Wider den Krieg der Geschlechter (II)

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Die sexuelle Freiheit darf keinem neuen Puritanismus geopfert werden, findet Robert Goebbels.

Im ersten Artikel schrieb der Autor, dass die politische und gesellschaftliche Gleichstellung von Frauen und Männern eine unumstößliche Realität sei. Weil das Verhältnis zwischen den Geschlechtern heute wesentlich entspannter als früher sei, dürfe die sogenannte „Weinstein“- Affäre nicht zu einem neuen „Geschlechterkampf“ führen.

Von Robert Goebbels, ehemaliger Minister, früherer Europaabgeordneter

Um nicht falsch verstanden zu werden: Vergewaltigungen und versuchte Vergewaltigungen sind Delikte. Sie müssen von den Gerichten geahndet werden. Die Betonung liegt auf „Gerichten“. Vorverurteilungen und Hetzkampagnen durch Medien oder Internet-Foren sind nicht akzeptabel.

Jeder Einzelne, das gilt für Frauen wie Männer, hat das Recht, „Nein“ zu sagen. Gerade zu mehr oder weniger aufdringlichen „Einladungen“ zum Sex. Es gibt zwar Menschen, die „Nein“ nicht als eine Antwort ansehen. Die es immer wieder versuchen. Erfolgt dies durch einen Vorgesetzten gegenüber von Mitarbeitern, ist es ebenfalls strafbar.

Doch trotz der vielen Enthüllungen von mehr oder weniger Prominenten, darunter Schriftstellerinnen ohne Leser oder längst vergessene Starlets, darf keine generelle Hysterie entstehen über die sexuellen Beziehungen zwischen Frauen und Männern.
Wenn es eine Logik in der Natur gibt, ist es die Notwendigkeit der Fortpflanzung. Pflanzen, Tiere und Menschen versuchen, das Leben weiterzugeben.

Deshalb muss es Sex geben. Dazu gehören in der Tierwelt so seltsam anmutende Verhalten wie das Balzen, das Röhren und andere Aufforderungen zur Paarung. Bei Menschen, so Jared Diamond, Autor von „Why Sex is fun“, muss Sex auch Spaß machen. Freude am Sex können Menschen nur freiwillig haben, ob zwischen- oder gleichgeschlechtlich.
Jeder Zwang ist verwerflich. Der Versuch, jemanden „anzumachen“, „zu verführen“ oder wie man das menschliche Balzverhalten noch benennen will, jedoch nicht.

La liberté d’importuner

„Wir fordern die Freiheit, belästigt zu werden“, heißt ein Manifest von Frauen in Le Monde. „Vergewaltigung ist ein Verbrechen“, nicht aber „aufdringlich sein“. Denn selbst „unbeholfene Annäherung“ oder „plumpe Galanterien“ von Männern gegenüber Frauen seien weder „Machismus“ noch „Angriffs-Krieg“.

„Ne pas confondre une drague maladroite avec une agression sexuelle“, fordern die 100 Frauen, die ein totalitäres Klima in der Gesellschaft verhindern wollen. Sonst gehe die „sexuelle Freiheit“ verloren, die sich gerade die Frauen gegen Kirchen und männliche Bevormundung erkämpften.

Die „MeToo“- und die „Balance ton porc“-Kampagne haben manche verdrängte Eiterbeulen zum Platzen gebracht. Das hypokritische Schweigen über echte Missstände in Branchen wie der Filmindustrie wurde durchbrochen. Obwohl gerade Hollywood-Filme manchmal zelebrierten, wie Produzenten und Regisseure Rollen vergaben, wie weibliche und männliche Starlets ihre Karriere mit „pillow talk“ steuerten. Wenn eine Schauspielerin abends in Cannes die Einladung eines Produzenten zum „letzten Drink“ in dessen Schlafzimmer annimmt, muss entweder große Naivität oder kalte Berechnung im Spiel sein bei der Annahme, der Gastgeber sei nur vom Durst getrieben!

Es mag zu viele „Weinsteins“ geben. Doch die puritanische Säuberungswelle droht aus den Fugen zu geraten. Bei manchen Frauenrechtlerinnen scheinen die Sicherungen durchzuknallen. Seit wann ist ein nackter Körper wieder anstößig? Selbst wenn er der Pirelli-Werbung dient? Oder in männlicher Version dem Werben für Rugby?

Die Auferstehung von „Tartuffe“

Ist es wirklich eine „Verunglimpfung“ der Frauen, wenn weibliche oder männliche Körper in ihrer „nackten Pracht“ abgebildet werden? „Couvrez ce sein que je ne saurais voir“, hieß es bei Molière in „Tartuffe“.

Die modernen „Tartuffe“ bekommen wieder Oberwasser. So wurde in Paris ein Plakat mit einem Nacktbild von Egon Schiele aus dem Verkehr gezogen, weil es zu anrüchig gewesen sein soll. Was geschähe bei einer Plakatierung von „L’origine du monde“ von Gustave Courbet?

Geradezu lächerlich ist die „politisch korrekte“ Neuinterpretierung von klassischen Werken. Etwa jene Inszenierung der Carmen-Oper von Georges Bizet, wo der Regisseur vorgibt, mit dem „Klischee der unterdrückten Frauen“ aufzuräumen, indem Carmen ihren Liebhaber tötet, anstatt der Jalousie von „Don José“ zum Opfer zu fallen. War Bizet ein Macho?
Werden nunmehr von den griechischen Heldensagen bis hin zu den Monumenten der Weltliteratur alle Handlungen auf „Gender-Balance“ geprüft? Muss Odysseus bei seiner zehnjährigen Irrfahrt seine angetraute Penelope mitnehmen und ihr die Steuer zwischen Skylla und Charybdis „paritätisch“ überlassen?

