Belauschtes Telefonat beweist Schuld

Belauschtes Telefonat beweist Schuld
(dpa)

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Von amerikanischen Geheimdiensten abgehörte Telefongespräche beweisen, dass das Regime angegriffen hat. Doch sie offenbaren auch chaotische Zustände in der Führung.

Amerikanische Geheimdienste haben Telefonate in Syrien abgehört, in denen nervöse Stimmen aus dem Verteidigungsministerium Antworten von einer Chemiewaffen-Einheit forderten, was da eben passiert sei. Die Telefonate fanden in den Stunden nach dem Chemiewaffen-Angriff von vergangenem Mittwoch statt. Dies vermeldete Foreign Policy gestern Abend auf ihrer Homepage. Die Aufzeichnungen seien der Hauptgrund, weshalb die USA davon ausgeht, der Angriff sei von Seiten des Regimes gestartet worden.

Foreign Policy wirft im Artikel die Frage nach der Schuldfähigkeit auf. Der Angriff könne von ganz oben, wie auch von einem einzelnen Offizier befehligt worden sein, der seine Kompetenzen überschritten hatte. Ein UNO-Vertreter ist derweilen überzeugt, Assads Bruder Maher al-Assad habe die Order zum Einsatz der Chemie-Waffen gegeben. Der Angriff droht für Assad zu einem grossen strategischen Desaster zu werden. Foreign Policy zitiert einen US-Geheimdienstler mit den Worten: „Wir wissen nicht, wieso es (der Angriff) geschah. Wir wissen nur, es war bescheuert.“

UNO will mehr Zeit

Im Syrien-Konflikt verdichten sich die Anzeichen, dass ein Militärschlag gegen die Führung in Damaskus nicht unmittelbar bevorsteht. Die Bemühungen, einen internationalen Konsens unter Federführung des UN-Sicherheitsrats herzustellen, liefen am Mittwoch auf Hochtouren. Russland pocht jedoch darauf, dass das Gremium zunächst den Bericht der UN-Waffeninspektoren abwartet. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon erklärte zugleich, diese bräuchten noch vier Tage, um ihre Untersuchungen über den vermuteten Einsatz von Chemiewaffen abzuschließen. Aus Angst vor Angriffen des Westens deckten sich die Bewohner von Damaskus bereits mit dem Nötigsten ein, viele bereiteten ihre Flucht vor.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow nannte den britischen Vorstoß für eine UN-Resolution gegen Syrien verfrüht. Der Sicherheitsrat solle nicht über den Entwurf aus London beraten, bevor die UN-Inspektoren über ihre Erkenntnisse aus Syrien berichtet hätten. Seit Beginn des Konflikts im Jahr 2011 hat Russland zusammen mit China bereits drei Mal eine Syrien-Resolution per Veto zu Fall gebracht. Zu den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats gehören außerdem die USA, Großbritannien und Frankreich.

Nato meldet sich zu Wort

Die USA betonten, die syrische Regierung dürfe sich nicht hinter dem Widerstand Russlands verstecken. Die USA würden eine Entscheidung über ein angemessenes Vorgehen fällen, sagte ein Sprecher des Washingtoner Außenministeriums am Mittwoch. Die Vereinigten Staaten erwägen Angriffe mit Marschflugkörpern gegen syrische Ziele. Es gilt aber als wahrscheinlich, dass sie einen Militärschlag mit Großbritannien und Frankreich abstimmen. Zudem fordern viele westliche Staaten UN-Beratungen im Vorfeld.

Auch die Nato-Botschafter sprachen von einem inakzeptablen Einsatz chemischer Waffen, der nicht unbeantwortet bleiben dürfe. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen erklärte, mehrere Quellen stimmten darin überein, dass der Gasangriff von Assads Truppen ausgeführt worden sei.

Syrisches Regime will sich wehren

Am Dienstag hatten mehrere Hinweise auf einen unmittelbar bevorstehenden Militärschlag hingedeutet. Die syrische Regierung kündigte an, sich gegen einen Militärschlag zu wehren. „Wir haben die Möglichkeiten, uns zu verteidigen“, sagte Außenminister Walid al-Mualem. „Wir werden nicht zögern, alle möglichen Mittel einzusetzen.“

Auch vor den UN ging Syrien in die Offensive: UN-Botschafter Baschar Dschaafari warf seinerseits den Rebellen in seinem Land vor, Giftgasangriffe verübt zu haben. Er habe UN-Generalsekretär Ban aufgefordert, die Waffenkontrolleure diese Vorfälle untersuchen zu lassen. Derzeit befinden sich UN-Chemiewaffenexperten in Damaskus, um den mutmaßlichen Angriff zu untersuchen, bei dem am Mittwoch vergangener Woche nach Rebellenangaben Hunderte Menschen starben.

Zahlreiche Syrer flüchten

Am Mittwoch mehrten sich in Syrien die Hinweise, dass die Armee in Erwartung eines Angriffs wichtige militärische Einrichtungen verlegt und Stellungen räumt. Anwohner und Rebellen berichteten, das Gebäude des Generalstabes in Damaskus sei teilweise evakuiert worden. Auch aus dem Gebäude des Luftwaffenkommandos und von Sicherheitseinrichtungen sollen Mitarbeiter abgezogen worden sein.

Viele Einwohner von Damaskus deckten sich unterdessen mit dem Nötigsten ein, weil sie bei einem Militärschlag Versorgungsengpässe fürchten. Batterien. Trinkwasser, Brot und Konserven gehören zu den Vorräten, die die Menschen in der Metropole anlegen, wo viele militärische Einrichtungen mitten in Wohngebieten liegen. An Geldautomaten bildeten sich lange Schlagen. Vor allem in Vororten, in denen es besonders viele Militäreinrichtungen und Waffenlager der Regierungstruppen gibt, packten die Menschen ihre Habseligkeiten und suchten nach Unterkünften in sichereren Wohngebieten.