Schändliches Tun

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Irgendwann reicht’s im Gesundheits- und Sozialsektor

Jeder kennt sie. Jeder schätzt sie. Jeder ist zu irgendeinem Zeitpunkt in seinem Leben auf sie angewiesen. Ohne sie würde in diesem Lande in vielen Familien nichts so laufen können, wie es zurzeit läuft. Und dennoch behandeln wir sie nicht sehr fair. Die einen haben seit 2007, die anderen seit 2009 keine Lohnerhöhung mehr gehabt. Dabei weiß jeder, dass die Anforderungen, die an ihre Berufe gestellt werden, in den letzten Jahren ständig zugenommen haben.

Dass ihnen stets zusätzliche Aufgaben abverlangt werden. Derart, dass sie eigentlich zu jenen im Lande gehören, die aufgrund ihrer Arbeits- und Dienstzeiten selber nicht in den Genuss jenes Freiraums gelangen können, den sie durch ihre Arbeit anderen erst ermöglichen.

Die Rede ist von den Mitarbeitern im Gesundheits- und Sozialsektor und den Mitarbeitern der Krankenhäuser. Von jenen also, die die Kinder betreuen, die die Kranken pflegen, zu Hause oder im Krankenhaus. Von jenen, deren Erscheinen zu Hause von vielen Pflegebedürftigen als täglicher zentraler Punkt angesehen wird. Von jenen, die anpacken, die richtigen Worte finden, Mut machen, vielleicht Trost spenden.

Jeder weiß, was sie täglich leisten müssen, damit andere ihr Leben einigermaßen nach Wunsch gestalten können. Und ausgerechnet jene müssen seit Jahren, bislang erfolglos, dafür streiten, dass ihnen endlich jene Anerkennung entgegengebracht wird, die sie verdienen.

Glauben Sie z.B., dass eine Krankenpflegerin oder eine „aide-soignante“, die bei einem Gesundheitsdienst arbeitet, weniger qualifiziert ist als eine im Krankenhaus? Wohl kaum. Und dennoch lassen wir es alle zu, dass diese Krankenpflegerin weniger verdient als ihre Kollegin in einem Spital. Dass die Leute in anderen Gesundheitsberufen auf eine Ausbildung von Bac plus 2 oder gar Bac plus 4 verweisen können, aber nur bezahlt werden, als ob sie eine 11e, höchstens eine 12e hätten. Erziehern geht es nicht besser. Eher noch schlechter.

Für den ganzen Sektor gibt es zwei Kollektivverträge. Den einen im SAS-, den anderen im FHL-Bereich. SAS steht für den Pflege- und Sozialsektor („Secteur d’aides et de soins“), FHL steht für den Krankenhausbereich („Fédération des hôpitaux luxembourgeois“).

Beide Kollektivverträge sehen vor, dass die Karrieren und die Lohnentwicklung an jene des Staates angepasst werden. Bislang haben die Arbeitgeber dies nicht getan. Obwohl die Regierung dies offiziell unterzeichnet und alle finanziellen Voraussetzungen und Garantien zugestanden hat. Seit 2009, wie gesagt, keine Lohnerhöhung.

Einmischen kann sich die Regierung nicht direkt, weil auf der Ebene der Kollektivverträge verhandelt wird. Die gute Nachricht ist, dass man im SAS vielleicht bald zu einer Einigung kommen könnte. Sollte dies noch vor der vom OGBL in die Wege geleiteten Urabstimmung über einen Streik im FHL-Bereich der Fall sein, stünden die FHL-Arbeitgeber alleine im Regen.

Vielleicht können sie ja dann den Menschen im Lande erklären, warum ihre von allen geschätzten Mitarbeiter in den Krankenhäusern jetzt sogar an einen Streik denken müssen und warum die FHL-Arbeitgeber ihnen die von der Regierung gemachten Zusagen und versprochenen Gelder immer noch verweigern. Über ein Jahr nach der großen Demonstration im Juni letzten Jahres mit über 9.000 Teilnehmern in der Hauptstadt: ein gar schändliches Tun.