Luxuskaufhaus für den Diktator

Luxuskaufhaus für den Diktator
(AFP)

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Syrien befindet sich im Krieg, die Lage der Bevölkerung ist katastrophal, Tausende fliehen. Doch jetzt empören Luxusprojekte sogar die Assad-Anhänger.

Ein kürzlich eingeweihtes Luxus-Einkaufszentrum und millionenschwere Tourismusprojekte an der syrischen Küste bringen selbst gestandene Anhänger des Präsidenten Baschar al-Assad auf die Palme. Sie finden derartige Vorhaben in einem vom Bürgerkrieg zerrütteten Land geschmacklos.´

„Zehn Milliarden syrische Pfund (48 Millionen Euro) für eine ‚Mall‘! Dagegen muss der verwundete syrische Soldat die chirurgischen Eingriffe aus der eigenen Tasche bezahlen. Und zum Essen hat er nur eine Kartoffel und Brot.“ Der empörte Kommentar im Internet-Kurznachrichtendienst Twitter stammt von der „Löwin“ – eine Anspielung auf den Namen Assad, der auf Arabisch „Löwe“ bedeutet.

Shoppen, während draußen Krieg herrscht

Der Zorn richtet sich gegen die von der Regierung geplante Einkaufsmeile in der westlichen Küstenstadt Tartus mit „sieben Restaurants, Geschäften und einem Spielsaal für Kinder“. Dazu kommen noch zahlreiche andere Tourismusvorhaben in der Hafenstadt. Sie dient als Stützpunkt und Wartungsstelle für russische Schiffe im Mittelmeer und gilt als eine der Hochburgen der Assad-Unterstützer.

„60 Prozent der Tartus-Bevölkerung können sich den Einkauf in der Mall nicht leisten“, lautet ein typischer Facebook-Eintrag. Eine Tourismusangestellte aus Tartus sagt der Nachrichtenagentur AFP, derartige Projekte seien ein „Schlag ins Gesicht vieler Bewohner“, deren Angehörige als Soldaten im Feld stürben.

Menschliches Reservoir für Kämpfer

Die Küstenprovinzen Tartus und Lattakia blieben vom bewaffneten Konflikt in Syrien bislang weitgehend verschont. Die Küstenregion ist „menschliches Reservoir“ für die Armee und die Regierungsmilizen. Die meisten im Kampf gegen die Aufständischen getöteten Soldaten stammen aus Tartus. Auf einer Facebook-Seite mit dem Titel „Die vergessene Provinz Tartus“ heißt es ironisch: „Ja, meine Herren, die Mall ist eröffnet. Die Familien der Märtyrer können dort fotografieren und die Soldaten ihren Sold in Prothesen anlegen. Es lebe das Vaterland!“

„Obwohl es sich in Tartus um ein privates Projekt handelt, wissen alle, dass so etwas nicht ohne staatliche Unterstützung zu realisieren ist“, urteilt das von Dschihad Jasischi betriebene kritische Online-Portal „Syria Report“. Seit dreieinhalb Jahren verfolge die Regierung die Politik, mit derartigen Projekten unter Beweis zu stellen, „dass alles gut läuft und die Lage unter Kontrolle“ sei.

Schockwelle bei Assads Anhängern

Der Bevölkerung gehe es aber vor allem um ein Ende des Blutvergießens. Jasischi stellt einen Bewusstseinswandel bei den Assad-Anhängern fest. Dieser habe nach der Eroberung von Armeestützpunkten im Norden des Landes durch die Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) eingesetzt. Die sunnitischen Gotteskrieger hatten hunderte Soldaten getötet, einige enthauptet und Fotos von den Gräueltaten verbreitet – unter anderem nach der Einnahme des Flughafens von Tabka in der nördlichen Provinz Raka.

Bei den Anhängern Assads, der zur Minderheit der Alawiten gehört, löste das eine Schockwelle aus. Junge Alawiten, deren Religionsgemeinschaft in den Küstenprovinzen besonders stark vertreten ist, wurden festgenommen, als sie das Verteidigungsministerium wegen des Armeedebakels kritisierten. „Assad wird nicht angefeindet, weil die Leute entweder Angst haben oder weil er ihre einzige Leitfigur bleibt“, sagt Jasischi. „Sie halten sich deshalb an den Behördenvertretern schadlos.“