Standpunkt: Nulltoleranz gegenüber Gewalt am Arbeitsplatz

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Nachdem sich in den ersten sechs Monaten dieses Jahres auf nationaler Gewerkschaftsebene so manches getan hat, gilt es nun, den Blick auf das internationale Geschehen zu richten.

Von Romain Wolff, CGFP-Nationalpräsident

Zu einem Zeitpunkt, in dem der Brexit noch immer nicht vollzogen ist und die Verantwortlichen der Europäischen Union nach den Europawahlen vom 26. Mai ihre liebe Mühe hatten, die Spitzenjobs neu zu besetzen, ohne dem Prinzip der Spitzenkandidaten und somit dem Wählerwillen Rechnung zu tragen, bleibt die Gewalt am Arbeitsplatz – ob unter Kolleginnen und Kollegen oder im Kontakt mit Drittpersonen – eines der international übergreifenden Themen.

Dass gerade dieses Thema leider nichts an Aktualität eingebüßt hat, verdeutlicht allein schon die 108. Internationale Arbeitskonferenz, die wie jedes Jahr auch diesmal im Juni in Genf stattgefunden hat und bei der, neben den Arbeiten im „Comittee on the Application of Standards“, an der auch CGFP-Vertreter teilgenommen haben, sich eine Spezialkommission mit Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt befasst hat.

Lange, sachliche und überaus zähe Diskussionen mündeten am letzten Tag der Konferenz in die Annahme einer Konvention sowie einer Empfehlung in diesem Bereich.
Kurz ein Wort zur Internationalen Arbeitsorganisation (ILO): Sie ist ein Gremium aus Arbeitnehmer-, Arbeitgeber- und Regierungsvertretern auf allerhöchstem Weltniveau. Diesem Dreiergespann gehören derzeit 187 Mitgliedsländer an. In diesem Jahr feiert die ILO ihr hundertjähriges Bestehen. Auch in Luxemburg soll diesbezüglich Ende 2019 eine Veranstaltung stattfinden.

Als Gewerkschafter muss man immer wieder feststellen, dass Gewerkschaftsarbeit in anderen Teilen der Welt ganz oft große Gefahren birgt, vor allem für kritische Gewerkschaftsvertreter, die ihren Einsatz für ihre Kollegen nicht selten mit dem bitteren Tod bezahlen müssen.

Stets wiederkehrende Themen bei der Konferenz sind die Gewerkschaftsfreiheit, die Zwangsarbeit (wovon weltweit 24,9 Millionen Menschen betroffen sind) oder eben auch die Kinderarbeit, die es unter keinen Umständen geben dürfte. Sie stellt einen regelrechten Skandal dar, vor dem insbesondere Gewerkschaftsvertreter auf keinen Fall die Augen schließen dürfen.

Und trotzdem: Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) geht davon aus, dass derzeit auf der Welt noch etwa 152 Millionen Kinder, also rund 10 Prozent aller Minderjährigen, Kinderarbeit verrichten. Dies geschieht zum Teil unter gefährlichen Bedingungen. Schätzungen zufolge sind 73 Millionen Kinder zwischen 5 und 17 Jahren hiervon betroffen. (Quelle: OIT: Les règles du jeu)

Keine Argumente mehr

Doch zurück zum Thema Gewalt. Sie macht sich häufig bemerkbar in Situationen, in denen Menschen keine triftigen, sachlichen Argumente mehr haben. Gerade dann zieht ein Sturm der Entrüstung auf. Es kann zu verbalen Ausrastern, einer unangemessenen Wortwahl oder, noch schlimmer, zu physischer Gewalt kommen.

Eines sollte klar sein: Gewalt im Allgemeinen ist in all ihren Formen, ob physisch oder psychisch, inakzeptabel und darf auf keinen Fall hingenommen werden. Dieses Phänomen ist in den letzten Jahren immer häufiger zu beobachten, und zwar in allen Bereichen, insbesondere aber im öffentlichen Dienst. Hier werden ganz oft Arbeitnehmer angegriffen, die anderen Menschen zu Hilfe eilen, im Gesundheitswesen, im Schulbereich, bei der Polizei und den Rettungskräften, um nur diese Beispiele zu nennen. Alles Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die sich in den Dienst des Gemeinwohls stellen. Sie sind der Grundstein für eine lebendige Demokratie.

Die öffentlich Beschäftigten müssen leider ganz oft, an vorderster Front, von der Politik getroffene, nicht immer von jedermann als positiv bewertete Entscheidungen in die Praxis umsetzen. Immer mehr wird staatliches Handeln in Zweifel gezogen. Die Leidtragenden dabei sind im Regelfall die öffentlich Bediensteten, die sich im direkten Kontakt mit den Bürgern in den Dienst des Allgemeinwohls stellen und einen gut funktionierenden Staat gewährleisten. Spricht man mit Betroffenen, so muss leider allzu oft festgestellt werden, dass der Arbeitgeber – in diesem Falle der Staat – sich trotz seiner Vorbildfunktion aufs Sträflichste seiner Verantwortung entzieht und die Beschäftigten im Stich lässt. Dies gilt sowohl im Bereich der Vorbeugung als auch bei der nachträglichen Hilfe für die davon betroffenen Menschen.

Wohl oder übel müssen spätestens hier die Gewerkschaften in die Bresche springen und ihre extrem wichtige soziale Rolle voll und ganz wahrnehmen. Aus diesen stichhaltigen Gründen wird die Europäische Union Unabhängiger Gewerkschaften (CESI) demnächst eine flächendeckende europäische Kampagne starten, die Ursachenforschung betreibt, wieso Gewalt, insbesondere gegen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, immer mehr als eine Normalität angesehen wird. Und wie steht es mit der gegenseitigen Achtung und dem Respekt untereinander? Gerade bei diesem Punkt müsste eine tiefer gehende Wertediskussion geführt werden.

Oberstes Ziel sollte es sein, in Europa einen gesetzlichen Rahmen zur Bekämpfung von Gewalt, die von Drittpersonen ausgeht, zu schaffen. Für die CESI steht jedenfalls Nulltoleranz gegenüber Gewalt am Arbeitsplatz ganz oben auf der Agenda. Sie wird dabei von all ihren Mitgliedsorganisationen unterstützt.
Jetzt muss gehandelt werden! Packen wir’s an!