Das „Nein“ bedeutet keinen „Grexit“

Das „Nein“ bedeutet keinen „Grexit“
(Emilio Morenatti)

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Bei der Abstimmung über die europäische Sparpolitik haben 61 Prozent der Griechen mit „nein“ gestimmt. Sparen, wie es auf Druck der EU geübt wurde, ist „out“ in Griechenland.

Das Nein bedeutet nicht automatisch einen Austritt Griechenlands aus der Europäischen Währung. Die Verträge zur Gründung des Euro sehen weder vor, dass man ein Land aus dem Euro „hinauswerfen“ kann, noch sehen sie vor, dass jemand aus dem Euro austritt. Wenn der griechische Staat in den Konkurs geht – was eine Möglichkeit ist – heißt das nicht, dass Griechenland automatisch aus dem Euro ausscheidet. In Griechenland sind etwa 45 Milliarden Euro im Umlauf.

Will Griechenland aber aus dem Euro ausscheiden, würde das über eine längere Periode gehen. Es gibt keine Druckplatten mehr für das Drucken von Drachmen. Eine neue griechische Währung würde auch sofort um 30 bis 50 Prozent abgewertet werden, damit das Land konkurrenzfähig wird. Aber es macht auch wenig Sinn, Griechenland außerhalb der Eurozone zu sehen, weil die Schulden, die das Land angehäuft hat, weiter in Euro bestehen bleiben.

Die Schulden des Landes werden insgesamt auf gut 316 Milliarden Euro geschätzt. Das bedeutet eine Verschuldung von 180 Prozent des Bruttonationalproduktes. Genauer zu beziffern sind die Schulden Griechenlands gegenüber der EU Kommission, der Europäischen Zentralbank, dem Internationalen Währungsfonds. Es handelt sich um 240 Milliarden Euro. Das ist eine Überschuldung. Wo kommt sie her? Aus einem Leben auf Pump über Jahre hinweg, oftmals durch Auflagen internationaler Organisationen wie die Nato gefördert, einerseits und aus einem Tropf, an den die EU, die EZB, der IWF Griechenland gehängt haben. Der Versuch, die Ausgaben des Landes an seine Möglichkeiten anzupassen, ist gescheitert. Die so genannte Troika aus Vertretern der drei Institutionen ist unsensibel und ohne Verständnis für die kulturellen Eigenschaften des Landes vorgegangen.

Keine Reformen in Hellas

Andererseits hat das Land nicht verstanden, dass es in seiner überschuldeten Situation einen Teil seiner Souveränität – zumindest zeitweise – aufgeben musste. Griechenland hat in den vergangenen fünf Jahren unter den verschiedenen Regierungen keine staatlichen Strukturen reformiert und aufgebaut. Das Steuersystem ist nicht effizient. Ein funktionierendes Katastersystem gibt es nicht. Die griechische Demokratie ist eine Klientel-Demokratie (auch im Altertum schon gewesen), die es auch in der Krise nicht fertigbrachte, große Vermögen zu besteuern und untätig zuschaute, wie griechisches Kapital die Immobilienpreise in München und in Berlin in die Höhe trieb, die Verfassung nicht änderte, damit beispielsweise die Reeder besteuert werden können. Wie hoch das Steuer-Einkommen des griechischen Staates ist, damit das Land seine Bedürfnisse bestimmen und auch finanzieren kann, gehört zu den Geheimnissen Griechenlands.

In der Diskussion um die Schulden Griechenlands hat es drei wesentliche Punkte gegeben:
Die politische Kaste Griechenlands, insbesondere die Politikerdynastien aus Nea Dimokratia und Pasok, hat nie zugegeben, dass die Situation durch jahrelange Misswirtschaft selbst verursacht worden ist. Hier liegt der wesentliche Unterschied zu Portugal, Spanien, Irland, die sich der Situation gestellt haben. Im Gegenteil sind Schuldzuweisungen an Europa erfolgt, Griechenland die Souveränität zu nehmen mit den Auflagen der Troika. Griechenland hat sich von sich aus seiner Situation nicht gestellt.

Geld kam nicht bei den Bürgern an

Der wohl wesentliche Grund für das wirkliche Scheitern der Rettungspolitik liegt aber wohl darin, dass lediglich um die 35 Prozent der zur Verfügung gestellten Gelder bei den Griechen wirklich angekommen sind. Der Rest ging an die Institutionen und an die Banken zur Rückzahlung von Schulden und zu Zinszahlungen zurück. Der entscheidende Denkfehler wurde dabei in Deutschland gemacht: Hier ging man davon aus, dass man in einem Sparprogramm die Ausgaben neu bestimmen könne und das Land mit einem begleitenden Reformprogramm und Staatsbildungsprogramm auf die Beine stellen könne. Das funktioniert in Deutschland. In Griechenland hat es diesen Counterpart nicht gegeben.

Der dritte Bereich ist ein fehlendes wirtschaftliches Aufbauprogramm gewesen. Der Marshallplan für Griechenland hat gefehlt, hätte andererseits auch nicht funktionieren können, weil die staatliche Grundorganisation fehlt.

Von Alexis Tsipras muss in den kommenden Tagen erwartet werden, dass er die Europäer mit Vorschlägen überzeugt, um Griechenland wieder auf die Beine zu stellen. Der Wunsch nach einem Schuldenschnitt dürfte zu wenig sein. Den hat es –ohne großen Erfolg – schon 2011 als die Banken und Versicherungen auf 100 Milliarden Euro verzichtet haben.

Mehr dazu:

Dossier: Griechenland in Not