Geostrategisches Scharnier

Geostrategisches Scharnier
Jean-Claude Juncker, Präsident der Europäischen Kommission, Donald Tusk, Präsident des Europäischen Rates, und Johannes Hahn, EU-Kommissar für Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen. Foto: DPA

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Armand Back zum Gipfel der EU mit dem Westbalkan.

Was Beitritte angeht, ist die Europäische Union ein gebranntes Kind. Die Osterweiterung 2004 mit zehn neuen Staaten hat das Bündnis noch immer nicht verdaut. Kein Wunder demnach, dass man die Fehler aus der Vergangenheit auf dem Westbalkan nicht wiederholen will. Dort warten mit Serbien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Albanien, Kosovo und Mazedonien gleich sechs Staaten ebenso mehr oder weniger lang wie mehr oder weniger hoffnungsfroh auf den Einlass in den weltweit immer noch exklusivsten Staaten-Klub.

Sich vollends selber überlassen will Brüssel diese Länder nicht. Sie gleich aufnehmen, geht auch nicht. Auf der einen Seite ist die Presse zu gegängelt, die Justiz zu korrupt, die Organisierte Kriminalität zu mächtig. Auf der anderen Seite steht eine EU, die höllische Angst hat, sich mit weiteren Beitritten zusätzlich zu schwächen. Also werden sie an die Subventionströge gelassen und mit Versprechen gefüttert.

Auch um den Einfluss Russlands oder der Türkei auf diese geostrategische Scharnierregion möglichst kleinzuhalten. Ein Einfluss, der geschichtlich und kulturell-gesellschaftlich zweifelsohne gegeben ist, wirtschaftlich aber vernachlässigenswert erscheint (das Handelsvolumen mit der EU beläuft sich auf 73, jenes mit Russland auf nicht einmal fünf Prozent).

Nur kann das natürlich nicht ewig so weitergehen. Werden Versprechen immer nur wiederholt und nie eingelöst, geht der Glaube daran verloren. Und genügend politischen Sprengstoff, auch für Europa, bietet die Region weiterhin. Beispiele hierfür gibt es zuhauf. So kamen die meisten Flüchtlinge im Jahr 2015 über die Balkanroute nach Europa. Die Kriege in den 90ern haben den Balkan zu einem riesigen Reservoir an Handfeuerwaffen gemacht. Fast alle Regierungschefs zeigen ein Faible für autokratische Tendenzen, schüren nationalistische Ängste und Hass auf die Nachbarn.

Kurzum, den Menschen in den Ländern des Westbalkans sollte die EU noch stärker als bislang zur Seite stehen. Sie wird dort tatsächlich gebraucht. Wenn dann, wie gestern geschehen, auch auf dem ersten Westbalkan-Gipfel seit 15 Jahren der Iran und Trump im Mittelpunkt stehen, ist das ein wahrlicher Jammer.

MarcL
18. Mai 2018 - 13.03

Den Menschen soll geholfen werden, sicherlich aber am Ende hat man es auf europäischer Ebene mit den gewählten Vertretern zu tun. Zur Zeit aber machen solche Volksvertreter Europa im Übermass zu schaffen und man kann sich nur ungenügend auf Wesentliches konzentrieren. Brexit, Griechenlandkrise, Flüchlingskrise, Nationalismen in Polen, Ungarn und vielleicht auch bald in Italien dienen wahrlich nicht dazu Europa aufnahmebereiter zu machen. Die aktuelle Verwahrensweise der Einstimmigkeit bei EU-Beschlüssen das fehlende "soziale Europa" die ungenügenden Instrumente gegen sich formierende autokratische Staatsformen, wie Polen oder Ungarn z.B. sind weitere Schwachpunkte der EU. Wie kann man da an Erweiterung denken?