Das zwitterhafte Umgehen der Staaten mit dem „ältesten Gewerbe“ der Welt, der Prostitution, veranschaulicht den puritanischen Sinneswandel.

Moderner Sklavenhandel und Zwangsprostitution mit Ausbeutung der Frauen durch Zuhälter ist zu unterbinden. Doch gab und gibt es noch immer Frauen und Männer, welche selbstbewusst ihren Körper beruflich nutzen.

Dies zu verbieten, ist ein sinnloses Unterfangen, wie die Geschichte belegt. Dennoch greifen viele Staaten zu immer kurioseren Regelwerken. Etwa die Schweden und die Franzosen, welche die Prostitution erlauben, aber die Kunden bestrafen. Die Lust bleibt erlaubt, deren Befriedigung wird verboten!

Das Reformvorhaben der Bettel-Regierung geht nicht ganz so weit, ist dennoch ein schiefer Kompromiss zwischen der Anerkennung der Realität Prostitution und den Forderungen von Moralisten und Emanzen.

Allein die Benutzung des Begriffs „débauche“ (Unzucht) im Gesetzentwurf stellt einen Rückfall in tiefste Sexualfeindlichkeit dar. Man kann Me Vogel (Tageblatt vom 12.1.18) in diesem Punkt nur zustimmen. Der ein Urteil des Straßburger Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Februar 2005 zitiert: „Le droit pénal ne peut en principe intervenir dans le domaine des pratiques sexuelles consenties qui relèvent du libre arbitre des individus.“

Dazu gehört auch Sex zwischen Prostituierten und ihren Kunden. Dies zu „kriminalisieren“, wie die Gesetzgeber in Schweden und Frankreich es taten und wie Justizminister Braz es in Ansätzen versucht, öffnet nur Tür und Tor für Erpressungen.

Der wirklich große Vorkämpfer für die Menschenrechte, Amnesty International, rief 2015 auf dem Dubliner Kongress der Organisation zur Entkriminalisierung der Prostitution auf. Amnesty sprach sich selbstverständlich gegen Sex mit Kindern, gegen Frauenhandel oder Zwangsprostitution aus, aber für die Anerkennung des Rechts auf „einvernehmlichen Sex zwischen Erwachsenen“ – selbst bei „käuflicher Liebe“.

Wer aus moralischen Gründen gegen das Prostituieren des menschlichen Körpers ist, sollte sich zur Vermeidung der „Verarmung der Sexualität“ für ein möglichst unverkrampftes Herangehen an den zwischenmenschlichen Sex einsetzen.

In ihrem Dialogbuch „Die Herzlichkeit der Vernunft“ beschäftigen sich Alexander Kluge und Ferdinand von Schirach mit der Liebe. Liebe habe nichts mit Gerechtigkeit zu tun und nichts mit Vernunft, eher mit Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung. Das Strafrecht, so Von Schirach, solle nur Schutz vor Exzessen bieten: „Was unterhalb dieser Schwelle liegt, geht das Recht nichts an. Gerade hier beginnt sich das zu verändern.“

An amerikanischen Hochschulen gibt es nunmehr das „Affirmative Consent Project“, das Sex zwischen Studenten regeln will. Die Studenten, so Von Schirach, könnten online einen Umschlag bestellen, in dem ein „Vereinbarungsvertrag“, ein Kondom und ein Pfefferminzbonbon beiliegen: „Die Studenten sollten von sich und dem Vertrag ein Foto machen, bevor sie miteinander schlafen.“ Wohlgemerkt „im Zustand der Nüchternheit“. Wie romantisch!

Damit Sex weiterhin Spaß macht und auch in Zukunft Kinder geboren werden, sollte sich unsere offene Gesellschaft nicht nur vor solch bürokratischem Sex schützen. Vor allem sind Sexualdelikte nicht auf die gleiche Ebene zu stellen wie selbst plumpe Verführungsversuche. Alle Exzesse sind zu verurteilen, die der „Weinsteins“ wie jene der Moralapostel. Selbst, wenn es sich dabei um selbst ernannte Feministen handelt.

René Fries
20. Februar 2018 - 16.04

L'enterrement de première classe du féminisme, ça fait longtemps qu'il a été fait et ce, par personne de moins que Rosa Luxemburg, gauchiste de gauche si jamais il en fut. J'ai déjà eu le plaisir de... - mais "bis repetita placent" comme on sait. Donc: Rosa Luxemburg: "La liberté de la critique et le caractère sacré des 'recherches scientifiques' doivent rester intangibles" [top actuel comme on voit, en particulier si l'on tient compte de https://www.polemia.com/les-mal-pensants-en-camp-de-reeducation/], p.177, vol. III des Oeuvres complètes, édition Zetkin/Warski. La chute de l'URSS, due exclusivement au non-respect de cette admonestation, a prouvé qu'elle avait raison. Pour moi aussi, elle reste une des icônes du 20e siècle, mais... – voilà son "Abscheu vor der Emanzipationsbewegung (...) war sehr ausgeprägt / dégoût du mouvement d'émancipation (qui) fut très marqué" (H. Arendt, "Menschen in finsteren Zeiten", Piper, München 1989, p. 60) .