Korruptionsskandale: Bulgariens Saubermänner geraten ins Straucheln

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Ausgerechnet kurz vor den Europawahlen wird Bulgariens regierende GERB-Partei von einer Kette von Korruptionsskandalen erschüttert. Zwielichtige Immobiliengeschäfte und der mutmaßliche Missbrauch von EU-Mitteln könnten die Rechtspartei den Wahlsieg kosten.

Von unserem Korrespondent Thomas Roser, Belgrad/Sofia

Selbst ertappten Korruptionssündern ist in Bulgarien Schuldbewusstsein völlig fremd. Er habe „erfolgreich“ eines der größten Ministerien geleitet, bescheinigte sich Agrarminister Rumen Poroschanow, bevor der Parteigänger der konservativen GERB als siebtes Kabinettsmitglied in zwei Jahren am Dienstag seinen Posten vorzeitig räumte. Er wolle nicht, dass die Attacken gegen ihn die Arbeit der Regierung beeinträchtigten, begründete der 54-Jährige scheinbar selbstlos seinen Abtritt.

Ausgerechnet kurz vor den Europawahlen wird die GERB-Partei von Premier Bojko Borissow von einer Kette von Korruptionsskandalen erschüttert. Zwielichtige Immobiliengeschäfte und der mutmaßliche Missbrauch von EU-Mitteln könnten GERB den sicher geglaubten Wahlsieg kosten.

Synonym für florierende Korruption

In den jüngsten Umfragen haben sich die oppositionellen Sozialisten (BSP) knapp vor GERB geschoben. Die drohende Wahlschlappe hat sich die sieggewohnte GERB selbst eingebrockt: Die sich gerne als „Saubermänner“ Bulgariens profilierende GERB ist – ähnlich wie zuvor die nun oppositionelle BSP – längst zum Synonym für einen Parteistaat mit florierender Korruption und schwachen Institutionen geworden.

Egal, wer beim ärmsten EU-Mitglied die Regierungsbank drückt: Die Mitnahmementalität der geschäftstüchtigen Würdenträger des Balkanstaats scheint alle Wahlen und Machtwechsel zu überdauern.

Der nun über seine Vergangenheit als Leiter des für die Zuteilung von EU-Fördergeldern verantwortlichen Agrarfonds gepurzelte Poroschanow ist kein Einzelfall – und nur der letzte von mehreren GERB-Würdenträgern, die in den letzten Wochen über zweifelhafte Immobiliengeschäfte gestrauchelt sind.

EU-Gelder für Privatvillen

Von 2007 bis 2013 hatte Brüssel Bulgarien 101 Millionen Euro an Zuschüssen zum Bau von 746 Ferienhäusern zur Entwicklung des Tourismus in strukturschwachen Landregionen zur Verfügung gestellt. Recherchen von Journalisten des unabhängigen Webportals bivol.bg enthüllten jedoch, dass die EU-Gelder nicht nur zum Bau von Gästehäusern für Touristen genutzt, sondern auch für die Errichtung privater Luxusvillen zweckentfremdet wurden.
Mitte April hatte bereits der stellvertretende Wirtschaftsminister Alexander Manolew seinen Stuhl räumen müssen. Mit Hilfe einer Strohfrau soll er einen EU-Zuschuss in Höhe von 190.000 Euro für den Bau einer Luxusvilla auf seinem Grundstück genutzt haben: Abgesegnet hatte den Antrag Poroschanow.

Von Sofia nun hektisch eingeleitete Überprüfungen der ersten 110 mit EU-Hilfe errichteten Ferienhäuser haben ergeben, dass in gut einem Drittel die EU-Fördermittel für private Bauvorhaben missbraucht wurden.

Für GERB bedeutet der nun aufgedeckte EU-Betrug einen weiteren peinlichen Gesichtsverlust: Denn bereits Ende März hatte ein Skandal über weit unter Marktpreis erworbene Luxuswohnungen in Sofia mehrere ihrer Würdenträger wie Fraktionschef Zwetan Zwetanow oder Justizministerin Zezka Zatschewa zum Abtritt gezwungen.

Zwar hat die skandalerprobte Regierungspartei bereits ganz andere Krisen überstanden. Doch nun scheint die verdiente Quittung unausweichlich: Kurz vor den Europawahlen fehlt es GERB zum bewährten Problemaussitzen einfach an Zeit. „Nichts verärgert die Menschen so sehr wie Politiker, die sich große Wohnungen zu kleinen Preisen unter den Nagel reißen“, schreibt die Zeitung Trud.

de Schmatt
16. Mai 2019 - 23.27

Vorsicht: Saubermänner sind immer suspekt!