„Keine Konzessionen“: Kritik an Europa-Plan der deutschen CDU

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Der neue Europa-Plan der deutschen CDU löst in Brüssel keine Begeisterung aus – im Gegenteil. Die EU-Kommission reagiert kühl, das Europaparlament warnt vor einem Abbau der Demokratie.

Von unserem Korrespondenten Eric Bonse

Es sollte der Auftakt zu einer großen Europa-Debatte werden. Doch die Antwort, die die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer auf die EU-Pläne von Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron formuliert hat, verfehlte am gestrigen Montag zunächst die gewünschte Wirkung. AKK musste sich verteidigen, Brüssel und Paris reagierten verschnupft.

„Es ist ja in der vergangenen Woche beklagt worden, dass es keine europapolitische Debatte in Deutschland gibt“, rechtfertigte Kramp-Karrenbauer („AKK“) ihren Vorstoß, den sie in der Welt am Sonntag veröffentlicht hatte. „Wenn jetzt darüber eine gute Diskussion, ein Wettbewerb um gute Ideen für Europa entstanden ist, umso besser.“

Doch AKKs Ideen haben zunächst vor allem Verwunderung ausgelöst. Wieso antwortet die CDU-Chefin auf Präsident Macron – und nicht Kanzlerin Angela Merkel? Und wieso geht sie auf Macrons detaillierte Vorschläge, die von einer Demokratie-Agentur bis zu einer Klimaschutz-Bank reichen, nicht ein? Das fragen sich viele in Brüssel.

Keinerlei Zugeständnisse

Wie groß die Verunsicherung ist, machte unfreiwillig der Sprecher von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker deutlich. Macrons Vorschläge hatte Juncker in der vergangenen Woche noch ausdrücklich begrüßt. Zu AKKs Ideen hingegen wollte er sich nicht äußern. Die Haltung von Parteivorsitzenden kommentiere man nicht, hieß es in der EU-Behörde.

Juncker beschränkte sich darauf, AKK als „überzeugte Europäerin“ zu würdigen, die sich für die deutsch-französische Zusammenarbeit einsetze. Doch genau dieses Engagement vermissen viele im CDU-Papier. Statt auf Macron zuzugehen, fordert AKK Frankreich darin auf, den umstrittenen Standort des Europaparlaments in Straßburg aufzugeben und Platz für einen EU-Sitz im Weltsicherheitsrat zu machen.

Die neue CDU-Vorsitzende mache „keine Konzessionen“, kommentierte die französische Tageszeitung Le Monde. Ihr Thesenpapier sei Ausdruck von „deutscher Hybris“, twitterte der Brüssel-Korrespondent von Libération, Jean Quatremer. Paris solle klein beigeben, Berlin hingegen wolle keinerlei Zugeständnisse machen.

Mehr Entscheidungen auf zwischenstaatlicher Ebene

Auf Kritik stößt auch die Forderung der CDU-Vorsitzenden, die bisher übliche Präferenz für die Gemeinschaftsmethode – also für eine Zusammenarbeit im Rahmen der EU-Institutionen – aufzugeben. Stattdessen möchte AKK künftig mehr Entscheidungen auf zwischenstaatlicher Ebene treffen, was große Staaten wie Deutschland begünstigt und die EU-Kommission und das Europaparlament schwächt.

„Die Europapartei CDU verabschiedet sich von der europäischen Demokratie“, kommentierte der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold. AKKs Vorstoß bedeute „mehr Hinterzimmer und weniger transparente Entscheidungen in Europa, die für die Bürgerinnen und Bürger auch nachvollziehbar sind“. Auch die (überparteiliche) Europa Union Deutschland zeigt sich besorgt. Die „intergouvernementale Methode“ führe zu Intransparenz und zu Blockaden.

Kritik erntete Kramp-Karrenbauer auch vom Koalitionspartner SPD sowie von den oppositionellen Grünen und FDP. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter warf ihr in einem Funke-Interview vor, sie blockiere die Entwicklung der EU. Die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Nicola Beer, warf der Bundesregierung vor, die EU-Grenzschutzagentur Frontex nicht schnell genug ausbauen zu wollen.

Die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Justizministerin Katarina Barley, sagte im Deutschlandfunk, sie finde es unangemessen, dass nicht Kanzlerin Merkel auf den Vorstoß Macrons reagiere. Immerhin stellte sich Merkel hinter AKKs Vorstoß. Die Vorschläge „stehen im Einklang mit den Gedanken der Bundeskanzlerin“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert gestern in Berlin.