Zufällig Luxemburgisch

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Aufeinander zugehen ist besser als Gesetze

„Dat Éischt, wat mir héieren, wa mir d’Mammebroscht huelen, ass ‚Ech hunn dech gär‘.“ Das sagte der Initiator der Petition 698, Lucien Welter, am Montag im Parlament. Kleine Italiener hörten wohl „ti amo“, Portugiesen „amo-te“, „ljublu tebja“ kleine Russen. Es gibt so viele „Mammesproochen“ wie Nationalitäten, allein in der Hauptstadt 160. Mit anderen Worten: Die Muttersprache ist eine Frage des Zufalls – des Schicksals, würden andere sagen.

Sprache ist ein Mittel zur Kommunikation, mehr nicht, aber auch nicht weniger. Je kleiner die geografische Ausdehnung eines Landes, desto größer das Ausland, und umso notwendiger ist es, sich mit eben diesem verständigen zu können. Das Andere beginnt in Kleinstaaten wie Luxemburg nicht erst an der heute meist virtuellen, staatlichen Grenze. Der Andere, das ist auch der Arbeitskollege, der Nachbar, der Mann bzw. die Frau im Sport- oder Kulturverein. Mehrsprachigkeit ist für das Zusammenleben notwendig. Daran ließen auch die Befürworter des Luxemburgischen als erste Amtssprache keinen Zweifel. Warum aber das eigene Idiom so stark aus den anderen Umgangssprachen wie Französisch, Deutsch oder dem immer stärkeren Englisch hervorheben? Auf die Gefahr hin, Missverständnis statt Verständnis zwischen den Menschen zu verursachen?

Sprachliche oder andere Unsicherheiten

Sicherlich kann man das dumpfe Gefühl verstehen, das Menschen beschleicht, wenn sie beim Bäcker oder Metzger ihr „Bréitchen“ bzw. ihr „Wirschtchen“ nicht auf Luxemburgisch bestellen können. Obwohl heute auch der frankofonste Verkäufer die elementarsten Begriffe seines Geschäfts verstehen müsste. Den Einsatz für seine Muttersprache im Alltag als Ausdruck einer innigen Liebe zur selben zu verklären, mag nobel erscheinen, doch versteckt diese Haltung oftmals tiefere Ursachen, etwa sprachliche oder andere Unsicherheiten, wenn nicht sogar irrationale Angst vor dem Fremden.
Die Debatte am Montag im Parlament war „ein anschauliches Stück Debattierkultur“, wie es der Sprachforscher Christoph Purschke gegenüber dieser Zeitung ausdrückte. Aber auch ein Beispiel politischer Konsensbildung, müsste man hinzufügen. „Für jeden etwas“, hatten wir am Dienstag zum Ausgang der Debatte im Parlament getitelt. Tatsächlich waren Regierung und Parlament bemüht, den Graben zwischen beiden Positionen zu überbrücken. Für die Anhänger einer verstärkten Förderung des Luxemburgischen zauberte Premierminister Xavier Bettel einen Regierungskommissar für die luxemburgische Sprache hervor. Den Befürwortern des Status quo galt die Aussage, dass Mehrsprachigkeit ein Vorteil sei, an dem man festhalte.

All jenen, die „en français svp“ bisher als störend empfanden, werden die im Abgeordnetenhaus verteilten Kamellen kaum ausreichen. Dabei kann man das Problem nicht mit Verordnungen oder Gesetzen lösen, sondern nur durch eigene mentale Kraftanstrengung und die Einsicht, dass man sich der Sprachensituation in einem gegebenen Umfeld anpassen muss. Das bedeutet für die Luxemburger, auf ihre ausländischen Mitbürger in einer für alle verständlichen Sprache zuzugehen, für Letztere, das Erlernen des Luxemburgischen zu versuchen. Dass dieser Wille vorhanden ist, zeigen jährlich die Tausenden Einschreibungen in Luxemburgischkurse.