Katalonien: Prozess gegen Separatisten facht Unabhängigkeitskonflikt an

Katalonien: Prozess gegen Separatisten facht Unabhängigkeitskonflikt an

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„Freiheit für die politischen Gefangenen und Exilanten“, steht auf dem Transparent, das an der Fassade des mittelalterlichen Regierungspalastes in der katalanischen Hauptstadt Barcelona weht.

Von unserem Korrespondenten Ralph Schulze

In dem Gebäude residiert Quim Torra, Kataloniens Ministerpräsident und oberster Separatist. Mit dem Spruchband vor seiner Haustür protestiert Torra gegen jenen großen Strafprozess, in dem sich derzeit in Madrid zwölf katalanische Politiker verantworten müssen.

Ihnen wird vorgeworfen, im Herbst 2017 mit illegalen Methoden die Unabhängigkeit der spanischen Region Katalonien angestrebt zu haben. Torra hält das Strafverfahren für einen „Racheakt“ des spanischen Staates, um Kataloniens Separatismusbewegung zu kriminalisieren. Ein böser Vorwurf, der signalisiert, dass dieser Prozess die Gräben in Katalonien vertieft. Der Unabhängigkeitskonflikt, der die katalanische Gesellschaft in zwei etwa gleich große Lager gespalten hat, ist weiter denn je von einer Lösung entfernt.

Neun der katalanischen Angeklagten sitzen seit über einem Jahr in Madrid in U-Haft. Sie werden von der Unabhängigkeitsbewegung als „politische Häftlinge“ bezeichnet. Das Gericht lehnte ihre Freilassung ab, weil sie Fluchtgefahr sehen. Dies wurde damit begründet, dass sich sieben weitere Beschuldigte, darunter Kataloniens Ex-Regierungschef Carles Puigdemont, ins Ausland absetzten. Die Flüchtigen werden vom Unabhängigkeitslager als „Exilanten“ bezeichnet.

In der Schlussrunde

Inzwischen befindet sich der Prozess vor Madrids Oberstem Gerichtshof in der Schlussrunde. Nach vier Monaten Beweisaufnahme und der Vernehmung von 400 Zeugen hielt die Staatsanwaltschaft ihr Plädoyer und forderte für die zwölf Beschuldigten zwischen 7 und 25 Jahren Haft. Den Hauptangeklagten, den früheren Puigdemont-Stellvertreter Oriol Junqueras, will die Anklagebehörde wegen Rebellion und Veruntreuung staatlicher Gelder für 25 Jahre ins Gefängnis schicken.

Eine harte Strafforderung, die auch in Spanien kontrovers diskutiert wird. Und die, soweit sie sich in ein Urteil verwandeln sollte, Auswirkungen bis ins EU-Parlament haben wird. Denn der 50-jährige Junqueras, Vater zweier Kinder und Chef der Unabhängigkeitspartei Esquerra Republicana (Republikanische Linke), eroberte aus dem Gefängnis heraus ein Mandat für das EP, das er aber bei Verurteilung vermutlich nicht antreten kann.

Das Verfahren gilt als wichtigster Prozess der jüngeren spanischen Geschichte. Auch deswegen, weil hier Spaniens Demokratie auf dem Prüfstand steht. „Spanien ist kein Rechtsstaat, sondern ein Staat der Repression“, behauptet Katalonien-Präsident Torra. So wie Torra denken die meisten Unabhängigkeitsbefürworter, die annähernd die Hälfte der 7,5 Millionen Katalanen repräsentieren.

Spaniens geschäftsführender Regierungschef Pedro Sánchez weist dies zurück. „Spanien ist eine moderne Demokratie mit einer unabhängigen Justiz.“ Der Sozialist Sánchez hatte vergeblich versucht, den Konflikt zu entschärfen. Sánchez’ Angebot, Kataloniens Selbstverwaltung auszubauen, reichte Torra nicht – dieser beharrte auf Unabhängigkeit, die Verhandlungen platzten. Sánchez setzte nationale Neuwahlen an, aus der er Ende April gestärkt hervorging, was der Sozialist als Bestätigung für seine Katalonienpolitik werten kann. Gerade wurde Sánchez von König Felipe mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt.

Im Rückblick

Ein kurzer Rückblick auf das, was im Herbst 2017 in Spaniens eigenwilliger Region Katalonien geschah: Damals hatte die dortige Separatistenregierung unter Ministerpräsident Puigdemont eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit organisiert, obwohl dies von Spaniens Verfassungsgericht untersagt worden war. In der Folge kam es am Abstimmungstag zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Bilder, auf denen sich Beamte mit Knüppeln den Weg zu Wahlurnen bahnten, die von Menschenmauern verteidigt wurden, gingen um die Welt.

Nach dem Referendum, an dem sich nur 43 Prozent der Katalanen beteiligten, verabschiedeten die Separatisten eine Unabhängigkeitserklärung, die vom Verfassungsgericht ebenfalls annulliert wurde. In der Verfassung Spaniens ist, wie in den meisten europäischen Grundgesetzen, eine territoriale Abspaltung nicht vorgesehen.

„Das, was in Katalonien geschah, war ein Staatsstreich“, sagte Staatsanwalt Javier Zaragoza in seinem Schlussplädoyer. Die Separatisten hätten eine Strategie verfolgt, um Spaniens Rechtsordnung in Katalonien auszuhebeln, die richterlichen Verbote zu unterlaufen und um eine von Spanien unabhängige Republik auszurufen.

Die Anwälte der Beschuldigten bekräftigten derweil, dass sie ihre Mandanten für unschuldig halten und dass ihnen ein „politischer Prozess“ gemacht werde. Mit einem Urteil in diesem Mammutprozess, der international mit großer Aufmerksamkeit verfolgt und deswegen auch live im Internet übertragen wurde, wird erst im Herbst gerechnet.

Sollte es tatsächlich Schuldsprüche mit Gefängnisstrafen geben, wird das Protestplakat am katalanischen Regierungspalast in Barcelona wohl noch länger hängen bleiben. Und Spaniens größte innenpolitische Krise, die Auseinandersetzung um die Zukunft Kataloniens, dürfte weiter an Schärfe zunehmen.

Le républicain zu London
11. Juni 2019 - 21.36

Es ist klar, dass Spanien einen politischen Prozess gegen die Katalanen führt, es gab keinen bewaffneten Aufstand in Katalonien, das Strafmaß das gefordert ist, beweist, dass in Spanien wieder Franco's Justiz herrscht.