Triumph des Stoikers

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Als vor einem Jahr der Literaturnobelpreis an Bob Dylan ging, war ich fassungslos. Mit Bob Dylans Musik konnte ich noch nie etwas anfangen – die näselnde Stimme, ein spannungsarmer Songaufbau, und auch live war sein Ruf letztlich eher am Schwinden. Stören tat mich aber vielmehr, dass die Akademie in Stockholm einen Musiker auserkoren hatte und dass Dylans Texte eigentlich nur im Rahmen der Musik Sinn machen. Ging es dem Literaturbetrieb so mies, dass man jetzt auf der Ersatzbank Leute auswählen musste, die eigentlich ein anderes kulturelles Medium bedienen – und die dann auch dort die entsprechenden Preise absahnen sollen? Parallel dazu wurde ein Autor wie Haruki Murakami seit Jahren als Favorit gehandelt – und ging doch wieder leer aus.

Nun ist mit Kazuo Ishiguro einer der wichtigsten zeitgenössischen Autoren überhaupt ausgezeichnet worden. Ishiguros Romane handeln von der Lückenhaftigkeit unserer Erinnerungen und von Wahrheiten, die wir uns zurechtbiegen. Sie befragen die Notwendigkeit des Vergessens im kollektiven Gedächtnis und zeichnen dystopische Welten, die wie schattenhafte Begleiter unserer Wirklichkeit sind. Es sind zutiefst berührende, gedämpfte, wichtige Werke, die über Sterblichkeit und menschliche Schwächen reflektieren. Dass ein diskreter Autor wie Ishiguro in Zeiten politischer Angeber triumphiert, tröstet einen über so manch alarmierenden realen Zustand hinweg.