Die Salvini-Krise in Italien: Was sie bedeutet und wie es weitergehen könnte

Die Salvini-Krise in Italien: Was sie bedeutet und wie es weitergehen könnte

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Nach gut einem Jahr steht die populistische Regierung in Italien vor dem Aus. Die rassistische und rechtsextremistische Lega von Vize-Regierungschef Matteo Salvini brachte nach eigenen Angaben einen Misstrauensantrag gegen den parteilosen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte im Senat ein.

Gemäß den Regeln der Kammer muss der Antrag ab Montag oder Dienstag binnen zehn Tagen geprüft werden. Salvini setzt angesichts eines Umfragehochs auf einen Sieg seiner Lega bei Neuwahlen. Seit Monaten stichelt er daher gegen den Koalitionspartner, die Fünf-Sterne-Bewegung. Am Mittwoch gab diese dem Chef der Rechtsextremen einen Grund, loszuschlagen: Die Sterne-Abgeordneten stimmten gegen eine geplante Bahnverbindung zwischen Lyon und Turin. Die Lega hingegen votierte dafür. Salvini warf dem Koalitionspartner daraufhin Blockadehaltung vor und forderte tags darauf Neuwahlen.

Ist die Regierung bereits geplatzt?

Nicht ganz. Der parteilose Ministerpräsident Giuseppe Conte muss vor das Parlament treten und sich einer Vertrauensabstimmung über seine Regierung stellen. Sprechen die Abgeordneten ihm das Misstrauen aus, muss er zurücktreten. Gewinnt Conte die Abstimmung, kann er weiterregieren, muss sich dafür aber eine neue Mehrheit organisieren. Eine andere Möglichkeit ist, dass der Ministerpräsident ohne Vertrauensvotum zurücktritt.

Steht Italien vor einer Neuwahl?

Eine Neuwahl ist wahrscheinlich, aber nicht sicher. Nur Staatspräsident Sergio Mattarella hat die Macht, das Parlament aufzulösen. Er wird nur dann eine Neuwahl ausrufen, wenn es unmöglich ist, mit den bestehenden Kräfteverhältnissen eine neue Regierung zu bilden. Üblicherweise berät sich das Staatsoberhaupt vor einer Auflösung des Parlamentes mit den Präsidenten der Abgeordnetenkammer und des Senats, also des Unter- und Oberhauses des Parlaments, sowie mit den wichtigsten Fraktionschefs.

Kann es eine neue Regierung ohne Neuwahl geben?

Ja. Eine neue Koalition ohne vorgezogene Wahl zu bilden, dürfte allerdings schwierig werden. Rein rechnerisch hätte ein Bündnis der Fünf Sterne und des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) eine knappe Mehrheit von einer Stimme. Für eine größere Stabilität wäre die Unterstützung kleinerer Parteien oder Senatoren auf Lebenszeit nötig. Allerdings haben in der Vergangenheit mehrere Abgeordnete beider Parteien einer solchen Koalition eine Absage erteilt. Unter ihnen ist auch Matteo Renzi, der frühere Ministerpräsident und PD-Chef, der noch immer viel Einfluss hat.

Wann könnte eine Neuwahl stattfinden?

Das hängt davon ab, wann das Parlament zusammengerufen wird, um über das Vertrauen in die aktuelle Regierung abzustimmen, und wie lange es dauert, die Chancen für eine alternative Koalition auszuloten. Mattarella hat bereits klargemacht, dass er eine amtierende Regierung wünscht, um den Haushalt für 2020 im Herbst zu beschließen. Die Regierung muss den Etat der EU-Kommission bis Oktober vorlegen. Das würde bedeuten, dass eine Neuwahl bis Oktober stattgefunden haben muss oder aber ins kommende Jahr verschoben wird. Sollten die Italiener nicht bis Oktober wählen und bis Herbst keine alternative Koalition stehen, dann könnte der Präsident eine Regierung aus politisch unabhängigen Technokraten bilden. Allerdings bräuchte auch eine solche Regierung das Vertrauen des Parlaments.

Wie würde eine Neuwahl vermutlich ausgehen?

Aus der Parlamentswahl am 4. März 2018 war die Fünf-Sterne-Bewegung mit knapp 33 Prozent als stärkste Partei hervorgegangen, die Lega hatte 17 Prozent geholt. Bei der Europa-Wahl im Mai dieses Jahres hat sich das Kräfteverhältnis umgekehrt. In Umfragen erreicht die Lega derzeit zwischen 34 und 39 Prozent. Damit wäre sie mit Leichtigkeit die stärkste Partei. Sollte sie die absolute Mehrheit verfehlen, dann hätten Salvini und seine Lega gute Chancen, mit der konservativen Forza Italia von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi und den rechtsextremen Fratelli d’Italia ein Rechts-Bündnis zu schmieden.


