„Erinnerungen fressen mich langsam auf“

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Die Einbruchserie in Luxemburg reißt nicht ab. Täglich flattern neue Meldungen von Einbrüchen auf unseren Redaktionstisch. Die Diebe sind allenthalben unterwegs.

Die Polizei hat die derzeitige Einbruchserie ganz oben auf ihre Prioritätenliste bezüglich Prävention und Repression gesetzt. Seit Tagen sind immer mehr Polizisten auf Streife oder in Lauerstellungen, es regnet Anrufe von besorgten Einwohnern, die verdächtige Fahrzeuge, Personen oder Zeichen auf Bürgersteigen oder Vorgartenmauern gesehen haben.

Informationsabende

Im Rahmen der Einbruch-Prävention organisiert die Polizei eine Reihe von Informationsabenden unter dem Motto: „Loosst Iech informéieren, wéi Dir Iech virun engem Abroch schütze kënnt“:

Diese Informationsabende finden statt:

Am Montag, den 8. Dezember um 19.30 Uhr im „Centre culturel Prince Henri“, 3, route de Diekirch in Walferdingen. Am Dienstag, den 9. Dezember um 19.30 Uhr in der Mehrzweckhalle „Aal Seeërei“, in der rue de l’Industrie in Diekirch.

Am Montag, den 15. Dezember um 20.00 Uhr im Bettemburger Jugendhaus, 37, rue d’Esch.

Am Dienstag, den 16. Dezember um 19.00 Uhr im „Centre Nicolas Braun“, 474, route de Thionville in Hesperingen.

„Wir sind froh über alle Informationen aus der Bevölkerung“, so die Polizei. „Wir brauchen diese Hilfe der Mitbürger, andernfalls können wir nicht rechtzeitig eingreifen.“

In den meisten Fällen, wo die Uniformierten aufkreuzen, ist das Unheil längst passiert. Abgesehen vom Schaden an aufgebrochenen Türen oder Fenstern bleibt den Beamten dann nichts anderes übrig, als die gestohlenen Gegenstände zu notieren. Bilder, Schmuck, Bargeld, Mobiltelefone, Hifi-Anlagen, ja sogar TV-Geräte verschwinden über Nacht, mitten am Tag, während des Urlaubs oder an den Wochenendtagen.

Traumatisches Erlebnis

Der angerichtete Materialschaden und der Wert des Diebesguts ist aber nicht immer das, was am meisten ins Gewicht fällt. Das traumatische Erlebnis, das die Betroffenen hatten, wird in den allermeisten Fällen völlig unterschätzt.

Wir sprachen mit einer Einwohnerin aus dem Norden des Landes, bei der vor rund zwei Jahren eingebrochen wurde und die heute deswegen noch immer in psychologischer Behandlung ist. Wir respektieren ihren ausdrücklichen Wunsch, anonym zu bleiben.

„Ich war damals bei meinen Kindern zu Besuch. Es war ein herrlicher, spätherbstlicher Sonntag. Als ich gegen Abend zurück zu meiner Wohnung kam, bemerkte ich anfangs nichts Außergewöhnliches. Das Schloss der Haustür ließ sich etwas schwerer aufsperren, aber ich dachte in dem Moment nicht im Geringsten daran, dass mich gleich der Schlag treffen sollte“, erzählte die Frau am Mittwoch mit zittriger Stimme.

„Ich rang nach Luft …“

Als sie dann die Wohnung betrat, sah sie aufgerissene Schranktüren, herumliegende Papiere und Gegenstände, und das in jedem Zimmer, das sie betrat. „Ich hatte plötzlich das Gefühl, als würde ich ersticken. Ich rang nach Luft, riss ein Fenster auf, wollte schreien, doch …“

Es dauerte eine gewisse Zeit, bis sich die Frau dazu entschied, die Polizei zu alarmieren. „Warum das so war, weiß ich auch heute noch immer nicht. Ich hatte Angst, hatte aber gleichzeitig das Bedürfnis, alle Räume des Hauses schnellstmöglich zu sehen. Es war … ich finde keine Worte, um es zu beschreiben.“

Dann schilderte uns die Frau ihren ersten Kontakt mit der Polizei. Der erste Satz eines jungen Beamten war: „Gute Frau, Sie haben da aber auch ein Schloss an der Tür, das überhaupt nicht sicher ist.“ Der Frau kamen damals die Tränen, plagte sie doch ab dem Moment der Gedanke, dass sie und sie allein schuld an dem sei, was passiert war.

„Erst die später eintreffenden Polizisten, die auf Spurensuche gingen, hatten tröstende Worte in ihrem Repertoire“, so die Frau.

Das dicke Ende sollte der Frau aber noch bevorstehen. Langsam, aber sicher wurde ihr bewusst, dass jemand (oder mehrere Personen) in ihren Privatsachen herumgewühlt hatte(n). Im Schlafzimmer lagen Kleidungsstücke herum, die von einem Fremden angefasst und dorthin geworfen worden waren. Die Unterwäsche war durchwühlt, aus den Schränken waren Fotoalben herausgerissen worden.

Ekelgefühle

„Mit der Zeit hatte ich Ekelgefühle, wenn ich meine Kleider anfasste, wenn ich ein Glas aus dem Küchenschrank nahm, wenn ich eine Türklinke anfasste, ja sogar wenn ich in einem Sessel Platz nahm. Ich dachte und denke auch heute noch immer daran, dass der oder die Einbrecher alles angefasst haben können, und dieser Gedanke frisst mich regelrecht auf.“

Die Frau ist seit dem Geschehen im Herbst 2012 in psychologischer Behandlung. Nicht nur, dass sie Angst hat, ihre Wohnung trotz in der Zwischenzeit eingebauter Sicherheitstür und Alarmanlage für längere Zeit zu verlassen, sie plagt sich nach wie vor mit dem Gedanken, dass ein Fremder in ihre Wohnung, in ihre Intimsphäre eingebrochen war. „Dieses ekelerregende Gefühl werde ich einfach nicht los.“

„Etwa die Hälfte der Einbruchsopfer erholen sich bald nach dem ersten Schock, wenn sie von der Familie aufgefangen werden“, sagte uns ein Psychologe. Ob jemand langfristig verängstigt ist oder gar an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet, hänge auch von der Persönlichkeit und natürlich auch von dem Umfeld der oder des Betroffenen ab. Ihm sei aus seiner langen Berufszeit ein Fall bekannt, wo ein alleinstehender Mann nach einem Einbruch in seiner Mietwohnung derart psychisch gestört war, dass er sich Monate später das Leben nahm: „Er fand keinen Ausweg aus seiner Situation.“