Chaostage in London

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Nach Donnerstag scheint trotz des am Mittwoch veröffentlichten Brexit-Abkommens die Wahrscheinlichkeit gestiegen zu sein, dass es am Ende zu einem Brexit ohne Vertrag kommen wird. Die britische Premierministerin Theresa May musste mit ansehen, wie ihr wieder eine Handvoll Regierungsmitglieder den Rücken gekehrt haben, Abgeordnete ihrer eigenen Tory-Partei einen Misstrauensantrag gegen sie vorbereiten und sich im Unterhaus eine deutliche Mehrheit gegen den mit Brüssel ausgehandelten Vertragsentwurf abzeichnet.

Im britischen Parlament wurden am Donnerstag ebenso ein „harter“ wie ein „weicher“ Brexit mit Verbleib im Binnenmarkt und in einer Zollunion mit der EU gefordert, ein neues Referendum, das sogenannte „people’s vote“, über den Brexit-Vertrag ebenso wie die schlichte Ablehnung des Abkommens. Überzogene Erwartungen, falsche Versprechen, handfeste Lügen und Realitätsverweigerung in Sachen EU-Austritt haben zu chaotischen Zuständen im britischen Politikbetrieb geführt, die am Donnerstag wieder einen vorläufigen Höhepunkt erreicht haben.

Wie angesichts dieses Durcheinanders rund vier Monate vor dem offiziellen Stichdatum ein ungeordneter Brexit vermieden werden kann, ist nicht abzusehen. Denn noch immer herrscht keine breite Einigkeit darüber, welche Art von EU-Austritt es nun sein soll. Stattdessen wird sich unter anderem über zeitlich begrenzte Arrangements im Vertragsentwurf gestritten, die bei einer künftigen Einigung über die Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien ohnehin keine Rolle mehr spielen. Die Verbohrtheit, mit der zu viele britische Politiker die Vision der Wiedererlangung einer absoluten Souveränität verfolgen, könnte Großbritannien am Ende ohne Brexit-Abkommen teuer zu stehen kommen.