Wahlbüros gibt es nicht mehr

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Was macht man, um die Leute zur Wahl zu bewegen? Im King County im Westküsten Staat Washington State gibt es eine Reihe interessanter Ideen und Umsetzungen.

Für Kim van Ekstrom hat die Wahl in den USA schon vor Monaten begonnen. Kim van Ektrom ist die Marketing und Pressemanagerin der Wahlbehörde des King County. In ihren Händen liegen Campagnen, um die 1,17 Millionen Menschen des Kantons zur Wahl zu bewegen. Wählen in den USA nämlich ist so einfach nicht. Wer wählen will muss sich in eine Wählerliste eintragen. Und das ist in manchen US-Staaten für viele Menschen schon eine große Hürde. Zur Eintragung wird ihnen ein Ausweis abverlangt wie etwa ein Pass. So etwas benötigt man in den USA aber gar nicht. Insbesondere Latinos oder Afro-Amerikaner aber besitzen so etwas gar nicht. Das heißt, große Teile der Bevölkerung können sich nicht in Wählerlisten eintragen und werden von der Wahl ausgeschlossen.

„So etwas gibt es in unserem Staat nicht“, sagt Kim van Ektrom. In Washington State muss man 18 Jahre alt sein, im Staat wohnen, die US-Staatsbürgerschaft haben und nicht in einem Gefängnis sitzen. Dann darf man sich in eine Wählerliste eintragen. Das King County ist das größte im Staate Washington. Es umfasst den Großraum Seattle, damit 3,3 Millionen Einwohner, von denen sich 1,17 Millionen in Wählerlisten eingetragen haben.

Amerikaner bevorzugen Briefwahl

Studien und Umfragen haben ergeben, dass 90 Prozent der Wähler es vorziehen, per Brief zu wählen. 34 Prozent wollen per Internet oder Wahlmaschine wählen. Daraus hat das Wahlamt des Kantons die Konsequenz gezogen, dass zukünftig im Großraum Seattle nur noch per Brief und per Wahlmaschine gewählt wird. Das hat Folgen gehabt. Es wurde ein neues Gebäude errichtet mit einem riesigen Parkplatz. Es wurde massiv in Elektronik, in Maschinen und Kommunikation investiert.

Und nun steht in Renton, der Flugzeugstadt, in der die Boeing 737 gebaut wird, nicht weit vom internationalen Flughafen Tacoma entfernt, ein großer weißer Kubus. In seinem Innern wird die Entscheidung der Wähler des King County zum Präsidenten der Vereinigten Staaten, zum Gouverneur des Staates, zum Generalstaatsanwalt, oder auch zum Kongress und zum Senat verarbeitet. Aber das ist längst nicht alles. Die Wähler in dem Staat stimmen auch über eine Reihe von Resolutionen ab. Kim van Ekstrom hat alle Resolutionen in einem DinA4 Heft mit 136 Seiten zusammengefasst, das jeder, der sich in die Wählerlisten eingetragen hat, aber auch die Presse und Parteien erhalten. Zwei Resolutionen sind besonders wichtig. Zum einen die Freigabe von Marihuana. Aus dem Dokument geht hervor, dass der Behörde für “Marihuana Information und Gesundheit“ in den kommen drei Jahren ausgehend von 24 Millionen über 42, dann 44 bis zu 45 Millionen im Jahre 2017 zur Verfügung stehen sollen.

Homo-Ehe

Das andere Aufrege-Thema ist die gleichgeschlechtliche Ehe. Der republikanische Kandidat erklärt in einem College, dass für ihn eine Ehe aus einem Mann und einer Frau bestehe. Das gibt er in Form einer absoluten Erklärung von sich. Als die Studenten Fragen stellen, dreht er sich um und geht. Um diese Auseinandersetzung kümmert sich die Chefin für Öffentlichkeitsarbeit nicht. Für sie ist wichtig, dass alles, was im Gebäude vor sich geht, so öffentlich wie eben möglich ist. Also gibt es rund um die Arbeitsfläche der 500 zeitweilig von Personalchef Fred Schunemann eingestellten Mitarbeiter einen verglasten Gang, von dem man aus alle arbeiten im Innern eines riesigen Raumes beobachten kann. Vertreter der politischen Parteien dürfen in den Ram und beobachten, was vor sich geht.

Aber was geht dort vor? Zum einen gibt es ein Call Center für Fragen, in dem kein Mitarbeiter auch nur eine Minute ohne Arbeit ist. Zum anderen gibt es einen Wahlraum mit Wahlmaschinen. Da dort auch Sehbehinderte wählen, gibt es für sie eine Audio Hilfe.

Kim hat in einer aufwendigen Kampagne dafür geworben, dass die Menschen wählen. Olympiasieger und Basketballerinnen haben die Jugend und Sportler angesprochen, Senioren ihre Altersgruppe, oder auch Unternehmer ihre Kollegen. Der Erfolg der Kampagne scheint ihr Recht zu geben. Am Tag vor der Wahl gab es 662.000 Briefe zu bearbeiten.

Zwei Kontrollen

In dem Saal, der eine ganze Etage umfasst, werden die Briefe geöffnet, die Unterschriften mit der Eintragung in die Wählerliste verglichen, dann Umschlag und Inhalt zur Anonymisierung der Wahl getrennt. Die Wahlzettel werden in einer ersten Phase einer Augenkontrolle unterzogen. Danach werden sie gescannt. Erkennt der Scanner eine Unregelmäßigkeit, wird der Wahlzettel aussortiert und per Hand kontrolliert.

Die Wahlzettel werden in einer ersten Phase einer Blick-Kontrolle unterzogen, dann auf Unregelmäßigkeiten kontrolliert. Zweierteams hocken zusammen. Der eine liest den Zettel vorm, der andere schaut auf den Bildschirm, wird nicht klar, was der Wähler gemeint hat, wird der Wahlzettel einer Kommission übergeben.

Langsame Phase

Das System ist in seiner elektronischen Phase effizient. Die gescannten Wahlzettel können über die Elektronik unmittelbar ausgewertet werden. Aber: Die Phase davor ist eine langsame, weil das System ein Opfer seines Erfolges wird. Seit Wochen werden Briefumschläge geöffnet und verarbeitet. Und in einem besonderen Käfig lagern weitere, zu denen bis zum Wahltag weiter hinzukamen. Der Vorteil: Wenn es irgendwo knapp wird, können wir schnell nachzählen“, sagt Kim. Am Wahlabend, glaubt sie, wird man wohl eine Tendenz haben. Das endgültige Ergebnis aber muss bis zum 27. November 2012 ausgezählt sein. Denn dann muss es offiziell bekannt gegeben werden.

Solche ein System bringt die Fernsehanstalten ziemlich durcheinander. Die fragten am Vorabend der Wahl schon nach der ersten Tendenz. Ein Ergebnis aber erst drei Wochen nach der Wahl? Das ist schwierig zu akzeptieren. Andererseits verweist Kim darauf, dass man in den USA an einem Arbeitstag wählt. Die Mischung aus Briefwahl und elektronischer Wahl ermögliche eine hohe Wahlbeteiligung, meint Kim. Allerdings: Der Reporter der lokalen Fernsehstation Komo war am Vorabend des Wahltages ziemlich pessimistisch, ob man am Morgen nach der Wahl wirklich wissen würde, wer der neue Gouverneur des Staates sein würde, weil dann noch nicht alle Stimmen ausgezählt seien.