Lothringens Verkehrsdilemma

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Ab Mittwoch wird in Lothringen diskutiert, wie es mit der Autobahn in Richtung Luxemburg weitergeht. Es geht um mehr als nur um das Teilstück zwischen Thionville und Luxemburg.

Irgendwann zwischen 2025 und 2030 soll in Lothringen eine Autobahn ausgebaut werden. Ein Stück zwischen Metz und Nancy, eine anderes zwischen Thionville und der luxemburgischen Grenze. Beide Stücke sollen von jetzt 2×2 Spuren auf 2×3 Spuren erweitert werden. Die beiden Stücke sind insgesamt 90 Kilometer lang.

Öffentliche Anhörungen zu dem geplanten Ausbau der Autobahn zwischen Nancy und der luxemburgischen Grenze finden an diesen Terminen statt:
Nancy 15. April;
Metz 16. April;
Woippy 28 April;
Thionville 1. Mai;
Yutz 1. Juni;
Nancy 24. Juni;
Metz 25. Juni.
(wy)

Im Zusammenhang mit dem Projekt wird eine Anhörung organisiert. Sie gibt jedem Lothringer, aber auch Luxemburgern die Möglichkeit, ihre Meinung dazu zu äußern. Eine allgemeine Zustimmung gilt schon jetzt als ausgemacht. Aber das heißt wenig in Lothringen, wo es üblich ist, sich so lange über Projekte zu streiten, bis sie hinfällig sind. Was aber realisiert wird, ist häufig ein Prestigeprojekt und rentiert sich nicht. Der lothringische Flughafen, der vor sich hin krebst und trotz Millionen Subventionen nicht abhebt, ist ein Beispiel dafür.

Viele Totgeburten

Lothringen hat viele Verkehrsprojekte in den vergangenen Jahren gehabt und viele auch beerdigt. Eine Ersatzautobahn für die ständig überlastete A 31 nach Luxemburg sollte parallel zur deutschen Grenze gebaut und in Trier oder hinter Trier eine Anbindung an das deutsche Autobahnnetz erfahren. Das Projekt ist seit langem tot. Der lothringische Flughafen und der TGV Bahnhof Lothringen liegen beide in Louvigny und doch Kilometer voneinander entfernt. Der Standort des Flughafens ist ein Kompromiss zwischen Nancy und Metz. Rund um den Flughafen sollte eine neue lothringische Mitte entstehen. Sie scheiterte schon, als der TGV-Bahnhof nicht unmittelbar am Flughafen sondern Kilometer davon entfernt gebaut wurde. Und heute streiten sich – wie üblich – die Präsidenten der Départements in Metz und in Nancy darum, dass man eigentlich eigentlich einen neuen Bahnhof im Département Meurthe et Moselle bauen müsste. Er wurde abgelehnt in einer Wählerbefragung. Aber die Politiker geben nicht auf, wollen ihn in dem Regionalparlament der neuen Region ALCA (Alsace/Lorraine/Champagne Ardennes), das im Dezember gewählt wird, durchsetzen.

Zu den schlimmen lothringischen Erfahrungen gehört die Autobahn A 4 Paris-Straßburg. Eigentlich sollte sie in der Mitte zwischen Metz und Nancy verlaufen. Zum Zeitpunkt der Realisierung waren die Bürgermeister von Metz und Reims beide Minister. Also macht die Autobahn von Paris aus einen Schlenker nach Reims und verläuft im Norden von Metz in Richtung Straßburg. Sinnvoller wäre es tatsächlich gewesen, sie in der Mitte zwischen Metz und Nancy – entlang der Nationalstraße 4 – verlaufen zu lassen.

Tiefgefrorener Kanal

Zu den Projekten, die in Paris ebenfalls tiefgefroren wurden, gehört der Traum von einem Mosel-Saone Kanal. Er würde der Mosel eine neue Bedeutung geben, weil man über sie und den Kanal von der Nordsee bis zum Mittelmeer fahren könnte und Wochen im Wassertransport sparen würde. Nicht aufgeben will André Rossinot, legendärer Bürgermeister von Nancy, ehemaliger Minister für den öffentlichen Dienst und heute noch Vorsitzender des Stadtverbandes Nancy. Er will weiter für das 12 Milliarden-Projekt kämpfen, das für den Süden Lothringens wichtig ist. Das ist typisch. Rossinot kämpft, aber die Region?

