Stadt, Land, Frust

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(Reuters)

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Vom knappen Ja in der Türkei

Wahlausgänge sind zu akzeptieren, auch wenn sie einem nicht gefallen. Sie sind jedoch zu kritisieren, wenn sie nicht mit rechten Dingen zustande kommen. Das war in der Türkei der Fall. Ob jetzt am Wahltag manipuliert wurde oder nicht, ist dabei nicht ausschlaggebend. Dieser ist nur Teil des Wahlprozesses, und der ganze Weg bis zum Wahlsonntag war eine traurige, brutale, Menschenrechte verspottende Farce.

Dass sich trotzdem knapp 50 Prozent gegen Erdogans Machtgelüste stemmten, verdient zumindest Beachtung – doch zuvorderst Unterstützung. Ein Weg für die EU, diese Unterstützung über Wortmeldungen hinaus spürbar zu machen, ist die sofortige Visa-Liberalisierung. Diese ist eigentlich Teil des Flüchtlingsdeals, wurde aber nicht eingelöst, da Ankara an seinen Anti-Terror-Gesetzen festhielt.

Sie jetzt auszusprechen, wäre ein starkes Zeichen: Wir, die EU, lassen euch, die Türken, zu uns reisen, gerade jetzt – nicht wegen Erdogan, sondern trotz Erdogan. Das ist Sache der Politik. Auch jeder Einzelne kann etwas tun. Etwa in die Türkei reisen, in die Städte oder an die schönen und ehedem so beliebten Küsten. Dort stemmten sich die Wähler gegen Erdogan.

„Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind“, zitierte Erdogan 1998 aus einem Gedicht. Höchste Zeit, ihm die Weichen zu verstellen. Mit einem Boykott, egal wie er geartet sein mag, wird dies nicht gelingen.