Ein nicht-präsidialer Präsident

Ein nicht-präsidialer Präsident
(dpa)

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Der französischer Präsident Sarkozy ist eine Kämpfernatur. Der Einwanderersohn war schon mit 28 Jahren Bürgermeister. Eine Karriere.

Im Februar 2007 waren Millionen Franzosen überzeugt: Mit Nicolas Sarkozy kommt der Neuanfang. Er kann die chronisch hohe Arbeitslosigkeit beenden und der Grande Nation ihren Stolz zurückgeben. Doch bereits wenige Stunden nach seinem Wahlerfolg am 6. Mai setzte bei vielen Ernüchterung ein. Sarkozy feierte seinen Sieg mit Unternehmensbossen und Popstars in einem protzigen Nachtclub und schlug in der Folge auch als Präsident einen Ton an, der vielen seiner Landsleuten als prahlerisch und impulsiv, teilweise sogar vulgär vorkam.

Nun gilt er als der unpopulärste Präsident Frankreichs. In Umfragen lag er zum Teil deutlich hinter seinem sozialistischen Herausforderer Francois Hollande. Dabei liegen die umstrittensten Episoden seiner Amtszeit bereits Jahre zurück: Seine Vorliebe für auffällige Uhren und Jachten, sein öffentliches Werben um Carla Bruni, der Versuch, seinem Sohn einen lukrativen Job in einem öffentlichen Unternehmen zuzuschustern und die Beschimpfung eines Mannes, der ihm nicht die Hand geben wollte, mit den Worten „Hau ab, Du Arschloch“. Seither hat er sich darum bemüht, den Eindruck des ungeduldigen, aufdringlichen, zappeligen und groben Mannes zu korrigieren.

Geschwächte Wirtschaft

Als Sarkozy das Ruder übernahm, versprach er, den Stillstand seines Vorgängers Jacques Chirac zu beenden. Unter dem Slogan „Mehr arbeiten, mehr verdienen“, gelobte er, bis zum Ende seiner Amtszeit die Vollbeschäftigung wiederherzustellen und die Kaufkraft zu erhöhen. Bei seiner Wahl lag das französische Wirtschaftswachstum bei 2,1 Prozent, die Arbeitslosenquote bei acht Prozent. Derzeit stagniert die Wirtschaft und die Arbeitslosigkeit ist auf ein Zwölfjahreshoch von 9,3 Prozent geklettert. Gegen den Widerstand der Straße setzte Sarkozy die Rentenreform durch und senkte die Steuern vor allem für Wohlhabende sowie für die Stunden, die jenseits der 35-Wochen-Stunde geleistet werden.

Gelobt wurde er für seine Rolle in der Finanzkrise 2008, zugleich ließ er die Staatsschulden weiter wachsen, so dass Frankreich im vergangenen Monat erstmals sein AAA-Kreditrating verlor. „Es war eine Riesenfehler zu glauben, er könne die Krise mit der Erhöhung der Staatsschulden bewältigen“, sagt Jacques Attali, der als Berater sozialistischer Regierungen aber auch für Sarkozy tätig war.

Rastlos und Ungeduldig

Neben den schwachen Wirtschaftsdaten dürfte Sarkozys Wiederwahl vor allem sein persönlicher Stil im Wege stehen. Die Autorin Yasmina Reza, die den 2007er Wahlkampf verfolgte und eine Charakterstudie von Sarkozy veröffentlichte, bemerkt vor allem eine fast schon kindliche Rastlosigkeit. Er schlinge die Mahlzeiten herunter, snacke sich durch den Tag, könne nicht allein sein und sei besessen von der Frage „Haben Sie mich gesehen? War ich ok?“ Sarkozy weiche einfach von der Norm französischer Präsidenten ab, sagt Reza. Er sei überheblich, sentimental, körperlich, scharfzüngig und ungeduldig. Er hasse Eisenbahnfahren und ziehe die Stadt dem Land vor.

Hinzu kamen Details aus Sarkozys Privatleben: Er litt sichtbar darunter, als er von Frau Cecilia verlassen wurde. Paparazzi verfolgten ihn, als er seine neue Flamme, Model und Sängerin Carla Bruni, ins Disneyland ausführte – für viele Franzosen eine Geschmacksverirrung schlechthin. Auch Fotos, die ihn mit klobiger Uhr und offenem Hemd beim Flanieren zeigten, entsprachen nicht dem Bild, das viele Franzosen von einem Präsidenten haben. Schnell machte das böse Wort vom Präsidenten „Bling bling“ die Runde, einem Staatsoberhaupt des Glamour, Glitzer und Neureichentums. Binnen eines Jahres nach seiner Wahl hatten zwei Drittel der Wähler eine schlechte Meinung von Sarkozy.

Art und Ton gemildert

Doch ausgerechnet die schillernde Carla Bruni hat Sarkozys Art und Ton gemildert. Der Präsident gibt sich nun präsidialer: Brunis Schwangerschaft im vergangenen Jahr fand weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Und ihr gelang es ganz offensichtlich, Sarkozy an klassische Literatur und den Film heranzuführen. Der Alkoholgegner ernährt sich jetzt auch gesünder und meidet Fast Food.

„Den Zauber von 2007 wird er nicht mehr schaffen“, sagt der langjährige Sarkozy-Berater Alain Minc. „Aber er kann sagen, er könne Frankreich aus der Krise führen, wogegen Hollande uns binnen zwei Jahren an die Wand fährt.“