„Schlimmeres verhindert“: Die EU-Kommission will ein einheitliches Maut-System

„Schlimmeres verhindert“: Die EU-Kommission will ein einheitliches Maut-System
Foto: Mautstation in Frankreich

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Das überraschende Ende der deutschen Pkw-Maut stößt in Brüssel überwiegend auf Zustimmung. Die EU-Kommission hält aber am Prinzip von Straßengebühren fest.

Von unserem Korrespondenten Eric Bonse, Brüssel

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Es ist wie ein Crash auf einer freien Autobahn: Überraschend hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am gestrigen Dienstag die geplante deutsche Pkw-Maut gestoppt. Das Prestigeprojekt der bayerischen CSU sei rechtswidrig, weil es Autofahrer aus dem Ausland benachteilige, erklärten die Luxemburger Richter. Sie setzen sich damit über die Ansicht des Generalanwalts hinweg, der Anfang des Jahres keine Bedenken geäußert hatte.

Damit kann die sogenannte „Infrastrukturabgabe“ nicht wie geplant im Herbst 2020 eingeführt werden. Sie sah gestaffelte Mautgebühren für Fahrzeuge aus dem Ausland vor, während deutsche Halter über die Steuern entlastet werden sollten. Die Pkw-Maut sei „in dieser Form leider vom Tisch“, erklärte Verkehrsminister Andreas Scheuer. Kanzlerin Angela Merkel ließ mögliche Konsequenzen vorerst offen. Das Urteil sei zu akzeptieren.
Die EU-Kommission kündigte eine strikte Umsetzung des Richterspruchs an. „Die Kommission nimmt das Urteil zur Kenntnis und wird die Umsetzung eng überwachen“, sagte gestern ein Sprecher der Brüsseler Behörde. Damit ändert die Kommission ihre bisherige Haltung. Auf Drängen von Merkel hatte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eher kosmetische Änderungen an der deutschen Maut ausgearbeitet und sie danach für europarechtskonform erklärt.

Thema nicht vom Tisch

Ohne das grüne Licht aus Brüssel wäre die als „Ausländermaut“ konzipierte Abgabe womöglich schon viel früher gestoppt worden. Mit seiner Zustimmung hatte Juncker kleine EU-Länder wie Österreich, die Niederlande oder Belgien vor den Kopf gestoßen. Österreich reichte dann Klage vor dem EuGH ein. Verkehrsminister Andreas Reichhardt begrüßte das Urteil. Die Richter hätten Klarheit geschaffen, sagte er in Wien.

Auch aus Belgien kam Zustimmung. „Das ist eine ausgezeichnete Nachricht für Europa und für unsere Grenzregion“, sagte der ostbelgische Europaabgeordnete Pascal Arimont, ein Christdemokrat. Gemeinsam mit über 40 anderen EU-Abgeordneten aus zehn verschiedenen Ländern hat Arimont 2017 die sogenannte Anti-Maut-Koalition ins Leben gerufen. „Wir sind glücklich, Schlimmeres verhindert zu haben“, erklärte er nach dem Urteil.

Allerdings ist das Thema Pkw-Maut damit noch nicht vom Tisch. Denn mehrere EU-Länder erheben bereits Nutzungsgebühren für ihre Fernstraßen, darunter auch Österreich. Zudem verfolgt die EU-Kommission ihr Vorhaben weiter, ein einheitliches, europaweites Mautsystem zu schaffen. So sollen die Nutzer zur Kasse gebeten und die Steuerzahler entlastet werden. Zudem verspricht sich Brüssel eine bessere Überwachung und Kontrolle der Verkehrsflüsse.

„Unabhängig von dem Urteil hält die Kommission Mautregelungen für einen effizienten Weg, um Fahrer – und nicht die gesamte Gesellschaft – für die Nutzung von Infrastruktur zahlen zu lassen“, erklärte ein Kommissionssprecher. Auch die Grünen fordern Reformen. „Wir brauchen eine EU-weite streckenabhängige Gebühr“, sagte ihr verkehrspolitischer Sprecher Michael Cramer. Allerdings sei die bisher geplante Vignette „unökologisch und unsozial“, weil diejenigen, die 20.000 Kilometer im Jahr fahren, genauso viel bezahlen müssen wie Vielfahrer.