Wie bittet man Cameron zum Ausgang?

Wie bittet man Cameron zum Ausgang?
(AFP/Justin Tallis)

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Bis zum Brexit ist es noch ein weiter Weg. Brüssel möchte ihn schnell gehen, Berlin bremst. Selbst über den Austritts-Antrag gibt es schon Streit

Schnell oder langsam, hart oder soft: Es gibt viele Möglichkeiten, die Briten aus der EU zu entlassen. Der viel zitierte Artikel 50 des Lissabon-Vertrags, der jetzt zum ersten Mal eingesetzt wird, setzt nur den rechtlichen Rahmen.

„Ein Mitgliedstaat, der auszutreten beschließt, teilt dem Europäischen Rat (EU-Gipfel) seine Absicht mit“, heißt es da. Danach beginnen die Verhandlungen über ein Austrittsabkommen. Sobald man sich geeinigt hat, spätestens aber nach zwei Jahren, sind die Briten raus.

Spiel auf Zeit

Wann der Antrag gestellt werden muss, und wie er aussehen soll, steht nicht im EU-Vertrag. Und genau über diese beiden Punkte gibt es schon politischen Streit. Er birgt fast so viel Sprengstoff wie der Brexit selbst.

Denn der britische Noch-Premier David Cameron spielt auf Zeit: Er habe nicht die Absicht, beim EU-Gipfel am kommenden Dienstag den Austritts-Antrag zu stellen, sagte er. Offenbar will Cameron diese undankbare Aufgabe seinem Nachfolger überlassen, der aber erst im Herbst ernannt werden soll.

Ärger über Cameron

Demgegenüber fordert Brüssel, jetzt keine Zeit zu verlieren. „Ich hätte den Austrittsbrief gern sofort“, sagte Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Ziel sei eine “möglichst schnelle und einvernehmliche Scheidung”, meint der Chef der Liberalen im EU-Parlament, Belgiens Ex-Premier Guy Verhofstadt.

Dahinter steckt nicht nur der Ärger über Cameron, der nach Ansicht vieler EU-Politiker ganz Europa „verzockt“ hat. Dahinter steht auch die Sorge, dass London versuchen könnte, Brüssel Sonderkonditionen für den Austritt abzupressen – etwa, indem man EU-Beschlüsse blockiert.

Erpressung noch möglich

Möglich wäre das durchaus. Denn solange der Brexit nicht perfekt ist, bleibt Großbritannien ein EU-Mitglied mit allen Rechten und Pflichten. In wichtigen Fragen, in denen Einstimmigkeit gefordert ist, könnte eine neue, europafeindliche britische Regierung die EU erpressen.

Je länger London den Scheidungsantrag hinauszögert, desto größer wird die Unsicherheit. Einige EU-Politiker spielen daher schon mit dem Gedanken, die für Dienstag Abend beim EU-Gipfel erwartete mündliche Erklärung Camerons zum Ausgang des britischen Referendums als Austritts-Erklärung zu werten.

Die meisten Länder drücken aufs Tempo

Doch da dürfte Kanzlerin Angela Merkel nicht mitspielen. Sie will keinen Druck auf ihren „Buddy“ Cameron ausüben – wohl auch in der stillen Hoffnung, dass sich die Briten es noch einmal anders überlegen und am Ende doch in der EU bleiben könnten.

Beim EU-Gipfel könnte das für Streit sorgen, denn die meisten anderen Länder drücken aufs Tempo. Sie möchten so schnell wie möglich im 27er-Format – also ohne Cameron – über den Brexit und die Konditionen sprechen. Denn auch beim Scheidungsvertrag steckt der Teufel im Detail.

Nachahmer abchrecken

Schließlich geht es nicht nur darum, die Pensionsansprüche für britische EU-Beamte zu klären. Es geht auch darum, ob die Verhandlungen mit einem freundschaftlichen Gentleman’s Agreement oder mit einem Scheidungskrieg voller Rachegelüste enden.

Das ist nicht nur für London wichtig, sondern auch für andere EU-Länder. So setzt sich Frankreich für möglichst harte Konditionen ein, um mögliche Nachahmer abzuschrecken. Eine weiche Linie scheint dagegen Merkel zu fahren.

Schon vor dem Referendum hatte sie die Devise ausgegeben, dass die EU und Großbritannien selbst beim Brexit Freunde bleiben sollen – wenn auch nicht so enge wie bisher. Aber für gute Geschäfte soll es auf jeden Fall noch reichen.