Es sind diese Streitereien um die Vormacht in Lothringen, die die Region blockieren und zu sinnlosen Projekten führen. Es ist im Süden, in Nancy und in Epinal in den Vogesen die dauernde Sorge, in irgendeiner Weise benachteiligt zu sein. Während Rennes in der Bretagne die unbestrittene Hauptstadt ist, von der aus die Region geführt wird, oder Nantes an der Loire, oder Bordeaux in Aquitanien, um nur einige Beispiele aufzuzählen, lähmen die Eifersüchteleien zwischen Nancy und Metz die Region. In der Diskussion um die Verkehrsprojekte in Lothringen erzählt der Vizepräsident des Regionalrates, Patrick Hartzig, dass Beobachter meinen, das Mosel-Départmenent sei in der Vergangenheit teilweise bevorteilt worden, um auszugleichen, das es unter preußischen und deutschen Besetzungen in der Vergangenheit gelitten habe.

Ein Gesamtpaket war nötig

Tatsache ist, dass die Abgeordneten aus Lothringens Süden im Regionalrat einer Lösung der Verkehrssituation zwischen Thionville und der luxemburgischen Grenze alleine nie zugestimmt hätten. Lothringen musste daher in Paris ein Gesamtpaket vorlegen, das sowohl die Situation rund um Nancy, als auch die zwischen Nancy und Metz und dann auch die zwischen Thionville und Luxemburg beinhaltet, selbst man nach außen betont, dass „natürlich“ der Norden einen Vorrang genieße. Die Konsequenz aus dieser Gesamtlösung aber ist: Die Kosten liegen bei 1,1 bis 1,4 Milliarden Euro nach heutiger Kostenrechnung. Geld, das niemand hat.

Die Idee, angesichts dieser Kosten eine Zahlstelle einzuführen, ist dabei nicht neu. Sie wurde im vergangenen Jahr in Lothringen bereits diskutiert und regte damals niemanden auf. Der Bürgermeister von Thalange – zugleich Vizepräsident des Regionalrates sagte damals im Gespräch mit Tageblatt Online und dem Tageblatt, dass es Unsinn sei, sich eine Zahlstelle zwischen Metz und Luxemburg vorzustellen bei dem Verkehrsaufkommen, dass dort täglich herrscht. Die heutige Bürgermeisterin von Thionville, Anne Grommerch, meinte damals dass man dazu heute modernere Möglichkeiten habe.

Protest gegen die Zahlstelle

Die Situation hat sich gewandelt. Frankreichs Bürger wenden sich gegen jeden Cent, der auch nur im entferntesten an neue Belastungen durch den Staat erinnert. Die jüngsten Wahlen haben den Sozialisten eine besondere Klatsche verabreicht. Sie regieren nur noch in jedem vierten Département, sind im Mosel-Département bedeutungslos geworden. Die konservative UMP ist im Aufwind. Grommerch hat also keinen Grund, ihre Position von damals aufrecht zu erhalten und protestiert heute scharf gegen eine Zahlstelle. Auch der sozialistische Abgeordnete Michel Liebgott aus dem Wahlkreis Fameck protestiert nun gegen eine Zahlstelle, die ausgerechnet in seinem Wahlkreis errichtet werden könnte. Liebgott und die Sozialisten riskieren viel, erfolgen die Wahlen zum Regionalrat im Dezember doch nach dem Verhältniswahlrecht und die rechtspopulistische Bewegung Front National liegt in Lothringen bei 30 Prozent.

Bei der Regelung der Verkehrsprobleme in Lothringen darf der Blick nach Luxemburg nicht fehlen. Man könne von Belgien aus, über eine Anbindung an Longwy eine Entlastung Luxemburgs vom Lastwagenverkehr erreichen, hatte der Bürgermeister von Halange erzählt und dabei gleich weiter gedacht. Es gebe dabei durchaus ein Stück Luxemburg zu durchqueren, auf das man eine Tankstelle bauen könne. Vizepräsident Hartzig formuliert das anders. Wenn man mit Luxemburg rede, dann stünde immer Europas größte Tankstelle, die Aire de Berchem, im Raum. Und die stünde in Luxemburg nicht zur Diskussion.