„Niemand kann Botschaft ignorieren“

„Niemand kann Botschaft ignorieren“
(AFP/Andreas Solaro)

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Seit Sonntagmorgen stimmen die Griechen in einem Referendum über die Sparpolitik ab. Der Ausgang der Abstimmung ist noch völlig offen.

Tag der Entscheidung in Griechenland: Die Bürger des hochverschuldeten Eurolandes haben am Sonntag über die Vorschläge der internationalen Geldgeber abgestimmt. Ministerpräsident Alexis Tsipras betonte bei der Stimmabgabe die Bedeutung der von ihm überraschend angesetzten Volksabstimmung für die Zukunft des Landes.

Letzten Umfragen zufolge lagen Befürworter und Gegner der Sparvorschläge praktisch gleichauf. „Niemand kann die Botschaft der Entschlossenheit eines Volkes ignorieren, sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen“, sagte Tsipras, als er am Vormittag seine Stimme in einer Schule seines Wohnviertels Kipseli im Norden der griechischen Hauptstadt abgab. Die Stimmlokale sind bis 18.00 Uhr MESZ geöffnet, erste Ergebnisse werden gegen 20.00 Uhr erwartet.

Tsipras sprach von einem „Festtag“, da „die Demokratie Freude ist und es eine Befreiung ist, wenn sie die Angst besiegt“. „Das Volk wird nicht nur die Botschaft senden, dass es in Europa bleibt, sondern auch, dass es in Würde leben will“, sagte der linke Politiker. Am Montag werde „ein neues Kapitel für Europa beginnen“, versprach Tsipras, der mit einem Nein-Votum gestärkt zurück in die Verhandlungen mit den Geldgebern über weitere Finanzhilfen gehen will.

„Nein, besser für das Land“

„Ich stimme mit Nein, weil ich denke, dass das besser für das Land ist“, sagte der 80-jährige Michelis vor einem Wahllokal in Athen. „Wenn wir mit Nein stimmen, nehmen sie uns ernster.“ Die 61-jährige frühere Journalistin Theodora sagte dagegen, sie stimme mit Ja, weil dies ein „Ja zur Europäischen Union“ sei. Letzten Umfragen zufolge war das Land von elf Millionen Einwohnern praktisch gleichmäßig geteilt zwischen Anhängern des Nein und des Ja.

In Athen waren einige Wähler bis zur Stimmabgabe aber noch unentschieden. „Normalerweise weiß ich immer genau, wie ich wähle, aber momentan ist es so schwierig. Wir haben Angst (Link). Ich weiß nicht, wie ich mich entscheiden soll“, sagte eine Anhängerin der Regierungspartei Syriza. Die Bürger des Eurolandes sollten entscheiden, ob sie im Gegenzug für die Fortsetzung der Finanzhilfen der internationalen Geldgeber deren Spar- und Reformauflagen annehmen. Vielen Griechen gilt das Referendum als Abstimmung über den Verbleib in der Eurozone.

Parallelwährung ist Austritt aus dem Euro

Mehrere europäische Politiker warnten, dass ein Nein eine Absage an die Mitgliedschaft im Euro wäre. Ein Ausschluss aus der gemeinsamen Währung ist nicht möglich, doch könnte Athen ohne weitere Hilfen bald das Geld ausgehen und es gezwungen sein, eine Parallelwährung einzuführen. „In dem Moment, wo jemand eine neue Währung einführt, tritt er aus der Eurozone aus“, warnte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz im Deutschlandfunk. Sollte die Volksbefragung negativ ausfallen, sei damit auch der Rahmen für die Schuldenbewirtschaftung und den Aufbau des Landes entzogen, sagte Schulz.

Vorwürfe, die Geldgeber seien Athen nicht weit genug entgegengekommen, wies Schulz als Versuch der „Legendenbildung“ zurück. Der griechische Finanzminister Giannis Varoufakis hatte den Geldgebern am Samstag vorgeworfen, sein Land zu terrorisieren. „Was sie mit Griechenland machen, hat einen Namen – Terrorismus“ (Link), sagte Varoufakis der spanischen Zeitung „El Mundo“. „Warum haben sie uns gezwungen, die Banken zu schließen? Um Angst unter den Leuten zu schüren.“ Die Geldgeber wollten, dass das Ja gewinne, „damit sie die Griechen weiter erniedrigen können“, sagte Varoufakis.

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