Das „Versehen“ wiegt schwer

Das „Versehen“ wiegt schwer
(dpa)

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Drei Wochen lang hörte der Geheimdienst in Luxemburg illegal eine Telefonverbindung ab. Die Regierung beschwichtigt und spricht in dem Fall von einem "Versehen". War ein ausländischer Dienst an der Operation beteiligt?

„Bei den Prozeduren für eine Abhörmaßnahme wurde eine Etappe übersprungen“, erklärte Vizepremier Etienne Schneider (LSAP) auf Tageblatt-Nachfrage am Montag. Er befindet sich gerade auf einer Wirtschaftsmission in der Türkei. Er sieht hinter der aktuellen Affäre keine politische Motivation.

Am Samstag veröffentlichte das Tageblatt die „faute grave“ (Link) beim Geheimdienst. Am Sonntag reagierte die Regierung in einer Mitteilung und bestätigte die Affäre um einen illegalen Lauschangriff. Sie sprach von einem „Versehen“ (Link) bei den Prozeduren.

Strenge Prozeduren

Nach Tageblatt-Information ist so ein „Versehen“ im SREL eigentlich unmöglich. Abhören ist ein besonders sensibler Bereich in einem Geheimdienst. Gerade bei der Anfrage für eine solche Maßnahme gibt es einen besonders strengen juristischen Kader und einen genau festgelegten sowie kontrollierten Ablauf.

Alle drei Monate trifft sich die Direktion mit der Staatsanwaltschaft und holt sich grünes Licht für Abhörmaßnahmen. Zuletzt geschehen Anfang Januar. Zunächst wird für eine Abhörmaßnahme schriftlich ein Auftrag festgelegt. Der Chef für die Operationen im Geheimdienst muss sein Anliegen beim Direktor vorbringen und genau begründen.

Vertrauen erschüttert

Anschließend klopft die juristische Abteilung im Dienst die Anfrage ab. Gibt es dort keine Bedenken, legt der Direktor – in dem Fall Doris Woltz – oder ihr Vize den Auftrag einem Spezialgremium vor. Die drei ranghöchsten Richter, unabhängig von der Justiz, überprüfen die SREL-Anfrage zur Genehmigung einer Abhörmaßnahme. Der Premierminister wird darüber informiert. Er gibt am Ende die Genehmigung frei oder auch nicht.

Nach der Geheimdienstaffäre im Jahr 2012/2013 war das Vertrauen in den SREL im In- und Ausland schwer erschüttert. Der ehemalige Direktor Patrick Heck war um Schadensbegrenzung bemüht. Er musste sich in zahlreichen parlamentarischen Ausschüssen erklären. Im Dienst in der Escher Straße in Luxemburg-Stadt war Wundenlecken angesagt.

Die Schublade

Anfang 2016 übernahm die beigeordnete Staatsanwältin Doris Woltz den Direktionsposten im Geheimdienst. Ihr Auftrag: für Ordnung sorgen und die juristischen Zügel fest anziehen. Sie war leitende Staatsanwältin in der SREL-Affäre. Sie leitete das Strafverfahren in dem Skandal um den abgehörten Premierminister Jean-Claude Juncker ein.

Jetzt wird der Geheimdienst erneut von einer illegalen Abhöroperation gebeutelt. Es handelt sich dabei um eine laufende Operation. Sie sollte verlängert werden. Nach Tageblatt-Informationen blieb aber der Antrag für den Erfassungsauftrag für die Lauschoperation in der Schublade bei der Operationschefin T. liegen, verließ also nie das Büro. Die Operation nahm trotzdem ihren Lauf. Drei Wochen lang wurde abgehört – eine lange Zeit. Erst vor wenigen Tagen fiel die Panne im Dienst auf.

Die Zielperson

Nach einer Krisensitzung, an der auch ein hoher Beamter aus dem Staatsministerium teilnahm, wurde gegen die Operationschefin eine „faute grave“ ausgesprochen. Sie wurde von ihrem Posten enthoben und in eine andere Abteilung strafversetzt. Die Kontrollkommission des Geheimdienstes sowie Premierminister Xavier Bettel wurden informiert.

Wer wurde da eigentlich belauscht? Darüber zerbricht sich nach der Veröffentlichung der Affäre das ganze Land den Kopf. Diese Information wird aus verständlichen Gründen im Dienst wie ein Schatz gehütet. Nach Tageblatt-Informationen könnte es sich um eine Gegenspionage-Operation handeln. In dem Fall wäre ein weiterer Geheimdienst an dem Lauschangriff beteiligt. Will heißen, der SREL hat eine(n) Tipp/Anfrage eines ausländischen Dienstes erhalten.

Opposition fordert Antworten

Die ganze Affäre ist jetzt natürlich ein gefundenes Fressen für die Opposition. Die CSV will Antworten von Premierminister Xavier Bettel und SREL-Direktorin Doris Woltz. Die Partei hat am Montag um einen Termin in der zuständigen parlamentarischen Kommission gebeten. Hier stellt sich auch die Frage, was der Präsident der Kontrollkommission des Geheimdienstes, Claude Wiseler (CSV), weiß. Wiseler ist per Gesetz verpflichtet, in seiner Funktion als Überwachungsorgan über den Geheimdienst in der Öffentlichkeit zu schweigen.