Kreml-kritischer Blogger StalinGulag outet sich nach Druck der Behörden auf seine Familie

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Er ist einer der prominentesten Kritiker von Russlands Präsident Wladimir Putin, doch bis vor wenigen Tagen kannte kaum ein Russe seinen Namen: Alexander Gorbunow, der unter dem Namen StalinGulag bloggt, rechnet nicht mit einem baldigen Ende der Ära Putin.

Von Anna Smolchenko

Ein Wechsel an der Spitze des russischen Staates? Nicht zu seinen Lebzeiten, glaubt der 27-jährige Gorbunow, der im Rollstuhl sitzt, weil er an Muskelschwund leidet. „Da bin ich nicht optimistisch“, fügt er hinzu. Unter dem Namen StalinGulag hat sich Gorbunow auf mehreren Online-Plattformen fast 1,5 Millionen Abonnenten erarbeitet. Seine regierungskritischen Einträge, die vor trockenem Humor und Flüchen strotzen, werden laut Schätzungen von mehreren Millionen Menschen gelesen. Dass er StalinGulag ist, hatte der Wertpapierhändler und gelernte Jurist erst kürzlich publik gemacht.

Zur Offenlegung seiner Identität entschloss er sich nach einer Razzia bewaffneter Polizisten im Haus seiner Eltern. Neben seiner 65-jährigen Mutter und seinem 80-jährigen Vater seien auch andere Familienmitglieder von den Behörden unter Druck gesetzt worden, sagt Gorbunow.

„Was hier im Land geschieht, ist furchtbar“, findet Gorbunow. Am meisten ärgere er sich über Ungerechtigkeit. In einem Text aus dem Jahr 2018 äußert er eine düstere Warnung an seine Leser: „Wirklich furchterregende Zeiten kommen auf uns zu“, mahnt er und ruft sie dazu auf, aufeinander aufzupassen. „Das ist die Realität, und nicht jeder wird sie überleben“, schreibt Gorbunow als StalinGulag. Der erfolgreiche Politblogger lebt mit seiner langjährigen Lebensgefährtin in Moskau – keine rollstuhlfreundliche Stadt, doch Gorbunow beschäftigt Helfer.

Unterstützung

Auch wenn er in seinen Blogeinträgen die russische Regierung und den Präsidenten kritisiert, versteht er sich nicht als Oppositioneller. Stattdessen wolle er einfach seine Gedanken festhalten – sei es zu Fehlern in der russischen Außenpolitik oder zum luxuriösen Lebenswandel der Vertrauten von Präsident Wladimir Putin. Gorbunow ist in seinen Bewegungen stark eingeschränkt, die StalinGulag-Texte schreibt er mit dem rechten Zeigefinger. Sollte die Regierung ihn ins Gefängnis schicken, könnte er innerhalb weniger Tage sterben, sagt er – „das ist ihnen egal“. Die Behörden könnten jeden Menschen einfach festnehmen und ins Gefängnis stecken, kritisiert er.

Tatsächlich geht der Kreml immer wieder gegen kritische Stimmen vor. Im März hatte Präsident Putin ein Gesetz unterzeichnet, das es Gerichten erlaubt, Geld- und Haftstrafen wegen „mangelnden Respekts vor der Obrigkeit“ zu verhängen. Seit seinem Schritt in die Öffentlichkeit haben viele Russen Gorbunow Respekt gezollt. „Dieser Mensch ist ein verdammter Held“, sagte der Drehbuchautor Andrew Ryvkin, der Autor Denis Bilunow bezeichnete ihn als „Person des Jahres“. Der Gründer der Telegram-App, Pavel Durov, zeigte seine Solidarität nicht nur, indem er das Nutzerkonto von StalinGulag verifizierte.

Er bot dem Mann hinter dem Pseudonym auch Hilfe beim Verlassen Russlands an. Alexander Gorbunow hat derzeit allerdings nicht vor, ins Ausland zu ziehen. Er will bei seinen Angehörigen bleiben und hofft, dass sich der Rummel um ihn bald legt. Die Reaktion der Behörden auf seine als StalinGulag verfassten Texte formuliert er unterdessen so: „Wenn die Obrigkeit Angst vor dem hat, was ich schreibe, dann ist sie nichts wert.“

Jacques Zeyen
7. Mai 2019 - 9.08

So ist das mit den "Selbstgewählten" Diktatoren. Kritik verboten. Wenn man schon todkrank sein muss bevor man sich traut den Mund aufzumachen,ist das schon eine Ansage.