Die Litauer entscheiden sich bei der Präsidentenwahl gegen den Populismus

Die Litauer entscheiden sich bei der Präsidentenwahl gegen den Populismus
Ingrida Simonyte redet mit Journalisten in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am 12. Mai.

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Die Präsidentschaftswahlen in Litauen finden parallel mit den Europawahlen am 26. Mai statt. Die ehemalige Finanzministerin Ingrida Simonyte und der Ex-Banker Gitanas Nauseda befinden sich in engem Kampf um die Stimmen der Litauer.

Von unserem Korrespondenten Paul Flückiger, Warschau

Bei den Präsidentschaftswahlen in Litauen kommt es erwartungsgemäß zu einer Stichwahl am 26. Mai, gleichzeitig mit der Europawahl. Zwei Wirtschaftswissenschaftler werden sich dann ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. Dies zeichnete sich am Montagmorgen nach Auszählung aller Stimmen des ersten Wahlganges ab. Demnach gewann am Sonntag die einstige Finanzministerin Ingrida Simonyte mit 31,35 Stimmen knapp vor dem unabhängigen Ex-Banker Gitanas Nauseda (31,16 Prozent). Klar gescheitert ist mit knapp unter 20 Prozent der populistische Premierminister Saulius Skvernelis vom „Verbund der Bauern und Grünen“. Von den weiteren sechs Kandidaten erreichte keiner mehr als 5 Prozent.

Der von der polnischen und russischen Minderheit unterstützte Minderheitenpolitiker Waldemar Tomaszewski kam mit 4 Prozent auf ein klägliches Resultat. Offiziell leben in Litauen 6,6 Prozent Polen und 5,8 Prozent Russen. In dem größten Baltenstaat lag die Wahlbeteiligung bei guten 57 Prozent.

Populist scheitert

Skvernelis zog die Konsequenzen aus seinem Wahldebakel und kündigte am Montagmorgen zerknirscht seinen Rücktritt als Regierungschef, per Juli, an. „Mein Scheitern an der Stichwahl ist eine Wähler-Evaluation, der ich mich stelle“, sagte Skvernelis im litauischen Staatsfernsehen LRT. Der einst beliebte Innenminister leitet seit Dezember 2016 eine von den Sozialdemokraten unterstützte Minderheitsregierung.

Laut Skvernelis werden sein „Verbund der Bauern und Grünen“ sowie die Sozialdemokraten zuerst versuchen, in den eigenen Reihen einen mehrheitsfähigen neuen Premierminister zu finden. Vor der Wahl hatte es noch geheißen, wenn Skvernelis bei den Präsidentenwahlen scheitere, solle die oppositionelle, konservative „Heimatunion“ eine neue Regierung bilden. Reguläre Neuwahlen stehen erst 2020 an. Dabei hängt vieles auch vom Abschneiden der beiden größten Parteien in Litauen bei den Europawahlen ab.

Erfreut über Skvernelis’ klares Scheitern zeigte sich die nach zehn Jahren Amtszeit abtretende Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite, die in Brüssel als Nachfolgerin von Donald Tusk gehandelt wird. „Die Wahlen zeigten die Reife der litauischen Gesellschaft“, sagte Grybauskaite am Montag. „Das Volk steht zu seinen Werten und hat sich weder von Populismus noch Angstmache beeinflussen lassen“, giftete sie gegen die Regierung, mit der sie im Dauerclinch liegt.

Chance für Polit-Neuling

Die beiden gleichzeitig zu Präsidentenwahl abgehaltenen Referenden scheiterten an der Urne. Die Reduktion der Parlamentssitze vermochte nicht genügend Wahlberechtigte zur Abstimmung zu locken. Das Referendum über eine Einführung der gesetzlich erlaubten Doppelbürgerschaft kam zustande, wurde jedoch von gut 52 Prozent der Litauer abgelehnt. Laut litauischen Politologen hat der Polit-Neuling Nauseda bei der Stichwahl die etwas besseren Karten. Der 54-jährige Ex-Banker habe sich wirtschaftlich links positioniert, aber gleichzeitig weltanschaulich konservative Positionen bezogen, analysierte Ramunas Vilpisauskas gegenüber der baltischen Presseagentur BNS. „Bleibt die Wahlbeteiligung ähnlich hoch, hat Nauseda bessere Chancen“, schätzt Vilpisauskas. Vorsichtiger äußerte sich Gintaras Sumskas, der für die Stichwahl ein mangelndes Angebot für die Protestwähler sieht. „Fällt die Wahlbeteiligung, nützt das der Simonyte, die von der disziplinierten konservativen Wählerschaft unterstützt wird.“

Da die Stichwahl um das Präsidentenamt zusammen mit den Europawahlen stattfindet, dürfte dies einige Litauer an die Urnen locken. Vor allem im Ausland, wohin ein Zehntel der Bürger ausgewandert ist, war die Wahlbeteiligung schon am Sonntag erstaunlich hoch. Unter den Ausland-Litauern hätte übrigens Simonyte die Wahlen bereits in der ersten Runde gewonnen.