Radweg nein – Schiene ja

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René Birgen* über den Erhalt der Bahnstrecke Kleinbettingen-Steinfort.

So beschrieb das Tageblatt die Aktion des Landesverbandes vom 24. Oktober dieses
Jahres in Kleinbettingen anlässlich der offiziellen Außerbetriebnahme des Abschnitts Kleinbettingen – Steinfort durch die CFL. René Birgen* über den Erhalt der Bahnstrecke Kleinbettingen-Steinfort.

Die Argumente für eine Wiedereröffnung dieses Restabschnitts der ehemaligen Attertlinie, wie der Sprecher des Landesverbandes sie darlegte, behalten ihre Gültigkeit, auch wenn der Minister diese wegen der hohen Kosten abstreitet und nicht zu Unrecht auf die hohen Investitionen in andere Teile des Luxemburger Schienennetzes hinweist. Letztere waren auch bitter notwendig geworden, um der Bahn die Rolle zu ermöglichen, in der man sie gerne sehen möchte, nämlich als Rückgrat im öffentlichen Transport.

Aber ein Bahnnetz besteht nun mal nicht nur aus Hauptstrecken, es ist eben ein „Netz“, welches auch Zwischenverbindungen braucht, welche die Hauptfäden miteinander verbinden. Andere haben die Bahn mit einem Baum verglichen, den man immer wieder zurückschneidet. Hat man zu viele von den kleinen Ästen und Wurzeln abgetrennt, stirbt langsam der ganze Baum und anstatt Früchten bekommt man auf lange Zeit Totholz.

Der neue Direktor von SNCF Réseau hat in einem Interview gesagt, dass es ihm um jeden Cent leid tue, der in eine Nebenstrecke investiert werde; da sei es besser, diesen in Hauptstrecken zu stecken. Zu was dies in Frankreichs Bahnlandschaft geführt hat, erleben die Regionallinien heute tagtäglich. Bei vielen wurde der Unterhalt nur minimal durchgeführt, was eine Verschlechterung der Infrastruktur zur Folge hatte und dass die Mängel wegen des fehlenden Geldes heute nicht behoben werden können oder nicht mehr behoben werden wollen.

Erhalt des Transportmittels Schiene

Bedingt durch zahlreiche Langsamfahrstellen verliert die Bahn ihre Kundschaft zugunsten vom Bus, der die Fahrzeit, die früher zugunsten der Schiene sprach, heute wegen der technischen Mängel am Oberbau der Bahnstrecke leicht unterbieten kann. So kommt es nicht selten vor, dass moderne Triebwagen, die problemlos mit 160 km/h fahren können, wegen des schlechten Zustandes einer Strecke mit 40 km/h über kilometerlange Abschnitte tuckern.

Aber zurück nach Luxemburg. Man erinnere sich an die Siebzigerjahre. Damals hatten kluge Köpfe auch bei uns ausgerechnet, dass sich der obere Teil der Nordstrecke zwischen Ettelbrück und der belgischen Grenze nicht mehr rechne und man ihn deshalb aufgeben sollte.

Der Landesverband als treibende Kraft für den Erhalt der Bahn organisierte daraufhin die bekannte Kundgebung vom 8. Juni 1980 in Ulflingen – nicht um, wie der damalige Minister im Luxemburg Wort zitiert wurde, „von sich reden zu machen“, sondern um sich zusammen mit den Tausenden, die gekommen waren, für den Erhalt des Transportmittels Schiene in der Region stark zu machen.

Mal anders rechnen

Die Schiene in ihrer Region erhalten, das ist heute ein zentrales Bestreben des Landesverbandes. Dieses wird auch immer wieder durch Aktionen, wie z.B. durch das Einweihen einer Haltestelle entlang der Bahnlinie Ettelbrück – Diekirch, deren Erhalt der Minister als „grenzwertig“ bezeichnet, verdeutlicht. Im Gegensatz zu anderen hat der Landesverband gelernt, mit der Zeit zu gehen.

In einem längeren Gespräch vertraute mir der ehemalige Generalsekretär des Landesverbandes, René Bleser, an, dass der Landesverband 1967 einen Fehler begangen habe, als er sich nur um die Versetzungswünsche der von der Stilllegung der Attertlinie betroffenen Kollegen kümmerte, anstatt sich eher für deren Erhalt und Modernisierung einzusetzen. Heute eine Bahnlinie nur nach den Kosten zu bewerten, müsste doch, außer bei Marktwirtschaftsfanatikern, der Vergangenheit angehören. Nur wenige Strecken fahren Gewinne ein wie die Jungfraubahn, die anscheinend einen Kostendeckungsgrad von 114% besitzt. Leider gibt es im alltäglichen Bahnverkehr nur sehr, sehr wenige, die bereit sind, 128 CHF für eine Rückfahrkarte über eine Distanz von rund 10 km auszugeben. Also lassen wir diese Berechnungen, die kaum zum Umsteigen auf den öffentlichen Personentransport beitragen.

