Juncker muss sein Team aufstellen

Juncker muss sein Team aufstellen
(AFP)

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Das Personalkarussell in der EU dreht sich. Wichtige Topjobs müssen neu besetzt werden. Kommissionschef Juncker wird bis Ende August seine Mannschaft bilden.

Eigentlich möchte Jean-Claude Juncker im August eine Woche Urlaub machen. Doch das dürfte schwierig werden. Schon jetzt, Monate vor seinem offiziellen Amtsantritt und mitten in der Brüsseler Sommerpause, arbeitet Juncker häufig in seinem Büro im EU-Kommissionsgebäude. Der 59-Jährige ist „in ständigem Kontakt mit den Regierungen in den EU-Hauptstädten“, sagt seine Sprecherin.

Denn Juncker muss bis Ende August eine denkbar knifflige Aufgabe lösen: Eine schlagkräftige Mannschaft für seine neue EU-Kommission zu schmieden, die im November ihre fünfjährige Amtszeit antreten soll.

Widerstand

Dafür muss der ehemalige Premier und gewiefte Diplomat ein Puzzle mit vielen Teilen lösen. Denn Juncker kann sein Team nicht nach eigenen Vorstellungen, sondern nur auf Basis der Vorschläge der EU-Staaten aufstellen. Diese enthalten eine Menge Konfliktstoff.

So nominierte Italien trotz erheblichen Widerstands aus vielen EU-Staaten seine Außenministerin Federica Mogherini für den Posten der EU-Chefdiplomatin. Schon beim letzten EU-Gipfel Mitte Juli scheiterte Italiens Premier Matteo Renzi mit dieser Personalie. Die litauische Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite brachte die Ablehnung vieler Osteuropäer auf den Punkt: „Wir brauchen jemanden, der Erfahrung in der Außenpolitik hat und der vor allem nicht für den Kreml ist“, lautete ihre resolute Ansage. Denn die 41-Jährige Mogherini gilt als unerfahren und zu russlandfreundlich – ein Unding mitten in der Ukraine-Krise, in der die Europäische Union Russland mit immer neuen Sanktionen belegt.

Gegenkandidaten

Doch Juncker muss bei seinen Entscheidungen nicht nur die Geografie berücksichtigen. Es geht auch um eine Balance zwischen den Geschlechtern und Parteifamilien. Nach den EU-Proporzregeln wäre Mogherini als Frau und Sozialistin durchaus eine ideale Ergänzung zum konservativen Kommissionspräsidenten Juncker.

Und es gibt Gegenkandidaten für den Spitzenjob: Polen schickt seinen Außenminister Radoslaw Sikorski ins Rennen. Bulgarien dürfte seine bisherige EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe, Kristalina Georgiewa nominieren, die in Brüssel einen guten Ruf und auf dem diplomatischen Parkett mehr Erfahrung als die Italienerin hat. Außerdem ist sie eine der von Juncker dringend gesuchten Frauen und würde den Anspruch der Osteuropäer auf einen EU-Topjob erfüllen.

Topposten

Den neuen Chefdiplomaten wollen die Staats- und Regierungschefs beim Sondergipfel am 30. August bestimmen. Ebenso wie den nächsten Gipfelchef, der den Belgier Herman Van Rompuy ablösen soll. Als eine Anwärterin gilt nach wie vor die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt. Zu den Topposten gehört auch ein hauptamtlicher Chef der Euro-Finanzminister – bislang hat der Niederländer Jeroen Dijsselbloem dies als Nebenjob gemacht.

Die Frauenfrage könnte den Amtsantritt der neuen Kommission noch verzögern. Nur sechs EU-Staaten haben weibliche Kandidatinnen vorgeschlagen – viel zu wenig, wie Juncker findet. Der Luxemburger ließ verlauten: Hauptstädte, die Frauen entsendeten, wolle er mit wichtigen Ressorts und Vize-Kommissionschef-Posten belohnen.

Ressorts

Zudem könnte Juncker neue Ressorts schaffen. Laut EU-Diplomaten will er einen Kommissar eigens für Finanzmärkte einsetzen. Dagegen gibt es schon Widerstand aus dem EU-Parlament.

Deutschland schickt den bisherigen EU-Energiekommissar Günther Oettinger erneut nach Brüssel. Als größtes EU-Land verlange Deutschland ein „anderes, zukunftsweisendes Ressort“, sagt ein EU-Diplomat. Etwa die Zuständigkeit für Handel. Damit wäre Oettinger verantwortlich für die schwierigen Verhandlungen zwischen der EU und den USA über die Schaffung der weltweit größten Freihandelszone (TTIP-Abkommen).

Aufschub

Auf Bedenken stößt in Berlin die Nominierung Frankreichs, das auf seinen früheren französischen Finanz- und Wirtschaftsminister Pierre Moscovici setzt. „Es gibt ein Grummeln in Berlin“, sagt ein EU-Diplomat. Denn als Finanzminister verantwortete Moscovici die übermäßigen Haushaltsdefizite Frankreichs und musste in Brüssel um Aufschub bitten, das vorgeschriebene Defizitziel wieder zu erreichen. Dass Moscovici am Ende Wirtschafts- und Währungskommissar wird, gilt schon wegen des deutschen Widerstands als ausgeschlossen.