„Der Ruf, den Luxemburg sich erworben hat“

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Fragen und Antworten in einem E-Mail-Austauschzu „LuxLeaks“ zwischen Tageblatt und Süddeutscher Zeitung zeigen ein erstaunliches Verständnis vom Umgang mit Luxemburg und mit gestohlenen Unterlagen.

Die in München erscheinende überregionale deutsche Tageszeitung gibt zu, sich in der Affäre LuxLeaks nur auf Luxemburg konzentriert zu haben.

Das Tageblatt hatte in einer Mail Fragen an den Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung gestellt. Kurt Kister gab die Fragen zur Beantwortung an den zuständigen Redakteur Bastian Obermayer weiter, der die Recherchen zu LuxLeaks in der Recherche-Redaktion der Zeitung geleitet hatte. Man habe sich auf Luxemburg konzentriert, weil man dazu Unterlagen zur Verfügung gehabt habe und „Luxemburg sich obendrein, wie soll ich sagen, einen gewissen Ruf erarbeitet hatte“, schreibt Obermayer in seiner Antwort.

Dazu passt, dass die Zeitung die Festnahme des Datendiebes von PwC ausblendet wie auch die Maßnahmen der luxemburgischen Regierung zu Veränderungen in den luxemburgischen Tax-Ruling-Regeln zunächst nur als „Vorhaben“ bezeichnet.

Die Süddeutsche Zeitung gibt indirekt zu, dass sie sich gar nicht mit dem Problem der Steuervermeidung von Konzernen in Europa oder weltweit auseinandergesetzt hat. Die Tatsache, dass 23 von 28 EU-Ländern Tax Ruling praktizieren, hat die Zeitung nicht interessiert.

Die Recherche-Redaktion hat sich einzig auf Luxemburg konzentriert, weil sie dazu Unterlagen vorliegen hatte.

Keine Recherchen zu Tax-Ruling in Deutschland

Auch Recherchen zur Tax-Ruling-Praxis in Deutschland, also in dem Land, in dem die Zeitung die Oberfinanzdirektion München und den Siemens-Konzern für eine entsprechende Recherche vor der Tür hat, wurden nicht durchgeführt.

Trotz der vorliegenden Unterlagen ist der Zeitung z.B. entgangen, dass auch der belgische Telefonie-Konzern Belgacom ein Tax-Ruling-Abkommen in Luxemburg unterzeichnete. Das Pikante daran: Belgacom gehört zu 56 Prozent dem belgischen Königreich. Es gibt zudem weitere Ungereimtheiten, u.a. folgende: Das Beratungsunternehmen Deloitte in Luxemburg wurde zwar als neues Fallbeispiel im Rahmen von LuxLeaks 2 von der Süddeutschen zitiert, bestreitet aber auf Tageblatt-Anfrage strikt, betroffen zu sein.

In der europäischen Gesamt-Berichtberichterstattung fällt weiter auf, dass nicht nur die Süddeutsche Zeitung Deutschland schont, sondern der britische Guardian (Anglo-Normannische Inseln) oder die französische Zeitung Le Monde (Inseln im Pazifischen und Atlantischen Ozean) auf Frankreich nicht eingehen.

Keine Recherchen im eigenen Land

Insgesamt recherchiert keine der „investigativ“ tätigen Zeitungen im eigenen Land. Aber alle stürzen sich auf Luxemburg. Etwas weiter weg, in den USA, wo im Staat Delaware eine einzige Kanzlei nach Angaben der luxemburgischen Tageszeitung Journal 200.000 Firmen betreut, finden zu Tax Rulings von keinem Medium Untersuchungen statt.

Dass schließlich der letzte G20-Gipfel in Melbourne das Thema ausgeblendet hatte, weil Großbritannien klar dagegen war und US-Präsident Obama aus gutem Grund kein Interesse daran hatte, blendet Obermayer ebenfalls aus. Diese Bereiche passen nicht in das Thema.

Das Thema der Steuerkonstruktion lag seit Monaten in der Luft, und die gestohlenen Luxemburg-Unterlagen lagen auf dem Tisch. Da andererseits die Süddeutsche Zeitung schon in der Vergangenheit beim Kauf von Steuerdisketten ihr gespaltenes Verhältnis zu Luxemburg als „Steuerparadies“ auslebte, blieb sie nun ihrer Linie treu.

Die Kulissen des Datendiebstahls

Der Leiter der LuxLeaks-Recherche wehrt sich gleichwohl dagegen, dass es sich lediglich um eine Auswertung von angelieferten Unterlagen handele. Man habe sich schließlich auch um Unterlagen von E.on bemüht. Die hätte ein Wirtschaftskorrespondent der Süddeutschen Zeitung in Düsseldorf allerdings relativ problemlos vom Konzern selbst oder durch Studium der Geschäftsberichte erhalten können.

Obermayer macht dem Tageblatt dann allerdings das Angebot, der Süddeutschen Zeitung entsprechende internationale Informationen zu überlassen. Man werde sich dann darum kümmern.

Er deckt damit auf, was „investigativer“ Journalismus seinem Verständnis nach ist: Man überlasse der SZ Unterlagen. Die Münchner Zeitung veröffentlicht dies dann. Wenn man die Süddeutsche Zeitung ist, muss man sich offensichtlich nicht mehr selber bemühen.

Informantenschutz

Die Bayern antworten auf zahlreiche Fragen nicht und nehmen Informantenschutz für sich in Anspruch. Den hatte das Tageblatt zwar angeboten, aber Obermayer hatte ihn abgelehnt.

Informantenschutz bedeutet sowohl nach deutschem als auch nach luxemburgischem Verständnis nicht, dass man auf Fragen nicht antwortet, sondern dass Journalisten denjenigen, der ihnen Informationen gibt, nicht nennen und ihn schützen. Diesen Schutz hatte Obermayer ausdrücklich zurückgewiesen. Antworten auf Fragen, was die Redaktion wusste, gibt es dennoch nicht, oder Obermayer redet drum herum.

Die LuxLeaks-Geschichte gibt in Steuerfragen seit Jahren erstmals Gelegenheit, hinter die Kulisse des Datendiebstahls und der Verbreitung gestohlener Unterlagen zu schauen.

Die Strafanzeige von PwC öffnet der luxemburgischen Justiz die Möglichkeit, mit Rechtshilfe-Ersuchen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und sogar in den USA Nachforschungen anzustellen.

Es ist davon auszugehen, dass der Prozess gegen den französischen Ex-Mitarbeiter von PwC den Hintergrund dieses Datenhandels ausleuchten wird. Europa sei Dank, ist Frankreich verpflichtet, seinen Staatsbürger der luxemburgischen Justiz zur Verfügung zu stellen.

Auch der Regulator CSSF wird sich mit den Diebstählen beschäftigen müssen. Die CSSF ist die Aufsichtsinstanz. Sie wird sich mit den Beratungsgesellschaften wohl intensiv über die Sicherheit und über Diebstähle unterhalten. Da die Unternehmen international arbeiten, wird auch die luxemburgische Aufsichtsbehörde international arbeiten müssen. Auf PwC, EY, Deloitte, Atoz, Loyens & Loeff kommen, egal ob betroffen oder nicht, interessante Gespräche mit der Aufsichtsbehörde zu. LuxLeaks ist für richtige investigative Journalisten ein Füllhorn, aus dem nun die Informationen über den Hintergrund der Geschichte zu schütteln sind.

Helmut Wyrwich

Das Gespräch mit Bastian Obermayer, LuxLeaks-Koordinator bei der SZ in der Print-Ausgabe des Tageblatt oder als epaper.