„Auf Europa kommt ein noch schwierigerer Partner zu“

Nach Ansicht des Gießener Politikwissenschaftlers Jan Labitzke wird Italien für Europa ein noch schwierigerer Partner, sollte Innenminister Matteo Salvini Ministerpräsident werden. Allerdings seien in Italien auch schon viele Hoffnungsträger gescheitert, so Labitzke im Gespräch mit unserer Redaktion.

Von unserem Korrespondenten Hagen Strauß

Tageblatt: Herr Labitzke, was bedeutet der Bruch der Regierungskoalition in Italien für Europa?

Jan Labitzke: Zunächst einmal, dass eine bei vielen europäischen Partnern unbeliebte Regierung abgelöst wird. Aber die Frage ist, was danach kommt. Wahrscheinlich könnte Innenminister Matteo Salvini nach jetzigen Umfragen neuer Ministerpräsident werden.

Und was dann?

Dann kommt auf Europa ein noch schwierigerer Partner zu, weil Salvini eine größere Machtfülle hätte. Ökonomisch und finanzpolitisch könnte es bei einem Vertrauensverlust der Finanzmärkte ebenfalls heikel werden, denn Italien bekäme bei deutlich steigenden Zinsen ein massives Refinanzierungsproblem aufgrund der immensen Staatsverschuldung.
Dass es ein zweites Griechenland werden wird, denke ich aber nicht. Es gibt immer auch noch einen Exportüberschuss und eine starke industrielle Basis. Aber das Ganze wird die EU in einer Phase treffen, wo sie mit vielen Herausforderungen zu kämpfen hat. Stichwort Brexit.

Warum ist Salvini in Italien so beliebt?

Das hat mehrere Gründe. Er tritt als starker Mann auf, der vorgibt, die Interessen der Bevölkerung zu vertreten und Italien wieder stark zu machen. Er ist auch auf allen sozialen Kanälen präsent. Dafür unterhält er in seinem Ministerium eine eigene Abteilung. Vor allem jedoch konnte er sich als Innenminister sehr stark profilieren durch seine Anti-Migrations-Politik.

Aber Hoffnungsträger gab es schon viele in Italien.

Das stimmt. Und sie sind alle an ihren Versprechungen gescheitert. Angefangen bei Silvio Berlusconi, der zurücktreten musste. Dann wollte Mario Monti in den turbulenten Finanzzeiten das Land retten. Er hat mit seiner Politik aber die Wirtschaft abgewürgt und die Arbeitslosigkeit hochgetrieben. Dann kam Matteo Renzi, der mit der alten politischen Klasse aufräumen wollte. Er konnte seine Versprechungen auch nicht einhalten. Jetzt versucht es voraussichtlich als nächster Salvini.

Heißt das, auch er wird scheitern?

Ich finde, dass es eine riskante Annahme ist, dass sich Populisten an der Regierungsmacht zwingend entzaubern. Das wird davon abhängen, ob Salvinis Rezepte den Italienern bei der Bewältigung ihrer alltäglichen Sorgen helfen werden. Denn Italiens Probleme sind die hohe Arbeitslosigkeit, die große Armut und die schwache Wirtschaft. Gelingt Salvini hier keine Trendwende, wird die Unterstützung für ihn wegbrechen. Die Frage ist nur, passiert es wirklich – und was unter seiner Ägide in der Zwischenzeit alles mit Italien und der EU passiert.

Wird das Thema Euro- oder gar EU-Austritt Italiens eins werden?

Das glaube ich nicht. Selbst die Wählerschaft der Lega ist mehrheitlich für einen Verbleib im Euro. Was noch dagegen spricht, ist, dass Salvinis Partei starke Unterstützung beim Unternehmertum Norditaliens hat. Dieses hat ein erhebliches Interesse am Euro und dem Binnenmarkt. Das wird Salvini vor so einem Plan zurückschrecken lassen.

Reuter
10. August 2019 - 17.00

Egal was geschieht, die Ratten werden noch immer zwischen dem haushoch gestapelten Müll rumlaufen, die Beamten gehen noch immer zu spät oder gar nicht zur Arbeit, die Brücken und Tunnels werden weiter verfallen, dann passen sie auch besser zu den römischen Ruinen.