EU verschärft Syrien-Kurs

EU verschärft Syrien-Kurs
(AFP/George Ourfalian)

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Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben am Donnerstag ihren Kurs gegenüber Russland verschärft.

In Aleppo trat eine mehrstündige Feuerpause in Kraft, allerdings blieben die Zivilisten in den Rebellenvierteln eingeschlossen. Russland erklärte sich bereit, die Waffenruhe zu verlängern – unklar blieb aber, wie lange. In einem Beschlussentwurf für den EU-Gipfel am Donnerstag drohten die Staats- und Regierungschefs der EU den Unterstützern der syrischen Führung und damit auch Russland mit Sanktionen, sollten die „Gräueltaten“ in Aleppo anhalten. „Der Europäische Rat verurteilt die Angriffe durch das syrische Regime und seine Verbündeten, insbesondere Russland, auf Zivilisten in Aleppo scharf“, hieß es in dem Entwurf zur Gipfelerklärung, der AFP vorlag.

Die EU-Vertreter verlangen darin „ein sofortiges Ende der Feindseligkeiten und die Wiederaufnahme eines glaubwürdigen politischen Prozesses unter UN-Schirmherrschaft“. Die Verantwortlichen für die Verletzung des internationalen humanitären Rechts und der Menschenrechte müssten zur Verantwortung gezogen werden, hieß es weiter. Im Vergleich zu einem Entwurf vom Mittwoch wurde nun ein weiterer Satz mit der Sanktionsdrohung hinzugefügt: „Die EU zieht alle Optionen in Betracht, einschließlich Sanktionen gegen Personen oder Organisationen, die das Regime unterstützen, sollten die Gräueltaten andauern.“ Frankreichs Präsident François Hollande betonte, die EU müsse sich mit Blick auf Sanktionen gegen Russland „alle Optionen offen halten“.

Donald Tusk

Ähnlich äußerte sich EU-Ratspräsident Donald Tusk. Die britische Premierministerin Theresa May erklärte, der Druck auf Moskau müsse aufrechterhalten werden, damit Russland „seine entsetzlichen Gräueltaten, seine unerträglichen Gräueltaten“ in Syrien einstelle. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verlangte einen dauerhaften Waffenstillstand für die umkämpfte Stadt Aleppo. Sie hoffe, dass der EU-Gipfel deutlich machen werde, dass das Vorgehen Syriens „mit russischer Unterstützung“ in Aleppo „völlig unmenschlich ist“, sagte Merkel in Brüssel. Die Menschen in der Stadt bräuchten schnellstmöglich „einen andauernden Waffenstillstand“ und „nicht nur einen über mehrere Stunden am Tag“.

Merkel und Hollande hatten in der Nacht zum Donnerstag mit Russlands Staatschef Wladimir Putin über den Syrien-Konflikt gesprochen. Merkel sprach von einer „sehr klaren“ und „sehr harten Aussprache“. In Aleppo galt seit Donnerstagmorgen eine Feuerpause, allerdings gab es Schüsse und Artilleriefeuer an einem der eingerichteten Fluchtkorridore. Die amtliche Nachrichtenagentur Sana meldete, „terroristische Gruppen“ hätten in der Gegend mit „Raketen, Maschinengewehren und Scharfschützen“ angegriffen, um die humanitäre Feuerpause zu behindern. Es gebe mehrere Verletzte. Am Donnerstag wagten nur sehr wenige Menschen die Flucht aus den Rebellenvierteln im Osten der Stadt.

Nach Angaben eines AFP-Fotografen, der vier Fluchtkorridore besuchte, konnte sich dort kein einziger Zivilist in Sicherheit bringen. Ein anderer AFP-Fotograf beobachtete sieben Verletzte, denen die Flucht gelang. Russland verpflichtete sich laut UN-Angaben vom Donnerstag, die Feuerpause bis Samstag einzuhalten. Zuvor hatte bereits die syrische Armee angekündigt, die Waffenruhe von jeweils elf Stunden pro Tag bis dahin zu verlängern. Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu erklärte hingegen, Moskau habe beschlossen, die Feuerpause um 24 Stunden auszuweiten. Die Kampfpause ist auch dafür gedacht, dass sich bewaffnete Rebellen ergeben können – was diese jedoch ablehnen.

Außerdem sollen Hilfslieferungen zu den festsitzenden Bewohnern gebracht werden. Jasser Jussef von der Rebellengruppe Nureddin al-Sinki sagte, die oppositionellen Kämpfer wollten mit der russischen Initiative „nichts zu tun haben“. „Wer sind die, dass sie darüber entscheiden, das syrische Volk zu vertreiben?“, sagte er. „Wir werden an unserem Recht, uns und unser Volk zu verteidigen, festhalten.“ Einsatzkräfte der UNO stehen bereit, um Verletzte und Kranke aus Aleppo wegzubringen und die notleidende Bevölkerung mit Hilfsgütern zu versorgen. Damit kann nach UN-Angaben allerdings erst am Freitag begonnen werden. Am Donnerstag konnten die Helfer ihren Einsatz wegen der unsicheren Lage noch nicht beginnen.