Nach dem Debakel bei der EU-Wahl verschärfen die Sozialisten in Rumänien den Machtkampf

Nach dem Debakel bei der EU-Wahl verschärfen die Sozialisten in Rumänien den Machtkampf
Regierungschefin Viorica Dancila nimmt nun auch in der PSD die Zügel in die Hand.

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Nach dem Debakel von Rumäniens sozialistischer PSD bei der Europawahl und der Verhaftung von Parteichef Liviu Dragnea werden in Bukarest die Karten neu gemischt. Im sich verschärfenden Machtkampf weist PSD-Regierungschefin Viorica Dancila alle Rücktrittsforderungen zurück: Noch kann sie im Parlament auf eine intakte Mehrheit bauen.

Von unserem Korrespondenten Thomas Roser, Belgrad

In zwei Tagen erst die Wahlen und dann die Freiheit verloren: Ihrem eingekerkerten Ex-Vormann Liviu Dragnea weinen seine früheren Mitstreiter in Rumäniens sozialistischer PSD keine Träne nach. Sie bedaure das „persönliche Drama“ von Dragnea, versicherte Regierungschefin Viorica Dancila, bevor sie sich nach der Verhaftung ihres wegen Amtsmissbrauch zu 3,5 Jahren Haft verurteilten Genossen kurzerhand selbst zur Interimsparteichefin küren ließ.

Der Parteikönig ist tot, es lebe die Königin. Mehreren treuen Gefolgsleuten von Dragnea hat die lange selbst als dessen loyale Strohfrau geltende Dancila in dieser Woche bereits den Laufpass gegeben. Nein, an einen Rücktritt verschwende sie keine Gedanken, hatte sie schon unmittelbar nach der Europawahl erklärt, bei der die Regierungspartei mit nur noch 22,5 Prozent gut die Hälfte ihres Stimmenanteils von 45 Prozent bei den Parlamentswahlen 2016 eingebüßt hatte.

Weiterhin Mehrheit im Parlament

Die Endlos-Debatten über die von Dragnea forcierten Justizreformen hätten „die Partei begraben“, so ihre Erklärung für das Debakel: „Stoppt die Diskussionen über die Justiz. Wir müssen näher bei den Menschen stehen.“

Dragneas Erben bleiben nur dessen Scherben: Nächste Woche will Dancila bei einem Treffen mit EU-Kommissar Frans Timmermans in Brüssel den drohenden Ausschluss der PSD aus der sozialdemokratischen SPE verhindern. Auch in Bukarest werden die Karten neu gemischt. Zwar sieht sich die angeschlagene PSD in die Defensive gedrückt.

Im sich verschärfenden Machtkampf weist Dancila dennoch alle Rücktrittsforderungen der Opposition zurück – und lässt sich auch von der Drohung eines erneuten Misstrauensvotums nicht schrecken. Der Grund: Die Europawahl hat zwar einen politischen Erdrutsch ausgelöst, die Mehrheitsverhältnisse im heimischen Parlament aber nicht verändert. Noch kann die Regierungspartei dort auf eine intakte Mehrheit bauen. Zwar hat die Partei der ungarischen Minderheit (UNMR) die Unterstützung für die Regierung offiziell aufgekündigt und verweigert sich auch die von der PSD abgespaltene Pro-Romania-Partei von Ex-Premier Victor Ponta einer Kooperation. Doch obwohl der liberale Koalitionspartner ALDE nach dem Scheitern an der Fünfprozenthürde bei der Europawahl erklärt hatte, den Verbleib in der Regierung zu „überdenken“, hat die PSD den von ihr nominierten Marcel Ciolacu für die Nachfolge von Dragnea als Parlamentsvorsitzenden erstaunlich problemlos inthronisiert. Mit der klaren Mehrheit von 172:120-Stimmen ist der frühere Vize-Premier am Mittwochabend in sein neues Amt gewählt worden.

Hilfst du mir, helfe ich dir: Mit der Ankündigung, im Parlament gegen die Aufhebung der Immunität des wegen des Verdachts der Annahme von Bestechungsgeldern ins Visier der Justiz geratenen ALDE-Chef Calin Popescu Tariceanu zu stimmen, hat die PSD den zweifelnden Koalitionspartner vorläufig bei der Stange gehalten. Doch nicht nur von der erstarkten Opposition, sondern auch von Staatschef Klaus Johannis hat Dancilas trudelndes Regierungsschiff bis zu den Präsidentschaftswahlen im Herbst verstärkten Gegenwind zu erwarten: Ein Ende der Politturbulenzen ist im Karpatenstaat nicht in Sicht.