„Das ist finanzpolitische Schulmeisterei“

„Das ist finanzpolitische Schulmeisterei“
(Fpizzolante)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Außenminister Jean Asselborn kritisiert Deutschlands harte Haltung gegen die EU-Pläne den Stabilitätspakt wegen der Flüchtlingskrise aufzuweichen.

Im September machte Premierminister Xavier Bettel (DP) den Vorschlag, die Schuldenregeln in der EU zu lockern (Link). So sollten die Ausgaben für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen beim Staatsdefizit angerechnet werden können. Dadurch bekämen die Länder mehr Spielraum, um ihre mittelfristigen Haushaltsziele zu erreichen. Laut dem Maastricht-Vertrag darf das gesamtstaatliche Defizit eines Staats drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht überschreiten.

Deutschland wehrt sich gegen die EU-Pläne. Außenminister Jean Asselborn (LSAP)f indet das uneuropäisch – und mahnt „mehr Einfühlungsvermögen“ an, schreibt am Dienstag „Spiegel Online“. Das strikte Festhalten Deutschlands am Stabilitätspakt sei angesichts der Jahrhundertaufgabe der Flüchtlingskrise „unangemessen“, zitiert das Nachrichtenmagazin Asselborn.

„Sonderausgaben“

Viele Mitgliedstaaten würden Hunderte Millionen Euro aufwenden, um die Flüchtlinge unterzubringen und zu integrieren. „Das sind unvorhersehbare Belastungen, die als Sonderausgaben gelten müssen und nicht in die Berechnung des Maastricht-Defizits einfließen dürfen“, sagte Asselborn weiter.

Der Außenminister betont gegen über „Spiegel Online“: “ Die Frage der Defizitberechnung habe in den Verhandlungen über eine europäische Flüchtlingsquote eine entscheidende Rolle gespielt. Viele Länder hätten am 22. September auch deshalb für die Verteilung von Flüchtlingen gestimmt, weil ihnen in Aussicht gestellt worden war, dass ihnen durch die finanziellen Mehrbelastungen kein Defizitverfahren drohe.“

„Aufweichung“

Asselborn wirft Deutschland „finanzpolitische Schulmeisterei“ vor. „Heute, wo Deutschland praktisch als einziges Land schwarze Zahlen schreibt, sollte Berlin etwas mehr Verständnis für die Nöte der anderen Mitgliedstaaten aufbringen,“ betonte Asselborn.

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble ist für eine Berücksichtigung von Kosten der Flüchtlingskrise bei der Berechnung der EU-Haushaltsdefizite offen. Er bleibe zwar bei seiner Position. Hohe Flüchtlingskosten werden nach seiner Einschätzung nicht zu einer Aufweichung des Euro-Stabilitätspaktes führen. Es gibt keinen Grund, die Regeln zu ändern“, sagte Schäuble. Mit Blick auf die Debatte um eine mögliche Aufweichung des Paktes fügte er hinzu: „Nach den Beratungen sehe ich die Gefahr nicht mehr.“ Das Thema scheine „ganz gut erledigt zu sein“.

„Währungsunion“

Schäuble warnte vor Trittbrettfahrern: Es sei „etwas merkwürdig“, wenn Länder, „die sich in der Flüchtlingsfrage noch gar nicht besonders engagiert haben“, nun glaubten, die geltenden Regeln des Paktes könnten aufgeweicht werden.

Auch Belgien warnte vor einer Aufweichung der Defizitregeln: „Wir sollten sehr vorsichtig dabei sein, den Stabilitäts- und Wachstumspakt immer anzupassen, wenn etwas passiert“, sagte der belgische Finanzminister Johan van Overtveldt. „Es passiert immer etwas in der Welt, und der Stabilitätspakt ist ein sehr integraler Bestandteil der Währungsunion.“

EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Pierre Moscovici will sich dafür einsetzen, eine höhere Verschuldung von Mitgliedstaaten aufgrund der aktuellen Flüchtlingskrise nicht als Verstoß gegen den Stabilitätspakt zu werten. Vielmehr sollten die Kosten, die wegen der Flüchtlingskrise auf die EU-Mitgliedsländer zukommen, als besondere Investitionen verbucht und damit nicht auf die Schulden angerechnet werden, sagte Moscovici vergangene Woche der „Süddeutschen Zeitung“

Lesen Sie auch:

Tusk fordert Sicherung der EU-Außengrenzen


EU-Staaten wollen Schulden-Lockerung