„Absolut illegal, die halten Fahrer wie Sklaven“

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Menschenhandel, kriminelle Organisation, Sozialdumping: Die Vorwürfe gegen die Transport- und Logistikgruppe Jost haben es in sich. Die Justiz ermittelt auch in Luxemburg. Was bislang passiert ist und was noch kommen kann – ein Überblick.

Was passiert ist

Am Montagmorgen tauchten Ermittler an mehr als einem Dutzend Standorten der Transport- und Logistikgruppe Jost auf. Das ist auch am Firmensitz in Weiswampach der Fall. Überall werden Hausdurchsuchungen durchgeführt. Es besteht Verdacht auf Menschenhandel, Bildung einer kriminellen Organisation und Verstöße gegen das Arbeitsrecht. Es gab laut dem belgischen RTBF mehrere Festnahmen. Der Gewerkschaft OGBL zufolge sitzt auch Firmenchef Roland Jost zurzeit in Belgien in Untersuchungshaft. Jost ist belgischer Staatsbürger. Hausdurchsuchungen gab es in Belgien, Luxemburg, Rumänien und in der Slowakei.

Was sind die konkreten Vorwürfe

Der Unternehmensgruppe wird vorgeworfen, etwa 1.100 seiner Lkw-Fahrer über Briefkastenfirmen in osteuropäischen Ländern, besonders in Rumänien, eingestellt zu haben. Trotzdem sollten die Fahrer für Jost unter anderem aus Luxemburg und Belgien heraus ihre Fahrten machen. Bezahlt würden sie aber nach dem Standard, der etwa in Rumänien gilt. Das wäre in der Tat illegal. Wer zum Beispiel in Luxemburg arbeitet, muss laut europäischem Recht auch entsprechend bezahlt werden. Ein weiterer Vorwurf lautet, dass die Fahrer nicht krankenversichert seien. Wenn sie nicht fahren würden, bekämen sie auch kein Gehalt. Laut der Zeitung „La Libre Belgique“ sei die Sozialversicherung allein in Belgien in den Jahren 2014, 2015 und 2016 um mehr als 55 Millionen Euro betrogen worden. Schätzungen zu Luxemburg gibt es nicht. Würden die Verantwortlichen vor einem Luxemburger Gericht schuldig gesprochen, drohen ihnen im Fall der genannten Anklagepunkte bis zu 15 Jahre Haft und 150.000 Euro Geldstrafe.

Was das für die Fahrer bedeutet

Laut unseren Informationen kommen die Fahrer bei Jost auf ein Gehalt von höchstens 1.200 oder 1.300 Euro im Monat. Diese Summe setzt sich zusammen aus einem Grundgehalt von – je nach Land – 300 bis 800 Euro und der Entlohnung für die gefahrenen Kilometer. Was unter Umständen dazu führen kann, dass Fahrer länger fahren als gesetzlich erlaubt, um an ihr Geld zu kommen. Würden die Fahrer nach Luxemburger Arbeitsrecht entlohnt, kämen sie auf ein Gehalt von rund 2.500 Euro. Das Unternehmen Jost widerspricht dieser Darstellung. Die Pressesprecherin von Jost in Luxemburg spricht von rund 2.000 bis 2.200 Euro, die die Fahrer hier verdienen würden.

Wie viele Leute in Luxemburg für Jost arbeiten

Laut der Pressesprecherin sind in Weiswampach etwa 200 Personen angestellt. Zu rund 100 Fahrern kämen etwa 100 Büroangestellte hinzu. Vor einiger Zeit hatte Jost noch bis zu 300 Fahrer in Luxemburg.

Was das Unternehmen zu den Vorwürfen sagt

In einer Pressemitteilung streitet das Unternehmen Jost die erhobenen Vorwürfe resolut ab. Der Originaltext lautet: „Nous faisons actuellement l’objet de contrôles sur tous nos sites. Nous sommes accusés à tort de dumping social, comme beaucoup de sociétés de transport avant nous, en Belgique et au Luxembourg. Nous sommes parfaitement en ordre à tous les niveaux. Il s’agit donc d’une collaboration totale avec les autorités. Le travail est presté normalement et le service à nos clients est assuré à 100%.“

Was die Gewerkschaft OGBL zu dem Fall sagt

OGBL-Zentralsekretär Romain Daubenfeld sagt, man sei bereits seit Monaten an dem Fall dran. Auch die Luxemburger Arbeitsaufsicht „Inspection du travail et des mines“ (ITM) sei bereits in Weiswampach bei dem Unternehmen Jost vorstellig geworden. Er ist überzeugt, dass hier „Sozialdumping im großen Stil“ betrieben wird. Das Unternehmen habe auch „jeglichen Kontakt mit den Gewerkschaften abgelehnt“. Daubenfeld beschreibt das, was bei dem Unternehmen passiert, als „absolut illegal, die halten ihre Fahrer wie Sklaven“. Überrascht ist er von den Hausdurchsuchungen also nicht. So sagt der Gewerkschafter auch: „Jost ist bekannt dafür. Der versuchte, im großen Stil Sklavenarbeit einzuführen.“

Wie es jetzt weitergeht

Zu allererst müssen Justiz und Ermittler ihre Arbeit abschließen. OGBL-Zentralsekretär Daubenfeld geht davon aus, dass Firmenchef Jost bald aus der Untersuchungshaft entlassen wird. „Das werden seine Anwälte schon hinkriegen“, vermutet Daubenfeld. Einen Konkurs des Unternehmens im Zuge der jetzigen Affäre kann Daubenfeld nicht ausschließen.

Was Jost für ein Unternehmen ist

Jost wurde im Jahr 1958 gegründet. Mittlerweile zählt es zu den Schwergewichten im Transport- und Logistiksektor in Europa. Von Luxemburg aus steuert die Jost-Gruppe rund 20 Unternehmen in zehn Ländern. 2015 belief sich der Umsatz der Gruppe auf rund 300 Millionen Euro. Insgesamt waren 2015 etwas mehr als 2.300 Personen bei der Jost-Gruppe angestellt.

Nur ein schwarzes Schaf oder eine „schwarze Branche“?

Daubenfeld will nicht von dem Jost-Fall ausgehend auf andere schließen. „Es gibt auch seriöse Firmen in der Branche“, sagt der OGBL-Zentralsekretär. Der „Schwarze Branche“-Verdacht kommt aber nicht von ungefähr. Luxemburg wurde im Jahr 2002 von einem Skandal im Transportsektor erschüttert: die sogenannte Kralowetz-Affäre. Damals wurden Fahrer aus Ostblock-Staaten in Luxemburg mit einem Hungerlohn von rund 200 Euro pro Monat abgespeist. In Folge des Kralowetz-Skandals wurde die Gesetzgebung abgeändert. Firmen müssen seitdem eine reelle Aktivität in Luxemburg vorweisen – wie Buchhaltung, Kontenführung und Disposition.