Postengeschacher um EU-Spitzenjobs

Postengeschacher um EU-Spitzenjobs
(AFP/Archiv)

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Die zweite Runde im europäischen Postenpoker steht noch diese Woche an. Wer wird das neue Gesicht der EU-Außenpolitik und wer wird der neue Ratspräsident? Am Samstag steht ein EU-Gipfel zu den Personalien an.

Meistens lösen sich Probleme zwar nicht von selbst, aber manchmal hilft es ja, etwas Zeit verstreichen zu lassen. Darauf hoffen die Staats- und Regierungschefs der EU, wenn sie sich nach einem gescheiterten Gipfel im Juli am Samstag bei einem Sondertreffen in Brüssel erneut versuchen, den Streit um die Besetzung europäischer Spitzenjobs beizulegen.

Warum ist die Besetzung der Spitzenposten so schwer? Weil die EU nicht nur 28 Mitgliedstaaten mit jeweiligen nationalen und regionalen Interessen hat, sondern die Staats- und Regierungschefs auch verschiedenen politischen Richtungen angehören – und alle aus ihrer Sicht angemessen bedacht werden wollen.

Drahtseilakt

Gesucht wird bei der Vergabe der Spitzenposten eine Balance zwischen Nord und Süd, West und Ost, großen und kleinen Mitgliedstaaten, politischen linken und rechten Kandidaten. Zudem wird mindestens eins der Spitzenämter an eine Frau gehen. Zu guter Letzt sollen die Kandidaten natürlich auch für die zu vergebenden Posten geeignet sein. Ein Teilchen in dem komplizierten europäischen Personalpuzzle ist bereits gesetzt: Der christdemokratische Luxemburger Jean-Claude Juncker wird Präsident der neuen EU-Kommission.

Welche Posten sollen auf dem EU-Gipfel vergeben werden? Erstens wird ein neuer Ratspräsident gesucht. Der Belgier Herman Van Rompuy hat seit Ende 2009 das zuvor neu geschaffene Amt inne. In der Funktion organisierte und leitete der Christdemokrat die EU-Gipfel und lotete vor allem auch während der Schuldenkrise Kompromisse aus – eine wichtige Aufgabe, die Van Rompuy als früherer Regierungschef im chronisch zerstrittenen Belgien meist geräuschlos erledigte, ohne ins Rampenlicht zu drängen. Gerade das dürfte den Staats- und Regierungschefs an dem 66-Jährigen gefallen haben, dessen Mandat am 30. November endet.

EU-Außenminister

Zweitens geht es um den EU-Außenminister. In der EU-Kommission stellt jeder der 28 EU-Staaten einen Vertreter. Besonders begehrt ist der Posten des EU-Außenbeauftragten, den derzeit die Britin Catherine Ashton besetzt. Die medienscheue Sozialdemokratin wurde besonders zu Beginn als zu zögerlich kritisiert. Allerdings ist es auch schwer, eine profilierte europäische Außenpolitik zu repräsentieren, wenn sich die oft mit erheblichem Selbstbewusstsein ausgestatteten Außenminister der Mitgliedstaaten nicht einig sind.

Ist das wichtige Amt vergeben, sollen die übrigen Kommissarsposten unter den EU-Staaten ausgehandelt werden. Wer kann sich Hoffnungen auf eins der Spitzenämter machen? Juncker sieht mindestens drei Anwärter auf die Ashton-Nachfolge: Italiens Außenministerin Federica Mogherini, die derzeitige EU-Kommissarin für internationale Hilfe, die Bulgarin Kristalina Georgieva, und Polens Außenminister Radoslaw Sikorski.

Neuer Ratspräsident

Mogherini wurde noch im Juli von manchen wegen ihrer Unerfahrenheit sehr kritisch gesehen. In Osteuropa wurde zudem befürchtet, die linke Italienerin habe eine zu weiche Haltung gegenüber Russland. EU-Kreisen zufolge dürfte die Italienerin nun aber dennoch das Rennen machen. Können die Linken im Kreis der Staats- und Regierungschefs Mogherini doch nicht durchsetzen, werden sie auf den Posten Van Rompuys pochen. Dann hat die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Dänemarks, Helle Thorning-Schmidt, gute Chancen auf einen Umzug nach Brüssel. Wird Mogherini das neue Gesicht der europäischen Außenpolitik, steigen die Chancen für die osteuropäischen Staaten, den neuen Ratspräsidenten zu stellen. Im Gespräch sind etwa Polens Regierungschef Donald Tusk und der frühere lettische Ministerpräsident Valdis Dombrovskis.