Camping vor der Gemeinde Sanem

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Familie Cariage-Thull aus Zolver campiert in ihrem alten Wohnmobil vor der Gemeinde Sanem in Beles. Sie will auf ihre desolate Situation aufmerksam machen.

Es ist Mittwoch, der 1. April 2015. Ein altes Wohnmobil parkt um 9.00 Uhr auf dem Behindertenparkplatz vor der Gemeinde Sanem in Beles. Davor steht ein Plakat mit der Aufschrift „Eng bezuelbar Wunneng! Gerechten a manéierlechen Ëmgang mat manner bemettelte Leit!“ Nein, es ist kein Aprilscherz. Es ist bittere Realität.

Das Plakat am Wohnmobil.

Nachtrag um 17.00 Uhr

Lucien Thull hat bei der Post nachgefragt. Laut seiner Aussage wurde der eingeschriebene Brief an die Mieterkommission (vom 13.05.2013) am 14.05.2013 vom Hausmeister der Gemeinde entgegengenommen. Demnach hat die Mieterkommission – entgegen ihren Aussagen – das Schreiben erhalten.

Um 17.00 Uhr hat Familie Cariage-Thull entschieden, die Aktion abzubrechen und den Nachhauseweg einzuschlagen. „Ohne Strom und Heizung (Gasheizung im Camper ist defekt) können wir hier nicht übernachten“, so Thull.

Im Wohnmobil sitzt Madeleine Cariage-Thull mit ihrem Mann Lucien. Es ist kalt im Camper. „Ich werde nun in der Gemeinde fragen, um Strom zu bekommen, so Frau Cariage gegenüber Tageblatt.lu. „Ich friere.“ Aber zuerst muss ihr Mann ihr helfen, aus dem Wohnmobil auszusteigen. Dies ist nicht so einfach, Frau Cariage ist behindert. Zuerst nimmt sie auf dem Beifahrersitz Platz, dann hievt Lucien sie aus dem Wagen, bevor er sie in den Rollstuhl setzen kann.

„Wir bleiben hier“

„Wir bleiben hier, bis man uns eine Lösung anbietet“, so Frau Cariage. „Wir wollen mit dieser Aktion Aufmerksamkeit erregen.“ Zuhause funktioniere die Heizung schließlich auch nur unregelmäßig. Auch warmes Wasser sei nur sporadisch verfügbar. Das Paar wohnt mit ihren 15-jährigen Zwillingen in einer Mietswohnung in Zolver. Tageblatt.lu hatte bereits Ende Januar über die Situation der Familie berichtet.

Der Vermieter wollte die Familie, so die Aussage von Frau Cariage, loswerden. Mittlerweile hat er die Wohnung verkauft und die Miete wurde drastisch erhöht. Sie beträgt inklusive Nebenkosten etwa drei Viertel des Einkommens. Zwar laufe der Vertrag noch bis Anfang 2016, doch bleiben können sie dort nicht mehr. „Wir können uns das nicht leisten.“

Warten auf Strom

Lucien schiebt seine Frau mit dem Rollstuhl über die Rampe hinein in die Gemeinde. In der Lobby fragt sie nach Strom für das Wohnmobil. Man solle kurz warten. Der Hausmeister kommt. Er könne dies nicht entscheiden. Warten. Die Tür des Seitenflurs öffnet sich. Bürgermeister Georges Engel, Schöffin Simone Asselborn-Bintz und Gemeindesekretärin Manon Greven treten hervor. Frau Cariage erklärt den Grund ihres Besuches. Aufmerksames Zuhören. Die Gemeinde habe ihr nicht geholfen, so der Vorwurf. Sie schildert ihre Situation und ihr weiteres Vorhaben. Der Bürgermeister ergreift das Wort. Er erklärt die Prozeduren und weist darauf hin, dass man diese einhalten müsse. Er habe Verständnis für die Situation der Familie. Dennoch liege nicht alles in der Hand der Gemeinde. Man habe der Familie vor einiger Zeit zwei „avis public“ zukommen lassen, in denen jeweils eine Wohnung für Hilfsbedürftige ausgeschrieben war. Familie Cariage-Thull habe nicht darauf reagiert. Zurzeit seien alle Sozialwohnungen der Gemeinde belegt. Man könne die Bewohner schließlich auch nicht rauswerfen.

Frau Cariage hakt nach. Wohl habe ihr letzter Besuch auf der Gemeinde bereits Aufsehen erregt. Der Bürgermeister habe ihr damals gesagt, er könne ihr nicht helfen. Diese Aussage bestreitet Engel. Es steht Wort gegen Wort. Auch ein von der Familie eingeschriebener Brief an die Mieterkommission, datiert auf den 13. Mai 2013, sei nicht bei der Gemeinde eingegangen. Lucien Thull will nun bei der Post nachfragen.

Kein Camping, kein Bistro

Dann die Frage nach dem Strom. Man könne sie ja schließlich nicht da draußen erfrieren lassen, so Frau Cariage. Georges Engel bleibt hart. „Nein, das können wir nicht tun.“ Sie dürfen mit dem Wohnmobil auf dem Gemeindeparkplatz nur zwei Stunden parken.“ Dies gelte für alle Fahrzeuge. Würde dies jeder so tun, dann hätten wir hier einen Campingplatz vor der Gemeinde, so Engel. „Dann werde ich mich hier drinnen installieren, mit meiner Kaffeemaschine“, so Frau Cariage. „Sie haben ja Steckdosen hier“. „Sie können doch nicht einfach tun, was sie wollen“, ermahnt sie der Bürgermeister. „Wir sind doch hier kein Bistro“.

Das Gespräch in der Gemeindelobby hat mittlerweile einige Zuhörer gewonnen. Die Aktion scheint zumindest die Aufmerksamkeit auf seine Seite gezogen zu haben. Engel, Asselborn-Bintz und Greven verabschieden sich. Lucien Thull schiebt seine Frau über die Rampe wieder zum Wohnwagen. Der Wind hat eines der Plakate umgestoßen. Lucien richtet es auf.