführte.
Der herrliche Sieg hat aber etliche Schönheitsfehler. Vor allen Dingen konnte der selbsternannte Kiewer Patriarch Filaret nicht selbst Kirchenoberhaupt werden. In der Sophienkathedrale erschien er am Samstag betont nicht in seinem Festgewand, sondern in einer schwarzen Mönchskutte. Die Kiewer Kirchenverwaltung gilt weiterhin nur als Metropole und nicht als Patriarchat.

Moskauer Patriarch bleibt im Amt

Der vom Moskauer Patriarchen eingesetzte Kiewer Metropolit Onufri wurde auch nicht entmachtet. Er bleibt neben Epiphanius weiter im Amt. Es geht nicht nur um die Aufteilung von Ämtern und Pfründen. Die Kirche sind in erster Linie die Gläubigen, die jetzt zwischen Organisationen, die sich an Konstantinopel oder an Moskau anlehnen, wählen müssen.
Von einer ganz unabhängigen, geschlossenen ukrainischen Landeskirche kann man auch nach dem Einigungskonzil nicht sprechen. Das Wort Spaltung wäre eher angebracht. Von 90 Bischöfen, die in der Ukraine dem Moskauer Patriarchat unterstehen, waren in Kiew am Samstag nur zehn anwesend, von denen sich nur zwei offiziell anmeldeten.

Aus Moskau waren harte Worte zu hören. In der synodalen Abteilung des Moskauer Patriarchats wurde das Kiewer Konzil als „nutzlose Versammlung“ bezeichnet. Der Interreligiöse Rat Russlands wandte sich an alle geistlichen und politischen Führer der Ukraine und an Medienvertreter mit der Bitte, „sich für die Rechte jeder einzelnen Persönlichkeit einzusetzen“.

Kyrills Stuhl wackelt

Der Patriarch von Moskau und ganz Russland, Kyrill, wandte sich in einer Botschaft an die Oberhäupter aller orthodoxen Landeskirchen, den Papst in Rom, die Vorsteher der englischen Kirchen, an den UNO-Generalsekretär, den französischen Präsidenten und die deutsche Bundeskanzlerin. Darin beschwerte er sich über die „Einmischung der weltlichen ukrainischen Behörden in kirchliche Angelegenheiten und den groben Druck auf die Bischöfe der ukrainischen orthodoxen Kirche“. Was er damit bezweckte, blieb unklar. Von allen orthodoxen Kirchen hatte bisher nur die serbische klar für Moskau Partei ergriffen. Präsident Wladimir Putin hat sich bisher dazu nicht geäußert. Vielleicht will er es bei seiner „großen“ Jahresendpressekonferenz am Donnerstag tun.

Diese Entwicklung wird sicher weittragende Folgen auch für Russland haben. In Moskauer politischen und Kirchenkreisen wird Kyrills Botschaft an europäisch Führer als „beispiellose Hilflosigkeit“ kritisiert. Es heißt, er hätte dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus zuvorkommen und Kiew eine Autokephalie von Moskaus Gnaden anbieten sollen. Der abtrünnige Patriarch Filaret hätte dieses Angebot aus Rücksicht auf die Gläubigen nicht ausschlagen können. Nun würden aber die russischen Popen nach und nach aus der Ukraine verdrängt.

Es gibt auch Gerüchte, wonach Patriarch Kyrill wegen seiner eklatanten Niederlage am Ende durch den als Putins Beichtvater geltenden Metropoliten Tichon ersetzt wird. Es sei nur eine Frage der Zeit.