Indirekte Gewinne waren höher

Als Ende des 19. Jahrhunderts, ab 1885, in Belgien das Netz der Vizinalbahnen entstand, das bereits 1910 mit fast 4.000 Kilometern Streckenlänge das Land durchzog, wurde dessen Bau vom damaligen Finanzminister Charles Graux (1837-1910) in seiner Amtszeit gefördert. Natürlich wusste Graux, dass viele seiner Bahnen in ländlichen Gegenden kaum jemals rentabel sein und hohe Dividenden ausschütten würden. Er verstand schon damals, dass die indirekten Gewinne durch den Handel und die Mobilität der Bürger um ein vieles höher waren. Waren konnten überregional verkauft werden, Kindern aus ländlichen Gegenden wurde die weiterführenden Schulen ermöglicht. Also lassen wir doch auch heute diese Rentabilitätsberechnungen.

Doch diesen ist kein anderes Verkehrsmittel so ausgesetzt wie die Schiene. Viele Jahre war das Defizit ein beliebtes Thema, auch wenn heute hier manches zurechtgerückt wurde. Aber dennoch scheint sich der Witz „Was ist der Unterschied zwischen Straße und Bahn? Bei der Straße baut man und rechnet nicht, bei der Bahn rechnet man und baut nicht.“ gehalten zu haben. Wie könnte sonst ein grüner Minister, der einerseits nicht müde wird, die Vorteile der Bahn für den Umweltschutz hervorzuheben, sonst bei seiner Weigerung einer Wiedereinführung des Personenverkehrs den Kostenfaktor aus dem Hut ziehen? Schön und gut, es werden heute hohe Summen in die Bahn investiert, aber das war lange nicht der Fall und so wird heute größtenteils jener Nachholbedarf aus den letzten Jahren aufgearbeitet.

Auseinandersetzung Straße – Schiene

Anlässlich einer Tagung von Verkehrsexperten im Cercle Munster vor einigen Jahren war auch Professor Heiner Monheim zu Gast. In seinem Referat über Lösungen von Verkehrsproblemen schlug er vor, restliche Eisenbahnstrecken wieder für den Personenverkehr zu reaktivieren und nur dort, wo es keine Schienen mehr gibt (zwischen Kleinbettingen und Steinfort gibt es sie noch und auch zwischen Bissen und Ettelbrück), auf den Bus zu setzen. Schiene und Straße müssen sich ergänzen, nicht gegeneinander aufgerechnet werden. Und ja, auch dem Fahrrad soll ein Platz eingeräumt werden durch das Anlegen sicherer Radwege.

Aber nicht durch die Stilllegung von Bahnstrecken und deren Umwandlung in Fahrradpisten, wie es in den Sechziger- und Siebzigerjahren im Sinne des Straßenbaus zu Begradigungen und zum Bau von Umgehungsstraßen auf Bahntrassen gekommen ist. Auch als Fahrradfan darf man sich Aussagen von Fachleuten nicht so zurechtbiegen, wie sie einem passen. Von Umwandlungen von Bahnstrecken zu Fahrradwegen hatte Herr Monheim damals wirklich nichts gesagt.

Und lässt man Benutzerzahlen sprechen, so wird die neue Fahrrad-Bahn sicherlich nur eine größere Benutzung im Freizeitverkehr verzeichnen und an Wochentagen sind sicher mehr Pendler ab Steinfort im Zug, der sich nicht lohnen soll, als auf der Fahrradpiste, die auf seiner Trasse neu angelegt wurde. Aber wie hielt es bereits Churchill mit den Statistiken und deren Fälschungen …? Um es noch einmal zu sagen, es geht nicht darum, in der Mobilität ein Mittel gegen das andere auszuspielen; das wurde ja bereits in der Auseinandersetzung Straße – Schiene lang und breit getan, mit fast immer dem Straßenbau als Sieger.

Stilllegung rückgängig machen

Im Fall der Bahnstrecke Kleinbettingen – Steinfort geht es um eine gute Anbindung einer Park&Ride-Anlage nur knapp 500 m von der belgischen Grenze entfernt an das Schienennetz der CFL. Nach dem Abschluss der Modernisierungsarbeiten der Bahnstrecke Luxemburg – Kleinbettingen kann der Hauptbahnhof ab Steinfort in etwas mehr als 20 Minuten erreicht werden; durch ein Umsteigen in Richtung Pfaffenthal kann der Kirchberg mit Standseilbahn und Tram schneller erreicht werden als mit einem Bus, der trotz Euronorm- 6-Motor immer noch Schadstoffe in die Umwelt abgibt und trotz Busspur immer noch vom stets steigenden Individualverkehr abhängig ist.

Noch ist es Zeit, die Stilllegung der Bahnlinie Kleinbettingen – Steinfort rückgängig zu machen und diese im Sinne einer Zubringerstrecke zu einer wichtigen P&R-Anlage zu modernisieren. Das wäre grüne Verkehrspolitik im Sinne der Umwelt und der Nachhaltigkeit, wie ich sie mir erwartet hätte. Bahnen durch Busse zu ersetzen hätte ich mir eher von einem liberalen Transportminister vorgestellt. Aber wie sagte meine Oma immer: „Et täuscht ee sech net méi wéi hannert de Leit.“

 

* Der Autor ist Mitglied der FNCTTFEL und ehemaliger Personalvertreter der Sparte Bahnhofspersonal.

Drachenzwerg
16. November 2017 - 8.09

Super Foto - old Times - :)